"Eine Niederlage für die NPD"
9. Mai 2005"La Repubblica" aus Rom: Ansehen Deutschlands gewachsen
60 Jahre nach Ende des Hitler-Krieges, hat Berlin es verstanden, sich an diesem kalten Frühlingssonntag zwischen unsicherem Sonnenschein und Regenschauern der Welt als ein neues Deutschland zu präsentieren. Als eine Demokratie, die stets bereit ist, ihre Verantwortung aus der Vergangenheit anzuerkennen und zugleich auf der Suche ist nach einer Rolle internationaler politischer Führung, in der sie nicht mehr Kriege gewinnt, sondern den Frieden. Zugleich war die Niederlage der NPD auf der Straße für das Ansehen Deutschlands ein wichtiges Ereignis.
"Leipziger Volkszeitung": Wehrhafte Demokratie
Wer Demokratie bislang für eine gottgegebene Selbstverständlichkeit hielt, konnte sich gestern (8.5.2005) vom Gegenteil überzeugen: 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs zeigten Zehntausende in Berlin, was wehrhafte Demokratie bedeutet: Nicht in Panik Gesetze erlassen, sondern körperlich präsent sein, wenn es darauf ankommt. Mit ihrem angekündigten Marsch über den Boulevard Unter den Linden wollte die NPD die Grenzen der offenen Gesellschaft ausreizen - und kam nicht mal über den Alexanderplatz hinaus. Während Bundespräsident Horst Köhler im Bundestag den deutschen Willen zur Freiheit und Demokratie lobte, kämpften nur wenige hundert Meter entfernt Bürger auf der Straße erfolgreich gegen die Bedrohung von Rechtsaußen. Selten fallen Theorie und Praxis derart überzeugend zusammen.
"Neue Zürcher Zeitung": Stimmung des Missvergnügens
Als Reaktion auf die wirtschaftlichen Probleme hat sich wie Mehltau eine Stimmung des Missvergnügens über Deutschland gelegt, die geeignete Sündenböcke meist im "Osten" findet. Bundespräsident Köhler erinnerte daran, welchen Stellenwert die europäische Integration für den Wiederaufstieg der Bundesrepublik besaß. Doch diese Voraussetzungen deutscher Außenpolitik sind der Bundesregierung fremd geworden. Sie pflegt ein instrumentelles Verhältnis zur EU und grenzt sich gegenüber der eigenen Geschichte ab, indem sie immer wieder betont, dass Berlin nun eine neue Rolle in der Welt spiele. 60 Jahre nach Kriegsende vollzieht die Bundesrepublik eine Gratwanderung: Sie bekennt sich zu ihrer Vergangenheit und löst sich doch von ihr.
"Rzeczpospolita" aus Warschau: Sieg bedeutete nur Freude für halb Europa
Am Tag des Endes des Zweiten Weltkrieges freute sich nur eine Hälfte Europas. Während der Westen die Wiedererlangung der Freiheit feierte, ging der östliche Teil des Kontinents nach der Beherrschung durch Hitler einfach in den Machtbereich Stalins über, aus der deutschen Besatzung wurde kommunistische Diktatur. (...) Westeuropa erlebte nach 1945 eine noch nicht da gewesene politisch-wirtschaftliche Entwicklung und gesellschaftlichen Wohlstand. Das von der Roten Armee eingenommen Ostmitteleuropa wurde ein halbes Jahrhundert lang ins sowjetische Lager eingeschlossen, der Freiheit und Eigenständigkeit beraubt, verurteilt zur Wirtschaft des real existierenden Sozialismus.
"Tages-Anzeiger" aus Genf: Ein Gefühl der Befreiung in Berlin
Ein Gefühl der Befreiung machte sich in der Hauptstadt breit. Die Rechten werden das als weiteren Beleg ihrer Unterdrückung werten und sich über den Staat beklagen, der nicht in der Lage war, ihr Demonstrationsrecht mit Gewalt durchzusetzen. (...) Die deutsche Gesellschaft hat also einen Sieg errungen. Ein Tag der Befreiung von der Zumutung der Neonazis war der Tag dennoch nicht. Der Kampf gegen die Brandstifter kann in einer Demokratie nicht abschließend gewonnen werden, weil sich Ideen nicht verbieten lassen. Dabei steht Deutschland vor der Aufgabe, das Erinnern neu zu organisieren - weil die Generation der Augenzeugen stirbt, weil die individuelle Erinnerung abgelöst wird durch das geschichtliche Gedächtnis. Es wird eine wichtige Aufgabe sein, den nachfolgenden Generationen früh zu erklären, weshalb für Nazi-Ideen gilt: Nie wieder.
"France Soir" aus Paris: Eisiger Frieden zwischen Washington und Moskau
Der 8. Mai 1945 markierte den Beginn des Kalten Krieges zwischen den USA und der Sowjetunion. Der 8. Mai 2005 scheint eine Periode des Eisigen Friedens zwischen Washington und Moskau zu eröffnen. Während Wladimir Putin die Zeremonien zum Ende des Zweiten Weltkrieges in Moskau nutzen will, um Russlands wiedergewonnene Macht zu zeigen, absolviert George W. Bush ein maßgeschneidertes Programm, um den russischen Präsidenten zu demütigen.