Ein Segen für den Amazonas
6. Oktober 2019Papst Franziskus legt sich auf der Amazonas-Synode mit zwei mächtigen politischen Gegnern gleichzeitig an: mit Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro und mit den Kritikern aus den eigenen Reihen. Zu der Synode vom 6. bis 27. Oktober im Vatikan kommen Bischöfe aus den neun Anrainerstaaten der Amazonas-Region. Das Gebiet hat enorme Ausmaße: Mit 7,5 Millionen Quadratkilometern ist es fast doppelt so groß wie die gesamte EU.
"Die brasilianische Regierung fühlt sich gestört, weil sie weiß, dass die Kirche die Zerstörung des Regenwalds thematisieren wird", meint Edilberto Sena, seit 40 Jahren Pfarrer in der Amazonas-Stadt Santarém und ehemaliger Direktor des katholischen Radioverbands "Netzwerk für Amazonas-Nachrichten" (RNA).
Viele Bischöfe vermuten, dass sie deshalb im Vorfeld der Synode abgehört und beobachtet werden. Die brasilianische Regierung macht aus ihrem Unmut über die bevorstehende Synode keinen Hehl: Sie ließ bei der brasilianischen Bischofskonferenz (CNBB) anfragen, ob es möglich wäre, die Synode zu verschieben oder gleich ganz abzusagen.
Brennglas Amazonas
Dabei kommt die Ankündigung zu dem Bischofstreffen eigentlich ganz harmlos daher. Das Motto lautet: "Amazonien: neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie". Doch hinter den "neuen Wegen" vermuten Papstkritiker nicht zu Unrecht einen Angriff auf das Zölibat, die Ehelosigkeit für Priester. Und die "ganzheitliche Ökologie" gilt in Brasilia als Kampfansage gegen das erfolgreiche Agrobusiness.
Diese Konfliktlinien lassen sich im brasilianischen Regenwald wie unter einem Brennglas betrachten. Denn nicht nur die Ursachen und Folgen von Waldbränden und Rodungen machen sich dort drastisch bemerkbar, sondern auch die Folgen des Priestermangels in der katholischen Kirche.
Statistisch gesehen ist dort ein Priester für 17.000 getaufte Katholiken zuständig. In abgelegenen Gemeinden organisieren Frauen, die überwältigende Mehrheit ehrenamtlicher Kirchenmitarbeiter, Gottesdienste und Katechese, also Religionsunterricht. Sie teilen auch die Kommunion aus – mit von Priestern oder Bischöfen vorgeweihten Hostien. Priester oder gar ein Bischof kommen maximal ein bis zweimal im Jahr vorbei.
Für Amazonas-Bischof Johannes Bahlmann aus der Diözese Óbidos ist diese Art der Fern-Seelsorge unbefriedigend. Sein Bistum umfasst ein Gebiet von 182.000 Quadratkilometern. Um die rund 600 Gemeinden in dem Gebiet kümmern sich 23 Priester und 20 Ordensschwestern.
Zum Vergleich: Die Fläche Deutschlands beträgt 357.000 Quadratkilometer. Um die Gläubigen in den rund 10.000 Pfarreien kümmern sich nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz insgesamt 13.285 Priester.
Verheiratete Priester, warum nicht?
Bahlmann fährt oft tagelang durch den Dschungel. "Bei den Indigenen der Tiriyó ist es zum Beispiel sehr schwer, Priester einzusetzen. Sie leben verstreut in einem Umkreis von 150 Kilometern, und man braucht zwei Tage, um in so eine Gemeinde zu kommen", sagt Bahlmann.
Sein Lösungsvorschlag: "In so einer Situation müsste man sich mal überlegen, ob es nicht angebracht wäre, dass man jemanden aus der Gemeinde zum Priester weiht, auch wenn er verheiratet ist, damit er auch die Eucharistie, also das Abendmahl, gewährleisten kann." Und er fügt hinzu: "Ich kann mir schon vorstellen, dass es verheiratete Priester gibt!"
Bahlmann ist bisher nicht als katholischer Rebell bekannt. Und doch spricht der 58-jährige Bischof, der seit 1984 in Brasilien lebt, das eigentliche Topthema der Synode an: die Lockerung des Zölibats, die Pflicht zur Ehelosigkeit bei katholischen Priestern.
Geld aus Deutschland
Im Vatikan laufen konservative Kardinäle und Bischöfe dagegen Sturm. Der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller, ehemaliger Präfekt der Glaubenskongregation im Vatikan, warnte kürzlich öffentlich davor, die Amazonas-Synode als "Abrissbirne" geltender Strukturen zu nutzen.
Sie wissen, dass der Papst nicht nur in Brasilien Verbündete für seine "Amazonas-Strategie" hat, zum Beispiel den Generalrelator der Synode, den brasilianischen Kardinal Claudio Hummes. Als "Berichterstatter" ist er insbesondere für die Erstellung des Abschlussdokuments entscheidend. In die Vorbereitung der Synode sind auch der deutsche Bischof Franz-Josef Overbeck, zuständig für Adveniat, das katholische Hilfswerk für Lateinamerika, sowie Josef Sayer, ehemaliger Geschäftsführer des Hilfswerkes Misereor, eingebunden.
Die Befürchtungen von Kardinal Müller, dass es in Rom zu einen Dammbruch kommt, sind also nicht auszuschließen. Denn wenn Priester am Amazonas verheiratet sein könnten, warum dann nicht auch in Deutschland oder weltweit?
Pfarrer Edilberto Sena aus Santarém hofft genau darauf: "Die Betonung, dass dies nur für Pfarrer in weit abgelegenen Gemeinden gilt, zeigt für mich lediglich die vorsichtige Haltung des Papstes. Wenn die Synode und der Papst dem Einsatz von verheirateten Pfarrern in abgelegenen Gemeinden zustimmen, ist der Weg frei."