Silvio Berlusconi im Delirium
11. September 2009"Ich glaube ernsthaft, dass ich mit Abstand der beste Ministerpräsident bin, den Italien in seiner 150-jährigen Geschichte jemals hatte", verriet Silvio Berlusconi dem spanischen Regierungschef Zapatero bei einem Treffen und natürlich ließ er auch die Presse an dieser Feststellung teilhaben.
Berlusconi, der Superman
Italiens Regierungschef hält nichts von Bescheidenheit. Er ist Superman, das ist klar. Die Regierungsgeschäfte führt er gewissermaßen mit dem roten Umhang auf den Schultern. Seinen ersten Superman-Einsatz hatte er schon kurz nach Amtsantritt. Mitsamt seiner Ministerschar flog er nach Neapel, um dort den Müll von den Straßen zu schaffen. Nicht eigenhändig, versteht sich.
Bei dem Erdbeben in den Abruzzen war er nach eigener Schilderung "vier Minuten nach der Katastrophe schon auf dem Weg nach L'Aquila", wo er dann 48 Stunden am Stück die Rettungsarbeiten überwacht haben soll und für die Überlebenden, die kein Dach mehr über dem Kopf hatten, nach eigenen Worten "Ferien am Meer" organisierte. Wer diese enorme Leistungsfähigkeit mit bestimmten Substanzen in Verbindung bringt, ist auf dem falschen (Urlaubs)-Dampfer, denn zu sich genommen habe er nur "21 starke Espressi".
Wilde Partys, hübsche Frauen
Es ist nicht das erste Mal, dass Berlusconi ungefragt aus dem Nähkästchen plaudert und Anekdoten aus seinem spannenden Regierungsalltag zum Besten gibt. Er lockert jeden Empfang, jeden Staatsbesuch mit seinen Sprüchen auf und erzählt den Journalisten regelmäßig das Blaue vom Himmel. Nur nicht das, wonach ihn alle Welt fragt.
Was hat es mit den wilden Partys in der römischen Residenz auf sich? Waren einige der hübschen, jungen Frauen dort Prostituierte? Bezahlt, um Berlusconi im "Bett von Putin" zu erwarten, wie es das Callgirl Patrizia D`Addario der Staatsanwaltschaft erzählt hat? Berlusconi bestreitet, jemals für sexuelle Dienste bezahlt zu haben. "Das Erobern einer Frau gehört schließlich zum Vergnügen dazu", fügt er augenzwinkernd hinzu. Die Rolle des Playboys ist dem 72-Jährigen grundsätzlich nicht unangenehm, schmeichelt sie doch seinem Alter.
Latin Lover und Gentleman
Und so beschließt er einen Vortrag vor jungen Parteimitgliedern mit der Bemerkung, die Mädchen dürften erst gehen, wenn sie ihm ihre Handynummer aufgeschrieben hätten. Was die Oppositionspolitikerinnen als frauenverachtend bezeichnen an seinem Verhalten, nennt er selbst galant. Und was ganz einfach peinlich ist, ist für ihn Ausdruck seiner Vitalität.
So prahlt er damit, nach anstrengenden Marathonkonferenzen, die jeden anderen Staatschef in die Knie zwingen, gerne noch einen Abstecher in Mailands Szeneclubs zu machen. Schlaf habe er sowieso nicht nötig. Seine überbordende Energie nutzt er, um von früh bis spät "für das Wohl Italiens" zu arbeiten. "Er könne es mit jedem 20-Jährigen aufnehmen", hat er auch schon behauptet und da liegt die ganze Tragik des Silvio Berlusconi.
Er kann sich nicht mit seinem Alter abfinden, rennt der Illusion von ewiger Jugend hinterher, indem er sich die Wangen liften lässt, die Tränensäcke wegoperieren, das Haupthaar aufforsten. Und indem er den Superman spielt, denn der wird ja bekanntlich nicht alt.
Autor: Kirstin Hausen
Redaktion: Nicole Scherschun