1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

50 Jahre "Good Bank"

Johanna Schmeller1. April 2014

Vom Wirtschaftswunder bis zur Eurokrise: Seit 50 Jahren verwaltet die Steyler Bank in Sankt Augustin die Konten von Kunden, denen Nachhaltigkeit über Rendite geht. Gewinne fließen in die Projekte der Steyler Missionare.

https://p.dw.com/p/1BXuu
Hauptgebäude der Steyler Bank in St. Augustin (Foto: Steyler Bank/Presse)
Bild: Steyler Bank/Presse

Hier hat also alles begonnen: Der erste Geschäftsraum, in dem Steyler Missionare Geldgeschäfte betrieben, liegt im Untergeschoß eines mittelgroßen Bürogebäudes in Sankt Augustin, einer Kleinstadt bei Bonn. Der Publikumsverkehr findet längst anderswo statt, eine Etage höher, in einem repräsentativen Foyer mit weichem blauen Teppich und aufwändigen Glasfräsereien und -mosaiken an den Wänden.

Im ersten Geschäftsraum überwintern heute die Geranien, an der Seite steht ein altes Klavier. Die Tapete löst sich von den Wänden. Irgendwie stilecht - denn dass ein Orden mit Armutsgelübde überhaupt eine Bank betreibt, ist weltweit einzigartig.

Die Steyler Bank ist ein Geldinstitut für private Kunden, eine Direktbank. Gegründet wurde sie vor 50 Jahren von einem katholischen Missionsorden, der bis heute in 70 Ländern weltweit unterwegs ist. Zum Sparbuch dazu gibt es hier ein gutes Gewissen: Ihre Zinserträge können Anleger für das Engagement der Steyler Missionare spenden. Auch die Gewinne dieser "Good Bank" fließen in internationale Hilfsprojekte.

Blick in den (fast leeren) Raum der Steyler Bank, in dem die ersten Bankgeschäfte vollzogen wurden (Foto: DW/Johanna Schmeller)
Wo alles begann: der erste Geschäftsraum der Steyler BankBild: DW/J. Schmeller

"Das Thema 'ehrbarer Kaufmann' ist uns enorm wichtig", sagt der Geschäftsführer Norbert Wolf. Die Konsequenz für die Bankkunden: "Es gibt bei uns kein Begrüßungsgeld und keinen Tankgutschein, überhaupt keine Lockangebote. Wir haben auch keine Vergünstigungen für unsere Kundenberater, wenn sie erfolgreich Abschlüsse tätigen."

Arm, aber sexy?

1964 wurde die Steyler Bank gegründet, mitten in der Wirtschaftswunder-Zeit. Schon lange hatte der Steyler Orden vorher über Kapitalgeschäfte und Darlehen Geld für seine Missionen in aller Welt gesammelt. Doch erst Anfang der Sechziger wurde das deutsche Kreditwesengesetz verändert, und der Handel des Ordens mit irdischen Kapitalwerten wurde vom religiösen Auftrag zum äußerst weltlichen Geldgeschäft - jedenfalls in den Augen der Bankenaufsicht.

Glasmosaik mit Portrait von Arnold Janssen, Gründer der Steyler Bank (Foto: DW/Johanna Schmeller)
Im Foyer grüßt ein Glasmosaik des Gründers, Arnold JanssenBild: DW/J. Schmeller

Während der Finanzkrise hätten dann viele Menschen endgültig das Vertrauen in die klassischen Banken verloren, erklärt Wolf. "2008 konnten wir beobachten, dass die Anleger jemanden gesucht haben, der vernünftig mit dem Geld umgeht." Die Bank verzeichnete damals die stärksten Zuwächse in ihrer Geschichte.

Spendenbereite Mittfünfziger

Rund 1000 bis 1200 Neukunden hat die Bank seither pro Jahr; die Fluktuation durch Todesfälle und Abwanderungen wird damit ausgeglichen.

Schild vor dem Missionarsseminar der Steyler Bank (Foto: DW/Johanna Schmeller)
Am Missionarsseminar studieren angehende Priester gemeinsam mit Theologen und TheologinnenBild: DW/J. Schmeller

Die Kunden, die hier ihr Geld anlegen, sind meist Mitte fünfzig und haben die ersten großen Investitionen - die eigene Immobilie, die Lebensversicherung - schon ein paar Jahre hinter sich. Nur 20 Prozent der Kunden der Steyler Bank sind jünger als vierzig.

Anfangs wurden noch Sparbücher per Post verschickt, der Börsenticker gemeinschaftlich in der Mittagspause an einem zentralen BTX-Gerät abgelesen.

Heute ist das neueste Produkt der Bank eine recht modern anmutende Fondsfamilie, der "Steyler Fair- und Nachhaltigkeitsfonds". Der besteht aus zwei Anlagemöglichkeiten: Seit 2008 gibt es einen Aktienfonds mit etwas spekulativeren Papieren, im Juli 2013 kam ein Rentenfonds mit konservativen Werten dazu.

