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Politik

Ein Jahr WhatsApp-Steuer in Uganda

Simone Schlindwein Kampala
18. Juli 2019

Schon bei ihrer Einführung vor einem Jahr sorgte Ugandas Social-Media-Steuer für reichlich Zoff - Kritiker witterten Zensur und gingen auf die Straße. Nun sind selbst manche Befürworter von damals unzufrieden.

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Eine Uganderin checkt ihren WhatsApp-Account
Bild: AFP/Getty Images/I. Kasamani

Nachdem Taxifahrer Abdulhakim Kawenja sein Auto am Straßenrand geparkt hat, zieht er das Smartphone aus der Mittelkonsole. Seine Kunden bestellen ihre Fahrten in der Regel über WhatsApp. Wenn keine Anfragen hereinkommen, bietet er seine Dienste auch über den Fahrdienst-Anbieter Uber an.

Wegen seiner Arbeit muss Kawenja also ständig online sein. Doch seit einem Jahr ist das gar nicht mehr so einfach. Denn im Juli 2018 hat Ugandas Regierung eine Steuer auf Social-Media Angebote wie WhatsApp, Facebook oder Twitter eingeführt – aber auch auf Taxi-Dienste oder Dating-Plattformen. Offiziell heißt sie OTT-Tax, der Volksmund aber nennt sie  "Soziale Medien-" oder auch "WhatsApp-Steuer".

Mit VPN gegen die Steuer

Der 26-Jährige boykottiert sie jedoch. "Ich finde es einfach nicht fair", sagt er. Die Kosten für die Internetnutzung seien in Uganda ohnehin schon sehr hoch. Die Mehrheit der Ugander lebe von gerade einmal einem US-Dollar pro Tag, in der Landeswährung sind das umgerechnet rund 4000 Schillinge. "Wenn man dann täglich für 1000 Schilling ein Datenpaket von 50 Megabyte kauft und man dann noch 200 Schilling Steuer draufzahlen muss – dann ist das für viele eine Herausforderung", sagt Kawenja. Im Vergleich: Für 200 Schillinge kann man in Uganda ein Kilo Maismehl kaufen.

Das Menü für die Überweisung der Steuer auf einem Smartphone
Per mobilem Geldtransfer muss die Steuer überwiesen werdenBild: DW/S. Schlindwein

Er selbst könne sich die Steuer zwar leisten und zahle auch regelmäßig Einkommenssteuer – die Social-Media-Steuer aus Prinzip aber nicht. "Ich nutze lieber VPN, so kann ich die hiesigen Restriktionen auf die Sozialen Medien umgehen", sagt er. Mit der Anwendung kann man als Standort nicht Uganda, sondern beispielsweise Kanada eingeben. Die Nutzung lauge zwar die Handy-Batterie rasch aus und konsumiere etwas mehr an Daten, doch das sei es ihm wert, sagt er.

Für junge Ugander, die wie Kawenja der Opposition nahe stehen, ist der Boykott der OTT-Steuer eine stille Rebellion gegen die Regierung. Denn wie so oft kam die Initiative von Präsident Yoweri Museveni höchstpersönlich. In einer Rede hatte er sich Anfang 2018 beklagt, die Jugendlichen würden zu viel Zeit mit WhatsApp und sinnlosem Chatten verbringen – und darüber wilde Gerüchte verbreiten.

Kurz darauf legten Museveni-treue Abgeordnete einen Gesetzesentwurf für die Steuer im Parlament vor. Im Hauruckverfahren wurde das Gesetz im Mai 2018 verabschiedet und trat Anfang Juli in Kraft – rechtzeitig zu Beginn des neuen Haushaltsjahres. Von heute auf morgen konnten die Ugander keine WhatsApp-Nachrichten mehr senden oder empfangen. Stattdessen erscheint seitdem auf dem Display ein Menu, über das man per mobilen Geldtransfer zuerst die fällige Steuer überweisen muss.

Yoweri Museveni bei einer Rede
Präsident Museveni hatte die Idee für die neue SteuerBild: picture alliance/AP Photo/B. Chol

Noch am selben Tag riefen Oppositionspolitiker - darunter der bekannte Musikstar und Oppositionspolitiker Robert Robert Kyagulanyi alias Bobi Wine - zu Protesten auf. Die Polizei rückte mit Tränengas und Gummigeschossen an. Die Demonstration wurde gewaltsam aufgelöst.

Ein Angriff auf die Meinungsfreiheit?

Für Menschenrechtsanwalt Eron Kiiza ist die Steuer nur ein weiteres Instrument, die Rede- und Meinungsfreiheit in Uganda weiter einzuschränken. "Es gibt keine Gesetzesgrundlage, die das Verbreiten von Gerüchten illegal macht, weder in Uganda noch irgendwo anders auf der Welt", so Kiiza.

Er vertritt nun eine Sammelklage, die Journalisten und Menschenrechtsorganisationen vor dem Verfassungsgericht eingereicht haben und hofft auf eine baldige Anhörung. Denn Uganda habe bereits mehrfach die Erfahrung gemacht, dass die Regierung das Internet blockiere – in Wahlkampfzeiten oder bei Protesten.

Ugandas Regierung weist einen politischen Zusammenhang zurück. "Der Grund, warum wir die Steuer eingeführt haben, war, dass mehr und mehr Menschen anstatt über das Internet kommunizieren, anstatt zu telefonieren und nicht nur die Telekommunikationsanbieter, sondern auch wir als Steuerbehörde weniger Einnahmen erzielen", so Vincent Semura, Sprecher von Ugandas Steuerbehörde URA.

Polizeibeamte und Demonstranten in Ugandas Hauptstadt Kampala
Vor einem Jahr gingen Kritiker der Steuer auf die StraßeBild: DW/S. Schlindwein

Doch ein Jahr nach der Einführung muss auch er zugeben: Die Regierung hat sich verkalkuliert. Die Abgabe hat nur 17 Prozent der geplanten Einnahmen eingebracht. Der Grund: "Viele Leute umgehen die Steuer mithilfe von VPN", so Semura.

Dabei benötige Ugandas Regierung die Einnahmen, um die Infrastruktur des Internets vor allem in ländlichen Gebieten weiter auszubauen. Gleichzeitig meldet jedoch Ugandas Telekommunikationsbehörde UCC, dass die Zahl der Internetnutzer seit Einführung der Steuer um über 30 Prozent gesunken ist. Das sind rund drei Millionen Menschen.  

Ein Jahr nach der Einführung beschweren sich nun auch die Parlamentsmitglieder über die Kosten, die ihnen durch die Steuer entstehen. Dabei gehören sie zu den Spitzenverdienern. Die Regierung hatte zunächst angekündigt, die Steuern der Abgeordneten aus dem Staatshaushalt zu bezahlen. Doch dann sprach Parlamentspräsidentin Rebecca Kadaga ein Machtwort: Die Mehrheit der Parlamentsmitglieder hätte für das Steuer-Gesetz gestimmt – dann müsse sie nun die Kosten auch selbst tragen.