Mario Adorf ist 80
8. September 2010Der in Zürich geborene und in Mayen in der Eifel aufgewachsene Mario Adorf begann mit Anfang 20 als Schauspieler. Seitdem hat er sich mit etlichen Bühnenstücken und unzähligen Spiel- und Fernsehfilmen auch international einen Namen gemacht. Mittlerweile kann er auch auf viele Buchveröffentlichungen zurückblicken. Mit 80 Jahren ist er noch vielbeschäftigt. Vor einigen Wochen ist er mit den Dreharbeiten zum Film "Gegengerade" fertig geworden, der nächstes Jahr in die deutschen Kinos kommt. Die Deutsche Welle traf sich mit ihm in seiner Wahlheimat St. Tropez.
DW-WORLD.DE: Sie kommen gerade von Dreharbeiten aus Hamburg. Jetzt machen Sie Urlaub, wie geht es dann weiter?
Mario Adorf: Jetzt habe ich erstmal Urlaub. Diesen Sommer wollte ich mich ein bisschen ausruhen. Es geht dann im Herbst schon wieder weiter. Anfang Oktober schon, in Wien und irgendwo auf einem Schiff im Mittelmeer, was eigentlich wiederum die Südsee sein soll. Ein Fernsehfilm diesmal, mit Christiane Hörbiger und Veronika Ferres. Nach einem Roman von Pavel Kohout, "Die lange Welle hinter dem Kiel".
Erfolg vor den Kameras und auf den Bühnen
Im September steht auch Ihr Geburtstag an. Zum 75. gab es eine Bühnengala. Was passiert dieses Jahr?
Jedenfalls keine Gala. Ich habe das zum 70. und 75. gehabt und das langt dann auch. Jetzt will ich nur im kleinen Kreise feiern und nicht in Deutschland sein. Also diesmal keine Show, kein Auftritt. Am 30. September muss ich schon wieder in Berlin sein und dann in Dresden, da habe ich einen kleinen Auftritt. Das genügt dann.
Sie sind in unterschiedlichen Welten zu Hause. In Deutschland, Frankreich, Italien. Aber auch in unterschiedlichen künstlerischen Medien. Also Film, Theater und auch Musik. Fangen wir beim Ort an. Wo fühlen Sie sich zu Hause?
Also ich habe immer unterschieden zwischen zu Hause und Heimat. Heimat ist für mich Mayen in der Eifel, das ist das Rheinland im weiteren Sinne. Eine Heimat hat man nur eine. Zu Hause kann ich mich überall fühlen. Ich habe mich in Rom zu Hause gefühlt, ich fühle mich jetzt in Paris zu Hause, ich fühle mich in St.Tropez zu Hause, ich fühle mich auch, wenn ich längere Zeit in einem Hotel bin, in einem Hotel zu Hause.
Das ist eine Einstellung, die man haben kann, wenn man sehr viel unterwegs ist. Es gibt Leute, die sagen, es gibt nur ein zu Hause, so wie ich sage, ich habe nur eine Heimat. Aber da mein zu Hause immer sehr oft wechselt, habe ich mich daran gewöhnt zu sagen, ich bin da zu Hause, wo ich länger bin.
Die Literatur als Hobby
Und in welchem Medium fühlen Sie sich zu Hause?
Was die Literatur betrifft, ist das für mich eher ein Hobby. Es ist kein Beruf und keine Berufung. Ich habe ja sehr spät angefangen zu schreiben. Was die anderen Medien betrifft, bin ich in erster Linie Schauspieler. Ich habe immer schon gleichmäßig gespielt, also fürs Theater, für das Fernsehen und den Film. Da habe ich keine großen Unterschiede gemacht, wie manche vielleicht vermuten.
Es macht für mich überhaupt keinen Unterschied, ob ich einen Kinofilm oder ob ich einen Fernsehfilm mache. Nur vom richtigen Theaterspielen habe ich mich eigentlich schon vor ein paar Jahren verabschiedet. Nicht weil es zu anstrengend ist, nicht weil ich keinen Text mehr behalten kann, sondern weil es mir einfach zu viel Zeit raubt, die Probenzeiten und dann die Vorstellungsmonate. Da dachte ich, dass das nicht mehr sein muss.
