Ein Präsident muss her
29. Januar 2003Der erste Versuch scheiterte Mitte Januar. Die Sozialdemokraten als stärkste Regierungspartei hatten nach internen Querelen einen aussichtslosen Kandidaten ins Rennen geschickt. Die meisten Stimmen in beiden tschechischen Parlamentskammern errang am Mittwoch (15. Januar 2003) deshalb der frühere langjährige Ministerpräsident Vaclav Klaus von der oppositionellen Bürgerpartei ODS. Aber zur vorgeschriebenen absoluten Mehrheit reichte es nicht - deshalb nun am Freitag, (24. Januar 2003) der zweite Durchgang bei der tschechischen Präsidentschaftswahl.
Kavaliersdelikt Spendenaffäre
Nun will Vaclav Klaus es noch einmal wissen. Der in seinen ersten Regierungsjahren Anfang der 90er Jahre außerordentlich erfolgreiche Wirtschaftsprofessor lässt keine Gelegenheit aus, seinen Anspruch auf das höchste Amt im Staat anzumelden. Seine Erfolgsgeschichte wird zwar von einer Parteispendenaffäre getrübt. Aber im Transformationsland Tschechien wird dies eher als Kavaliersdelikt betrachtet und spielt insofern keine große Rolle.
Klaus steigt also noch einmal in den Ring - und er würde gegebenenfalls auch in einer dritten Runde antreten. Wenn auch die scheitert, ist bereits eine Direktwahl durch das Volk eingeplant, für die allerdings erst noch die Verfassung geändert werden müsste.
Solidarität und Weitblick
Die meisten Tschechen würden ihn dann wohl auch wählen: Der 61jährige konservative Politiker verkörpert für sie Solidität und Weltblick. Seine häufig schrill nach außen getragenen Abneigungen gegen europäische Institutionen trugen dazu bei, dass Klaus bei den Wählern daheim als Wahrer nationaler Interessen wahrgenommen wird. Dieses Image pflegte Klaus auch im Streit um die Benes-Dekrete, also bei der Debatte über die Recht- bzw. Unrechtmäßigkeit der Vertreibung der Sudetendeutschen aus der damaligen Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg.
Bei der Wahl im pompösen Spanischen Saal auf der Prager Burg trifft Klaus am Freitag auf den einzigen tschechischen Politiker, den er als ebenbürtig ansieht: Milos Zeman, bis zum vergangenen Jahr Ministerpräsident und - obwohl offiziell erst seit dem vorigen Wochenende aus dem Ruhestand geholt - der heimliche Held der tschechischen Sozialdemokraten: Wegen seiner nationalistischen Ausfälle gegen Österreicher, Sudetendeutsche, aber auch gegen Palästinenser noch im letzten Jahr seiner Ministerpräsidentschaft im Ausland wiederholt unangenehm aufgefallen, genießt Zeman zu Hause den Ruf des deftigen Kumpels. Er gilt zwar keineswegs als so solide wie Klaus, dafür mögen viele Tschechen seinen Humor und Unterhaltungswert.
Dritter Wahlgang wahrscheinlich
Vieles spricht dafür, dass dem zweiten Wahlgang ein dritter folgen wird: Weder Klaus noch Zeman können mit der erforderlichen absoluten Stimmenmehrheit rechnen. Im Spiel ist übrigens auch noch eine dritte Kandidatin – die als chancenlos eingeschätzte Senatorin Jaroslava Moserova, aufgestellt vom kleineren Koalitionspartner der Christdemokraten und Liberalen. Entscheidend aber ist, dass viele Abgeordnete und Senatoren, ähnlich wie beim ersten Wahlgang, vermutlich wieder ungültig wählen werden, weil sie mit einem völlig neuen Favoriten im dritten Wahlgang rechnen. Oder es wird schließlich doch die tschechische Verfassung geändert und irgendwann im Herbst eine Direktwahl durch das Volk stattfinden.
Unter bestimmten Bedingungen könnte die Entscheidung aber vielleicht doch schon an diesem Freitag fallen: Hinter den Kulissen versucht Zeman mit möglichst vielen Abgeordneten ins Gespräch zu kommen. Auch mit den 44 Kommunisten unter den 281 Parlamentariern, die über Tschechiens künftigen Staatspräsidenten zu entscheiden haben. Sie ließen sich Presseberichten zufolge gerne überreden, für Zeman zu stimmen, verlangen dafür aber auch einen Preis - zum Beispiel in Form von attraktiven Posten am tschechischen Verfassungsgericht oder in der Nationalbank.