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Eine deutsche Erfindung

Ingo Uhlenbruch12. September 2004

Weltrekord: Zum Start der Handball-Bundesliga strömten am Sonntag (12.9.) mehr als 30.000 Handballfans in die Gelsenkirchener Schalke-Arena. Überraschend: Vor rund 90 Jahren war Handball lediglich Mädchensport.

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Ein Bild aus vergangener Zeit: Feld-Handball 1955 in DuisburgBild: dpa

Hand-Ballspiele sind keine Erfindung der Neuzeit. Streng genommen waren unterschiedliche Spielvarianten schon in der Antike bekannt. Die Bezeichnung Handball ist hingegen dem "Frauenausschuß des Berliner Turnraths" unter der Leitung von Max Heiser zu verdanken. Vom 29. Oktober 1917 an wurde Handball als harmlosere Alternative zum rauen Männersport Fußball angeboten und ist somit eine deutsche Erfindung.

Selbstverständlich berücksichtigte damals ein neues Regelwerk die besonderen Bedürfnisse der Mädchen und Frauen. Die Damen durften nicht um den Ball kämpfen und mit 71 Zentimeter Balldurchmesser wurde eine hohe Fangquote sichergestellt. Zum Vergleich: Heute fangen die Spielerinnen Bälle auf, die etwa 15 Zentimeter kleiner sind.

Regeln für Männer

1919 ergänzte der Berliner Turnlehrer Carl Schelenz schließlich die Regeln und erweiterte das Spiel zu einer Großfeld-Variante. Immer häufiger interessierten sich nun auch Männer für die Sportart, und schon im Februar 1920 fanden die ersten Hallen- und Feldhandballspiele in Berlin statt.

Im Gegensatz zu den Hallenspielen haben die Feldspiele inzwischen an Bedeutung verloren: "Deutschland war lange Zeit eindeutiger Favorit im Feldhandball", sagt Bundesliga-Spielleiter Uwe Stemberg, "doch man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Mannschaften auf einem Feld mit ungefähr 120 oder 130 Metern Länge spielten. Die spannenden Spielszenen waren allerdings nur vor den Toren zu sehen. Für Zuschauer, die am Mittelfeld standen, war das Spiel dann keineswegs mehr attraktiv. Das ist in der Halle zum Glück anders."

Kalte Zeiten

Fritz Fischer, Archivar des Deutschen Handballbundes, vermutet indes klimatische Gründe für den Wechsel in die Halle: "Das Ausland hat uns damals als Feldhandballer ignoriert. Insbesondere die nordischen Staaten haben bei ihren durchschnittlichen Außentemperaturen natürlich keinen Grund gesehen, den Sport im Freien zu betreiben. Die haben schon sehr früh die Halle bevorzugt."

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich Handball zu einem anerkannten Leistungssport entwickelt, der auch bei den Olympischen Spielen vertreten ist. Die Mannschaften haben sich längst den neuen Bedingungen angepasst. Während einst der spielerische Gedanke im Vordergrund stand, geht es heute auf dem Spielfeld deutlich härter zu.

Ehrung für deutsche Handball-Weltmeister 1978
Siegerehrung der deutschen Handball-Weltmeister im Jahr 1978Bild: dpa

Vom ursprünglichen Sport für zierliche Mädchen ist zumindest im Profibereich nicht mehr viel zu erkennen: "Die Spielzüge sind inzwischen sehr viel schneller geworden und auch die richtige Technik ist entscheidend für den Erfolg", erklärt Uwe Stemberg. "Wenn man ein zehn Jahre altes Video von einem Handballspiel anschaut, wirkt das manchmal wie Altherrenhandball."

"Enorm verletzungsanfällig"

Rüdiger Schmidt-Wiethoff, Orthopäde an der Sporthochschule Köln, bestätigt diesen Eindruck und beschreibt Profi-Handball als eine "enorm verletzungsanfällige Sportart". Im Wesentlichen müssten Profi-Handballer mit Akutverletzungen durch Stürze oder direkte Gegnerkontakte rechnen. Außerdem seien chronische Schäden durch Überlastungen zu beklagen: "Beim Tennis beispielsweise treten chronische Verletzungen auch auf. Doch im Gegensatz zum Handball sind Akutverletzungen beim Tennis eher selten", so der Sportmediziner.

Trotz der Gefahren ist Handball weltweit ein beliebter Sport. Insbesondere in den nordischen Ländern gibt es viele Fans. "In Island ist Handball sogar beliebter als Fußball", sagt Bundesliga-Spielleiter Uwe Stemberg. Von ähnlichen Verhältnissen in Deutschland kann er zurzeit allerdings nur träumen: "Wir dürfen unseren Sport nicht mit Fußball vergleichen oder gar messen. Die Popularität, die der Fußballsport hat, erreichen wir hier mit Sicherheit niemals. Aber immerhin sind wir die zweitwichtigste Ballsportart in Deutschland."