Ein "Landesverrat" und seine Folgen
3. August 2015Am Ende geht es in der Angelegenheit nicht nur um die Sicherheit des Landes, sondern um Machtfragen. Die Deutsche Presse-Agentur spekuliert bereits: "Wer bekommt den Schwarzen Peter?" Mögliche Kandidaten dafür sind: Generalbundesanwalt Harald Range mit den besten Chancen, daneben aber auch Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen und - als Außenseiter, wenn man so will - der politisch zuständige Bundesjustizminister Heiko Maas von der SPD.
Man halte das Verfahren für falsch
Doch der Reihe nach: Generalbundesanwalt Range ist nach dem Aufmacher der "Süddeutschen Zeitung" an diesem Montag schon frühzeitig vor Ermittlungen wegen Landesverrats gegen Journalisten des Blogs Netzpolitik.org gewarnt worden. Das Bundesjustizministerium habe nach eigener Darstellung dem obersten Strafverfolger der Republik signalisiert, man halte das Verfahren für falsch. Das Ministerium sei am 27. Mai von der Bundesanwaltschaft über das am 13. Mai eingeleitete Verfahren informiert worden. Überhaupt seien gleich mehrere Ministerien - anders als bisher öffentlich behauptet - frühzeitig über Einzelheiten des Verfahrens informiert gewesen, so die "Süddeutsche Zeitung" weiter.
Dort heißt es, dass Spitzenbeamte der verschiedenen Ministerien die vielen Details des Falles gekannt und vor allem von der Entscheidung Ranges gewusst hätten, gegen die Journalisten zu ermitteln.
Beim Generalbundesanwalt nimmt man schon eine Art Verteidigungshaltung ein. Den Erhalt einer Warnung durch das Justizministerium habe man nicht bestätigt, schreibt die Zeitung. Es habe nur allgemeine Hinweise auf die Problematik eines solchen Verfahrens gegeben. Zudem sei das Verfahren nur in Gang gekommen, weil das Bundesamt für Verfassungsschutz in einem Gutachten zwei Veröffentlichungen von Netzpolitik.org zum Staatsgeheimnis erklärt habe.
Der Gutachter? In den Ferien
Und spätestens von diesem Punkt an wird die Sache wirklich kompliziert: Die Bundesanwaltschaft habe nämlich einen externen Gutachter beauftragt, über die Frage Staatsgeheimnis und Landesverrat ein weiteres Gutachten zu fertigen. Der Experte sei nun aber im Sommerurlaub.
Das alles dauert Bundesjustizminister Maas offenbar zu lange. Nach Recherchen von "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR werden seine Beamten wohl zu dem Ergebnis kommen, dass es sich im Netzpolitik-Fall nicht um Landesverrat gehandelt hat. Der Bericht des Ministeriums soll bis zum Donnerstag dieser Woche fertiggestellt werden. Die Expertise wird dann Range zugestellt werden. Ob danach schon die Ermittlungen eingestellt werden, sei ungewiss.
Bei der ganzen Angelegenheit geht es denn auch weniger um die journalistische Arbeit der Netzpolitik-Journalisten Markus Beckedahl und Andre Meister. Im Kern der Behörden-Aktivität steht die Frage nach der undichten Stelle, durch die die Blogger versorgt wurden. Verfassungsschutzpräsident Maaßen verteidigte denn auch sein Vorgehen gegen das "Durchstechen" geheimer Dokumente aus seinem Hause. Zugleich ließ er am Sonntag einen Sprecher betonen, dass die Anzeigen nicht gegen Journalisten, sondern gegen Unbekannt gerichtet waren.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) will also vor allem herausfinden, auf welchen Wegen die Informationen zu den Journalisten des Internetportals gelangten. Wenn Geheimdokumente aus dem BfV in die Öffentlichkeit gelangen, sei es "eine Selbstverständlichkeit", Anzeige zu erstatten, so der Sprecher Maaßens. Ob die Verfolgungsbehörde dann den Anfangsverdacht bejahe und ob sie dies nur für die Durchstecher im Amt oder auch für Journalisten tue, sei "einzig und allein Sache der Strafverfolgungsbehörde". Soll wohl heißen: Das Bundesamt hat die Durchstecherei ordnungsgemäß angezeigt, die Bundesanwaltschaft hat daraus den Verdacht des Landesverrats gegen Journalisten konstruiert. Wie gesagt: die Suche nach dem "Schwarzen Peter".
Möglicherweise haben die Verfassungsschützer - mit Blick auf das erwähnte erste Rechtsgutachten - die Bundesanwaltschaft auf eine falsche Fährte gesetzt. Jedenfalls steht Generalbundesanwalt Range nun heftig im Kreuzfeuer, dem vorgehalten wird, in der Ausspähaffäre des amerikanischen Geheimdienstes NSA zu zögerlich vorgegangen zu sein. Anfang nächsten Jahres, so heißt es, will Range in Pension gehen.
ml/fab (dpa, SZ)