Blick auf den Gebäudekomplex der Steyler Bank (Foto: DW/Johanna Schmeller)
Zum Gebäudekomplex in Sankt Augustin gehört eine Buchhandlung, ein Museum - und diese KathedraleBild: DW/J. Schmeller

Die Unternehmen, die hier beteiligt sind, sollen bestimmten ethischen Grundsätzen entsprechen, die durch eine Ratingagentur bestimmt werden: 100 Kriterien aus dem ökologischen Bereich, 100 aus dem sozialen. "Dazu gehört, was eine Firma in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf tut", erklärt Norbert Wolf, "und ebenso, wie der Ressourcenverbrauch ist, der Wasserverbrauch, der Energieverbrauch generell."

Klingt erst einmal gut. Aber was heißt das konkret? Bei Kosmetikunternehmen keine Tierversuche, steht zum Beispiel auf dem Homepage der Bank. Keine Beteiligung an Rüstungskonzernen. Keine Konzerne, die Abtreibung oder Pornographie gutheißen - oder, etwa in der Mobilfunkbranche, Downloads von Pornoseiten in größerem Rahmen möglich machen. Nichts mit Tabak, Alkohol, Genussgiften, Drogen. Alles "clean“, zumindest theoretisch.

Passantenstopper vor der Buchhandlung der Steyler Bank (Foto: DW/Johanna Schmeller)
Alles für den einen: Passantenstopper erinnen an die christliche Mission der BankBild: DW/J. Schmeller

Ethisches Investment im Praxistest

In der Praxis wird es damit allerdings schwierig - denn einigermaßen erfolgreich auf dem globalen Markt müssen die ethisch sauberen Produkte ja auch noch sein, damit die Aktie stabil bleibt. "Das eine, absolut nachhaltige Unternehmen weltweit gibt es nicht", räumt Wolf ein. "Wir kommen nicht weiter, wenn wir diesen Absolutheitsgedanken in den Vordergrund stellen. Dann könnten wir überhaupt nicht investieren."

Insofern beschränkt man sich auf einen relativen Ansatz, wie er für eine katholische Organisation eher ungewöhnlich ist: "Für uns kommen nur Konzepte infrage, bei denen man die Nachhaltigkeit ins Verhältnis setzt zu anderen Faktoren", so Wolf. "Wir haben uns für ein 'Best-in-class'-Konzept entschieden, das heißt, wir investieren in die Besten einer Branche."

Nicht immer mag dieser pragmatische Ansatz überzeugen, jedenfalls nicht gemessen am Anspruch, den die Bank auf der eigenen Homepage artikuliert: Beim Konzern L'Oréal lässt sich bereits durch einen schnellen Blick auf die Unternehmensseite sofort feststellen, dass Tierversuche durchgeführt wurden, bis es die EU verboten hat - und das war erst im vergangenen Jahr.

Norbert Wolf, Geschäftsführer der Steyler Bank (Foto: Steyler Bank/Presse)
Der heutige Geschäftsführer, Norbert Wolf, ist seit zwanzig Jahren bei der BankBild: Steyler Bank/Presse

Zum Steyler Fonds gehört der Konzern allerdings schon seit den Anfängen, wegen der "ethisch guten" Werte in den anderen Prüfbereichen, heißt es auf Rückfrage. Auf der Homepage der Bank werden dagegen Firmen, die Tierversuche zu kosmetischen Zwecken durchführen, ausgeschlossen.

Auch Papiere von Danone sind im Fonds enthalten - ein Mega-Konzern, der zwar einerseits wegen der Arbeitsbedingungen immer wieder im Zentrum von Streiks stand und steht, der aber andererseits eben seine Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen herstellt. Daneben enthält der Fonds Aktien von - nicht wirklich klimaneutralen - Autoherstellern wie Volkswagen und BMW. Wo also liegt die Grenze?

Altes Gebäude der Steyler Bank (Foto: Steyler Bank/Presse)
Blick in die Geschichte: So sah die Bank früher ausBild: Steyler Bank/Presse

"Relative" Klassenbeste

"Wenn Sie sagen, das Fahrrad sei umweltfreundlicher als das Auto, dann gibt es wenig, was man wegdiskutieren kann", argumentiert Wolf. "Aber man könnte die Frage stellen: Wie ressourcenschonend wird das Fahrrad hergestellt im Verhältnis zum Auto? Es könnte ja sein, dass - im Verhältnis zum Verbrauch - die Fahrradproduktion viel ressourcenverschwendender ist als das Auto."

Vielleicht ist sind Antworten wie diese nicht für jeden potentiellen Neukunden bis ins Letzte zufriedenstellend. Doch letztlich kann auch der Fleischesser einem Vegetarier vorhalten, warum er denn nicht gleich Veganer sei, wenn ihm Tierrechte doch so viel bedeuteten. Theoretisch hat er damit recht. Praktisch tut der eine immerhin etwas, und der andere eben nicht. Relativität, so lernt man an diesem Nachmittag, gestatten sich manchmal eben auch christlichen Institute.