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Ein Leben in Kisten

30. September 2003

Vielleicht war Andy Warhol etwas inkonsequent. "Ich hasse wehmütige Erinnerungen", sagte er einmal. Trotzdem hat der Pop-Art-Star alles mögliche aufgehoben, was ihm in die Finger kam. Und das war viel: 600 Kartons voll.

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Was Andy Warhol am Herzen lag, zeigt eine Ausstellung in FrankfurtBild: AP

Das Produkt von Warhols jahrzehntelanger Sammelwut sind die "Time Capsules": hunderte von braunen Pappschachteln, gefüllt mit den unterschiedlichsten Objekten, von ganz wichtig bis trivial. Wenn ein Karton voll war, verschloss Warhol ihn und rührte die Kiste nicht mehr an. Im Museum für moderne Kunst in Frankfurt am Main werden nun 15 der "Zeitkapseln" weltweit zum ersten Mal gezeigt.

Schuhe, Einladung und Kinderbücher

Der Inhalt liest sich wie der Querschnitt eines Lebens. In den Kartons finden sich ein paar Schuhe des Schauspielers Clark Gable, eine Einladung zum Essen bei den Rockefellers, Zeitungsausschnitte, Briefe, Schallplatten, Kinderbücher und eine Hochzeitsanzeige von Liza Minelli. Einen weiteren Karton widmete der Künstler seiner Mutter Julia Warhola (1892 - 1972): Die Kiste ist vollgestopft mit Schals, Blusen und einem illustrierten Gesangbuch der gläubigen Slowakin.

Mit seiner Kistomanie begann Warhol Ende der 1960er Jahre. Erst sammelte er nur sporadisch, ab 1974 dann sogar regelmäßig – bis zu seinem Tod als fast 60-Jähriger, 1987. Warum der Pop-Art-Guru alles aufbewahrte, weiß man nicht. Vielleicht für mehrere Umzüge? Vielleicht auch bloß so? Die Kuratoren der Ausstellung sind überzeugt: "Er hatte immer eine Idee von der Gestaltung eines Kartons."

Andy Warhol Ausstellung in Frankfurt
Der Inhalt einer Time Capsule von Andy Warhol im Museum für Moderne KunstBild: AP

Kartons von damals mit Bedeutung für heute

Jedenfalls offenbaren die "Time Capsules" einen Einblick in die Vorgehensweise des Künstlers – zum Beispiel mit Zeitschriften-Seiten, die Warhol als Vorlage für Gemälde dienten oder mit Fahndungsfotos des "New York City Police Department", der Basis für die Warhols Serie "Thirteen Most Wanted Men".

Und die Kisten zeigen noch mehr. "Sie sind auch Spiegelbild und kollektives Gedächtnis der 60er bis 80er Jahre", sagt Udo Kittelmann, Direktor des Frankfurter Museums für Moderne Kunst und Kurator der Ausstellung. Die Zeitkapseln zeigten Phänomene der Massen- und Populärkultur, die auch für die heutige Gesellschaft immer noch bestimmend seien.

"Vielleicht sollte ich tatsächlich ein paar von meinen Time Capsules versteigern lassen", schrieb Warhol 1978 in sein Tagebuch. "Das wäre das Richtige für eine Kunstgalerie." Andererseits hoffte er wohl in seinem "tiefsten Innern", dass "die Schachteln alle verloren gehen und ich sie nie wieder durchzusehen brauche".

Genug Erinnerungen für die nächsten Jahre

Nun sind die Time Capsules aber doch erhalten geblieben. Sie gehören seit 1994 dem Andy Warhol Museum in Pittsburgh, das seitdem damit beschäftigt ist, alle Gegenstände zu registrieren. Bisher sei nur ein Sechstel erschlossen, sagt Museumsdirektor Thomas Sokolowski: "Eine unserer Mitarbeiterinnen hat ausgerechnet, dass sechs Leute 50 Jahre bräuchten, um alle Kartons mit ihrem Inhalt zu erfassen."

Das Frankfurter Museum zeigt nur einen kleinen Teil der Kisten. Dennoch gebe es so viel zu sehen, sagt Kittelmann, "dass es nicht in einer halben oder einer Stunde zu schaffen ist." (reh)

Die Ausstellung in Frankfurt dauert noch bis zum 29. Februar 2004. Ab November 2004 zieht sie nach Pittsburgh weiter.