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Eine friedliche Trennung

Vladimir Müller1. Dezember 2003

Am 26. August 1992 wurde nach 70 Jahren die Teilung der Tschechoslowakei beschlossen. Sie war begleitet von besorgten Stimmen, die einen neuen Konfliktherd fürchteten. Ein Rückblick.

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Die Burg in Bratislava: Symbol der unabhängigen SlowakeiBild: Bilderbox

Alle Befürchtungen erwiesen sich als unbegründet. Vor allem vor dem Hintergrund der damals entflammten blutigen Konflikte auf dem Balkan und dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion wurde die Auflösung der Tschechoslowakei bald als ein Beispiel für eine zivilisierte Lösung von Konfliktsituationen angesehen. Der "Samtenen Revolution", wie die friedliche Wende 1989 in der Tschechoslowakei genannt wurde, folgte schon bald eine "Samtene Scheidung". Für viele war das eine Bestätigung der im Land selbst weit verbreiteten Vorstellung von Friedfertigkeit als Grundcharakter der beiden Staatsvölker. Dabei handelte es sich bei dieser "Scheidung" in erster Linie um einen gelungenen Coup zweier ambitionierter Politiker.

Es seien die Slowaken gewesen, die die Trennung betrieben hätten, hieß es später immer wieder. In der Tat nahmen im östlichen Teil des Landes schon bald nach dem Fall des kommunistischen Regimes im November 1989 die Rufe nach einer wie auch immer gearteten Eigenständigkeit zu. Viele der etwa fünf Millionen Slowaken fühlten sich von der Zentralregierung in Prag trotz der föderativen Struktur des Staates benachteiligt. Doch eine völlige Loslösung vom doppelt so großen und wirtschaftlich stärkeren Bruder stand nicht zur Debatte. Diskutiert und verhandelt wurden lediglich verschiedene Varianten einer verfassungsrechtlichen Neuregelung der Beziehungen beider Völker.

Ein pragmatischer Schritt zweier Strategen

Tschechische Republik Flagge

Der überraschende Abschluss dieser Verhandlungen fand kurz nach den Wahlen im Juni 1992 statt: Im tschechischen Teil des Landes ging aus ihnen die Demokratische Bürgerpartei ODS als Sieger hervor, in der Slowakei war es die Bewegung für eine demokratische Slowakei HZDS. Der reformorientierte tschechische Ministerpräsidenten Václav Klaus setzte auf einen schnellen Umbau der Wirtschaft. Sein slowakischer Gegenpart Vladimir Meciar lehnte diese Reformen ab, da sie angeblich die slowakischen Besonderheiten nicht berücksichtigt hätten. Damit waren beide Programme miteinander unvereinbar, und ein Kompromiss war nicht in Sicht.

Meciar selbst hatte noch in seinem Wahlkampf die Loslösung abgelehnt. Doch erschien sie ihm nun als ein geeignetes Vehikel, um sein eigentliches Ziel zu erreichen, möglichst viel Macht zu erlangen. Für Klaus war durch die Ablehnung seiner Reformvorstellungen die gemeinsame Geschäftsgrundlage entzogen. Die Trennung schien nun auch für ihn der einzige Ausweg zu sein. Beide Politiker haben dann alles getan, um ein zunächst geplantes Referendum über die Teilung der Tschechoslowakei zu verhindern. Denn alle Meinungsumfragen hatten gezeigt, dass eine Mehrheit dafür nicht zu erwarten war.

Kühles Kalkül statt heißer Nationalismus

Die Teilung war also nicht das Ergebnis einer breiten Volksbewegung, weder auf der slowakischen und schon gar nicht auf der tschechischen Seite. Beide Völker wurden von ihren politischen Repräsentanten quasi überrumpelt. Deshalb bestand auch zu keinem Zeitpunkt die Gefahr einer bewaffneten Auseinandersetzung. Denn nicht der Wille der Bürger, sondern ihrer gewählten Vertreter wurde zum Motor dieser Trennung.

Für die Tschechen hatte die Teilung keine dramatischen Folgen. Ohne die gern als Störenfriede bezeichneten Slowaken konnten die Tschechen den Umbau der Wirtschaft und der politischen Institutionen beginnen. Die Slowaken dagegen hatten zwar ihre Unabhängigkeit und damit auch die Verantwortung für das eigene Schicksal gewonnen. Außenpolitisch führte Meciar sie jedoch in die Isolation. Denn während die Tschechische Republik einen klaren Integrationskurs verfolgte und bereits 1999 Mitglied der NATO wurde, blieb die Slowakei mit ihrer nebulösen außenpolitischen Ausrichtung außen vor.

Größere Schwierigkeiten für die Slowakei

Slowakei Flagge
Slowakei Flagge

Die Unkenrufe jedoch, das Land werde allein nicht überlebensfähig sein, haben sich nicht bewahrheitet: Die Slowakei hat erstaunlich schnell die für einen souveränen Staat notwendigen Strukturen aufgebaut und verzeichnet trotz ungeplanter Privatisierung und Günstlingswirtschaft beachtliches Wachstum. Innenpolitisch trug Meciar durch Missachtung demokratischer Spielregeln entscheidend zur Polarisierung der Gesellschaft bei. Diese Erfahrungen haben aber zugleich die Menschen für die Demokratie sensibilisiert und die Grundlagen einer Zivilgesellschaft geschaffen. Nach einer Reihe von politischen Skandalen zeigten die Slowaken dem Staatsgründer die rote Karte und wählten ihn ab.

Das Thema Teilung spielt in den aktuellen politischen Auseinandersetzungen weder in Tschechien noch in der Slowakei eine Rolle. Sie wird allenfalls von den Historikern beleuchtet und in der Presse als eine Notiz im 'Historischen Kalenderblatt' erwähnt.