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Berlinale eröffnet mit Western

10. Februar 2011

Das größte deutsche Filmfestival mit einem Western zu eröffnen, ist mutig. Das uralte amerikanische Film-Genre ist schon oft tot gesagt worden. Nun feiert es in Berlin sein soundsovieltes Comeback.

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Szene aus dem Film True Grit (Foto: AP Photo/Paramount Pictures)
Bild: AP

Natürlich dürfte es Dieter Kosslick und sein Team vor allem gereizt haben die Berlinale mit einem Film des US-Duos Joel und Ethan Coen zu eröffnen. Die beiden gehören schon seit einigen Jahren zu den interessantesten Filmemachern ihres Landes. Hollywood steckt mindestens seit Beginn des neuen Jahrtausends in einer schweren künstlerischen Krise. Sequels kommerziell erfolgreicher Blockbuster beherrschen die Szene, Zeichentrick- und Fantasy-Filme, Neuverfilmungen europäischer Hits, Remakes von Fernsehserien. Künstlerisch ist Hollywood ausgetrocknet. Nur ein paar Filmemacher haben in den letzten Jahren wirklich Originelles abgeliefert, Quentin Tarantino zum Beispiel oder eben die Coen-Brüder, die seit Jahren gemeinsam Drehbücher schreiben und Regie führen.

Beobachter des amerikanischen Wahnsinns

Die beiden haben sich schon in einigen Genres getummelt, haben oft ungemein witzige, scharfsinnige Satiren abgeliefert, amerikanische Gesellschaftsbilder mit viele Nuancen und Zwischentönen auf die Leinwand gezaubert - zuletzt etwa die absurd-surrealen Erlebnisse eines Physikprofessors in der Krise ("Serious Man"). Nun also ein Western. Das uramerikanische Genre schlechthin. Seit Stummfilmzeiten populär, oft totgesagt, immer wieder auferstanden. John Ford und Howard Hakws, Anthony Mann und Fred Zinnemann, viele große amerikanische Regisseure haben sich mit Glanzlichtern des Genres in der Kinogeschichte verewigt.

Szene aus dem Film True Grit (Foto: AP Photo/Paramount Pictures)
Langsame Annäherung am Lagerfeuer: Rooster Cogburn (Jeff Bridges) und Mattie Ross (Hailee Steinfeld)Bild: 2010 PARAMOUNT PICTURES

Jetzt also auch die Coens. Der Stoff - ein Roman des Südstaaten-Autors Charles Portis - hat es bereits 1969 auf die Leinwand geschafft. US-Regisseur Henry Hathaway vertraute damals keinem geringeren als John Wayne die Hauptrolle an. Der spielte einen alternden US-Marshall, der sich auf den Weg machte den Mörder des Vaters eines heranwachsenden Mädchens zur Strecke zu bringen. Im Film der Coen-Brüder hat Jeff Bridges diese Rolle übernommen, die junge Hailee Steinfeld spielt das 14-jährige Mädchen, das dem versoffenen, abgehalfterten Marshall den Auftrag erteilt und ihn auch bei der Jagd begleitet. Dabei werden die beiden von einem etwas übermütigen und pflichtversessenen Texas Ranger (Matt Damon) unterstützt.

Konventionelles Genrekino

Was folgt, ist die klassische Story vom Bad Guy und vom Good Guy, hier nur insofern variiert, dass der Good Guy in Form eines jungen vorwitzigen Mädchens und eines heruntergekommenen US-Marshalls auftritt. Doch das ist auch schon alles an Variation, was die Coens sich für ihre Neuverfilmung des Stoffs haben einfallen lassen. In der literarischen Vorlage ist es die Figur des jungen Mädchens, die dem Stoff einiges abgewinnt, ein Kritiker schrieb, die Stimme des Mädchens sei ohne Übertreibung mit der von Huckleberry Finn zu vergleichen. Das mag für den Roman zutreffen, im Film ist das arg wenig. Auch wenn Hailee Steinfeld eine wirkliche Entdeckung ist und sie ihre Sache großartig macht und dem Film zumindest ein wenig Schneid verleiht.

Joel & Ethan Coen 2010 (Foto: TOBIS Film Kino film)
Wunderknaben des US-Kinos: die Brüder Joel und Ethan CoenBild: TOBIS Film

Der Rest ist Epigonentum. Selbst Jeff Bridges in der eigentlichen Titelrolle gibt nur die nicht gerade neue und deshalb kaum originelle Rolle eines abgehalfterten Westernstars. Wie oft hat man das schon vor Jahrzehnten gesehen, den Westerner, der merkt, dass seine Zeit vorbei ist, dass die besten Jahre lange zurückliegen, der sich mit einer Flasche Whiskey und einer guten Portion Zynismus darüber hinwegtröstet. Kirk Douglas und auch John Wayne haben das gespielt, Clint Eastwood hat es später auch noch mal meisterlich zelebriert. "True Grit" kommt daher reichlich spät, fügt dem Genre nichts Neues hinzu, setzt lediglich auf bewährte Spannungsmomente, ein paar schöne Panoramabilder und einige ironisch angehauchte Wortduelle.

An den US-Kassen erfolgreich

Die Coens werden´s verschmerzen, hat ihr Film in den USA doch bisher über 150 Millionen Dollar eingespielt. Die Brüder, die immer ein wenig abseits der ganz großen Studios gearbeitet haben, wurden diesmal von einem der Hollywood-Überväter unterstützt. Steven Spielberg zeichnete bei "True Grit" als ausführender Produzent verantwortlich, was wohl auch dazu führt, dass der Film kommerziell der erfolgreichste von Joel und Ethan Coen werden dürfte. Für zehn Oscars ist er ja auch schon nominiert, ein paar der goldenen Statuetten wird er sicherlich mit nach Hause nehmen, dann winken weitere Millionen. Und den Eröffnungsfilm der Berlinale zu präsentieren, ist ein schöner Erfolg - auch wenn ein paar (europäische) Erwartungen an künstlerische Größe enttäuscht werden dürften.

Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Conny Paul