Vergleichen wir einmal Film und Literatur. Was können Sie in dem einen künstlerischen Medium ausdrücken, was Sie in dem anderen nicht können?
Beim Schreiben kann man sich natürlich sehr viel mehr verwirklichen. Man bestimmt, was man schreibt, man kann es wegwerfen. Das kann man beim Film und beim Fernsehen nicht. Was auch immer herauskommt, muss gesendet werden. Bei Film und Fernsehen bin ich der Schauspieler. Da gibt es wichtigere Leute. Das ist eine Gemeinschaftsarbeit, da ist der Regisseur der Bestimmende. Dann tut man eigentlich doch mehr oder weniger das, was der Regisseur von einem verlangt und ich finde das auch in Ordnung, auch beim Theater.
Natürlich kann man sich auch in Film- und Fernsehrollen verwirklichen, aber es ist für mich nie interessant gewesen, dass man mir den "Letzten Patriarchen" (Neuer Fernsehfilm mit Adorf, die Red.) auf den Leib geschrieben hat. Ich habe das nie gefordert. Ich wollte nicht, dass man mir etwas auf den Leib schreibt. Mich kenne ich sowieso, ich finde mich auch relativ langweilig. Ich will lieber andere Rollen spielen, die ich nicht kenne und andere Lebensläufe, Lebenshaltungen, Einstellungen, Gefühle. Und auch das Handwerkliche dabei, das will ich lieber entwickeln, als mich selber immer wieder darzustellen.
Großer Erfolg mit der "Blechtrommel"
Der Film "Die Blechtrommel" ist vor kurzem in einer verlängerten Fassung ins Kino und auf DVD herausgekommen. Warum war Ihnen das wichtig?
Es war vor allen Dingen dem Regisseur wichtig (Volker Schlöndorff, die Red.), weil der sehr viel Material da liegen hatte, was nicht benutzt wurde. Das ist manchmal schade für einen Film. Der Film ist dadurch etwas länger geworden. Ich selber war daran interessiert, weil es zwei, drei Szenen gab, die nach meiner Meinung zur Erklärung der Figur fehlten. Damit bin ich sehr zufrieden, dass die jetzt wieder drin sind.
Sie haben eine große Spanne an Schauspielern kennengelernt und viele Erfahrungen beim Film gemacht. Wie beurteilen Sie die heutigen deutschen Filme, auch im Hinblick auf junge, deutsche Schauspieler?
Sie haben es gleichzeitig leichter und schwerer. Leichter haben sie es zu großen Rollen zu kommen, Hauptrollen zu bekommen, zu Superstars hochgejubelt zu werden. Allerdings um den Preis, auch wieder sehr schnell abzustürzen und vergessen zu werden. Viele Schauspieler haben einfach nicht mehr die Möglichkeit zur Entwicklung.
Wir haben am Theater mit kleinsten Rollen angefangen, mussten uns bewähren, wurden nicht verwöhnt, am Anfang. Heute ist das alles zu leicht. Man fühlt bei vielen jungen Schauspielern einfach nicht mehr die gründliche Ausbildung. Es gibt in Deutschland immer noch einen vergleichsweise großen Fundus von gut ausgebildeten Schauspielern, die die Schauspielschule gemacht haben und ihr Metier durchaus beherrschen.
Und es gibt auch, wenn wir das international betrachten, in den deutschen Serien Schauspieler, die sich wirklich sehen lassen können und auch besser sind, als in vielen anderen Ländern. Es gibt also nicht nur Schattenseiten. Es ist nur schwerer geworden, für einen Schauspieler sich darzustellen und zu bleiben. Das Fernsehen hat einen Verschleiß eingeleitet. Gesichter verschleißen viel schneller. Da ist es natürlich schwierig, eine lange, solide Karriere aufzubauen, wie es wenigen - und ich darf mich dazu zählen - vergönnt war.
Das Gespräch führte Donata Ritter
Redaktion: Jochen Kürten