ECOWAS droht Putschisten im Niger mit "Einsatz von Gewalt"
Veröffentlicht 30. Juli 2023Zuletzt aktualisiert 31. Juli 2023Das Krisentreffen fand in Nigerias Hauptstadt Abuja statt. Dort kamen die Staats- und Regierungschefs der 15 Mitglieder der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) und Vertreter der acht Mitglieder zählenden Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion sowie des Tschads zusammen.
Ultimatum gesetzt
In der Abschlusserklärung setzten die Konferenzteilnehmer den putschenden Militärs im Niger ein Ultimatum. Diese müssten die Macht innerhalb einer Woche an die legitimen Institutionen zurückgeben. Zugleich beschloss die Wirtschaftsgemeinschaft finanzielle Sanktionen gegen die selbsterklärten neuen Machthaber im Niger. Zudem könnte Niger aus der Mitarbeit in beiden Organisationen ausgeschlossen und das Land für den regionalen Finanzmarkt gesperrt werden. Die Grenzen könnten geschlossen werden. Bereits in einer ersten Reaktion hatten die ECOWAS-Länder den Putsch verurteilt und die Freilassung des inhaftierten Präsidenten Mohamed Bazoum gefordert.
Nigers neue Machthaber geben sich unbeeindruckt
Die neuen Machthaber in Niamey lassen die Androhungen bislang allerdings kalt. Der Sprecher der Militärregierung, Amadou Abdramane, erklärte im Staatsfernsehen: "Wir möchten ECOWAS oder andere Abenteurer noch einmal daran erinnern, dass wir fest entschlossen sind, unser Heimatland zu verteidigen." Die neue Militärregierung rief zudem die Bürger der Hauptstadt Niamey zu Protesten gegen die ECOWAS auf.
Die Präsidentengarde hatte am Mittwoch den seit 2021 amtierenden Präsidenten Bazoum festgesetzt. Am Freitag erklärte sich der Chef dieser Elite-Einheit, General Omar Tchiani, zum Präsidenten des Nationalen Rats und damit zum Machthaber des westafrikanischen Landes. Die Revolte wurde international scharf verurteilt.
Ebenfalls am Freitag hatte die Afrikanische Union (AU) an die nigrischen Militärs appelliert, innerhalb von 15 Tagen die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen und in ihre Kasernen zurückzukehren. Was nach Ablauf des Ultimatums geschehen soll, ließ die AU offen.
Anti-französische Proteste in Niamey
In der nigrischen Hauptstadt Niamey versammelten sich unterdessen tausende Pro-Junta-Demonstranten vor der französischen Botschaft. Wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP beobachtete, versuchten einige der Demonstranten, in die Botschaft einzudringen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnte angesichts der Proteste im Niger mit scharfen Worten vor Angriffen auf die französische Botschaft und französische Bürger in dem westafrikanischen Land. Man werde "keinen Angriff gegen Frankreich und seine Interessen dulden", hieß es aus dem Elysée-Palast. Der französische Präsident ergänzte, der Putsch sei für die ganze Region "gefährlich".
EU unterstützt ECOWAS-Drohungen
Niger ist eines der ärmsten Länder der Welt und erhält nach Angaben der Weltbank jährlich fast zwei Milliarden Dollar Entwicklungshilfe. Die Europäische Union hat die finanzielle Unterstützung bereits eingestellt. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell teilte am Montag in Brüssel mit, die Europäische Union unterstütze alle Maßnahmen, die die ECOWAS als Reaktion auf den Staatsstreich ergriffen habe und werde sie "rasch und entschlossen fördern". Der demokratisch gewählte Präsident Bazoum bleibe das einzige nigrische Staatsoberhaupt. Bazoum müsse unverzüglich und bedingungslos freigelassen werden und seine Ämter wiederbekommen. Die EU mache die Putschisten im Niger für die Angriffe auf Zivilisten, Diplomaten und Botschaften verantwortlich.
Nach der Militärrevolte hat auch Frankreich seine Entwicklungs- und Finanzhilfen mit sofortiger Wirkung ausgesetzt. Wie das Außenministerium in Paris mitteilte, verlangt die Regierung "die unverzügliche Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung" und die Wiedereinsetzung des gewählten Präsidenten Bazoum. Bis dahin erhalte der Niger keine Hilfen, die im vergangenen Jahr 120 Millionen Euro betrugen.
Die Vereinigten Staaten drohen ebenfalls mit einem Zahlungsstopp. Niger war bisher Partner der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich sowie anderer europäischer Staaten und der USA bei der Bekämpfung islamistischer Extremisten in der Sahelzone. Zuvor hatten die Militärmachthaber in den Nachbarländern Mali und Burkina Faso den Abzug französischer Truppen gefordert. Frankreich hat im Niger und im benachbarten Tschad etwa 2500 Soldaten stationiert. Die französischen und europäischen Bemühungen um eine Stabilisierung der Sahelzone haben durch den Putsch im Niger einen schweren Rückschlag erlitten.
Die Sahel-Zone zieht sich vom Senegal im Westen bis nach Dschibuti im Osten. Sie leidet seit Jahren unter einer sich verschlechternden Sicherheitslage. Viele Milizen, die zum Teil dem "Islamischen Staat" (IS) oder der Terrororganisation Al-Kaida die Treue geschworen haben, verüben regelmäßig Anschläge.
Angst vor russischem Einfluss
Ein weiteres Zurückdrängen Frankreichs in der Region dürfte in Paris auch Ängste vor einer wachsenden Einflussnahme Russlands in der Sahelzone schüren. Die militärischen Übergangsregierungen in Mali und Burkina Faso orientierten sich nach den jeweiligen Revolten in Richtung Moskau. Die Regierung von Präsident Bazoum hatte eine Zusammenarbeit mit Russland abgelehnt. Die neue Konstellation könnte nun "Russland die Tür öffnen, sich breitzumachen", sagte der Experte der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Sahelzone, Ulf Laessing, der Deutschen Presse-Agentur.
Kurz nach dem Putsch begrüßte der Chef der russischen Söldner-Armee Wagner, Jewgeni Prigoschin, den Umsturz im Niger als "gewöhnlichen Kampf der Menschen gegen die früheren Kolonialherren", die ihnen ihren Lebensstil aufzwingen wollten. Prigoschin warb einmal mehr für den Einsatz seiner Kämpfer.
haz/as/kle/se (rtr, afp, dpa)