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Eine Million Stellen durch grünen "New Deal"?

9. Mai 2009

Mit dem Versprechen eines umfassenden Neuanfangs wollen die Grünen wieder drittstärkste politische Kraft in Deutschland werden. Kernbotschaft des Parteitages ist die Schaffung von einer Million neuen Jobs bis 2013.

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Jürgen Trittin beim Grünenparteitag in Berlin (Foto: AP)
Spitzenkandidat Jürgen Trittin kritisiert das WirtschaftssystemBild: AP

Zudem ziehen die Grünen mit der Forderung nach Erleichterungen für Arbeitslose, Studenten und Arbeitnehmer in den Bundestagswahlkampf. Das entsprechende Programm verabschiedeten die mehr als 600 Delegierten am Samstagabend (09.05.2009) in Berlin einstimmig. Mit seinen sozialpolitischen Forderungen ging der Parteitag allerdings in mehreren Punkten deutlich über den Programmentwurf der Parteispitze hinaus; Beobachter sprachen bereits von einem Linksschwenk. So treten die Grünen nun für einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro ein, für die Abschaffung der Praxisgebühr für Krankenversicherte und ein Ende der Anrechnung des Partnereinkommens bei Langzeitarbeitslosen.

Vor den Delegierten wetterte der Spitzenkandidat der Grünen, Jürgen Trittin, gegen das Versagen des Kapitalismus: "Ein Wirtschaftssystem, das auf Spekulation, auf der Ausbeutung von Mensch und Natur aufbaut, wird solche Krisen, wie wir sie jetzt erleben, immer wieder produzieren!", rief er ihnen zu. Mit großer Mehrheit beschlossen sie das Konzept für einen "New Deal", einen grünen Neuanfang in der Wirtschaftspolitik. US-Präsident Franklin D. Roosevelt hatte in den 1930er Jahren mit seinem "New Deal" in der Krise umfangreiche Reformen entgegengesetzt.




Das grüne Spitzenpersonal: die beidern Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir und die Spitzenkandidaten Renate Künast und Jürgen Trittin (Foto: AP)
Das grüne Spitzenpersonal: die beiden Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir und die Spitzenkandidaten Renate Künast und Jürgen TrittinBild: AP

80 Milliarden neue Schulden

Kern der grünen Wirtschaftspolitik ist die Schaffung neuer Arbeitsplätze, und eine Million neuer Jobs in den kommenden vier Jahren sei sogar noch "sehr vorsichtig und konservativ gerechnet", so Trittin. Die Stellen sollen seinen Angaben zufolge durch Investitionen in Gerechtigkeit, Bildung und Klima entstehen. Die Kosten beziffern die Grünen mit 80 Milliarden Euro in vier Jahren. Fraktionschef Fritz Kuhn wies darauf hin, dass das Geld gut angelegt sei, weil damit Folgekosten aus dem Klimawandel vermieden würden. Zudem plant die Partei einen höheren Spitzensteuersatz und eine Vermögensabgabe für Besserverdienende. Reiche wie etwa die Aldi-Familie Albrecht oder die BMW-Erben Quandt sollten stärker zur Kasse gebeten werden, forderte Trittin.

Gegen Altersarmut soll es nach dem Willen der Grünen eine aus Steuermitteln teilfinanzierte Garantierente geben, langfristig soll das Rentensystem zu einer Bürgerversicherung umgebaut werden, in die alle Erwachsenen mit Einkünften einzahlen sollen. Hartz IV soll zu einer Grundsicherung in Höhe von 420 Euro ausgebaut werden. Die Grünen wollen zudem 500.000 neue Studienplätze schaffen. Studenten-Bafög und Studiengebühren sollen abgeschafft werden. Alle Studenten sollen 200 Euro monatlich erhalten.




Plenum des Parteitags (Foto: AP)
Rund 600 Delegierte bestimmen in Berlin über den Kurs der Partei vor der BundestagswahlBild: AP

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Mit wem die Grünen regieren wollen, lassen sie gemäß eines am Sonntag zur Abstimmung stehenden Wahlaufrufs offen. Als Ziel gab Spitzenkandidatin Renate Künast lediglich an, die Große Koalition beenden und Schwarz-Gelb verhindern zu wollen. Mit Trittin war sie im Vorfeld des Parteitages mit dem Vorstoß gescheitert, eine Ampel-Koalition mit SPD und FDP als Wunschkoalition in das Parteiprogramm aufzunehmen. Die Bundestagsabgeordneten Thilo Hoppe und Gerhard Schick zogen zugleich einen Antrag zurück, in den Wahlaufruf die Option eines Rot-Rot-grünen Bündnisses hineinzuschreiben.

Gesine Schwan, die SPD-Kandidatin für das Amt des Bundespraesidenten auf dem Parteitag vom Bündnis 90/Die Grünen in Berlin (Foto: AP)
Ließ sich von den Grünen feiern: Gesine SchwanBild: AP

Ungeachtet möglicher Parteienbündnisse kritisierten die Grünen Linke, FDP und die Regierungskoalition scharf: Letztere sei den globalen Herausforderungen nicht gewachsen, sagte Trittin, und habe keine Wirtschaftskompetenz. "Das ist der blanke Dilettantismus, der dieses Land regiert." So glaube SPD-Vize-Kanzler Frank-Walter Steinmeier, "wirtschaftspolitische Kompetenz dadurch beweisen zu müssen, dass er den Ausverkauf von Autos organisiert", sagte der Spitzenkandidat mit Blick auf die Abwrackprämie. Die FDP wolle nur ungedeckte Steuersenkungen.

Gastrednerin bei dem Parteitag war die SPD-Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan, die zu einem neuen gesellschaftlichen Grundkonsens aufrief. Es gelte, einen Neuanfang zu wagen und so die Krise zu einer Chance zu machen. Nachdrücklich verlangte Schwan, die Ursachen der Krise öffentlich aufzuarbeiten. Es gebe eine zunehmende Verärgerung in der Gesellschaft, "wenn die breite Masse mit Steuerzahlungen das ausbügelt, was wenige angerichtet haben, die aber noch ganz gut dabei wegkommen". Von den Delegierten wurde Schwan gefeiert. Die SPD-Kandidatin ihrerseits lobte die Grünen: "Das ist großartig, was ihr hier programmatisch macht." (ina/mag/ap/dpa/afp)

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