Sparen oder untergehen
11. November 2011EU-Währungskommissar Olli Rehn hätte persönlich eigentlich etwas zu feiern. Er ist zum Vizekommissionspräsidenten aufgewertet worden, weil sein Ressort für die Lösung der Euro-Krise als Schlüsselressort gilt. Doch bei der Vorstellung der Herbst-Konjunkturprognose in Brüssel erschien er wie zur Beerdigung. Passend zum schwarzen Anzug kam der schwarze Humor. "Bitte erschießen Sie nicht den Überbringer der schlechten Nachricht. Diese Konjunkturprognose ist der letzte Weckruf. Die wirtschaftliche Erholung in der EU ist zum Stillstand gekommen, und es besteht die Gefahr einer neuen Rezession, wenn nicht entschieden gehandelt wird." Rehn hat eine ganze Reihe von Staaten verwarnt. Sollten sie ihre Haushalte nicht schnell genug in Ordnung bringen, will er Sanktionen vorschlagen.
Italien muss schnell handeln
Dabei sind noch gar nicht die beiden größten Sorgenkinder Griechenland und Italien berücksichtigt, deren Verschuldung in astronomische Höhen gestiegen ist. Doch im Gegensatz zu Griechenland versucht Italien weiter, sich selbst zu helfen. Ohne radikale Wende gehe das nicht, warnt Rehn. Doch zunächst müssten die politischen Verhältnisse nach der Rücktrittsankündigung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi geklärt werden. "Das Wichtigste für Italien ist es, die politische Stabilität und Entscheidungsfähigkeit wiederherzustellen, und parallel dazu so bald wie möglich entschieden daran zu gehen, die finanzpolitischen Ziele zu erreichen und wachstumsfördernde strukturelle Reformen zu fördern." Die inzwischen enorm hohe Verzinsung zehnjähriger italienischer Staatsanleihen von rund sieben Prozent hält Rehn noch nicht für problematisch, weil nur für neue Anleihen derartige Risikoaufschläge gezahlt werden müssen. Doch schon im Laufe des kommenden Jahres befürchtet er untragbar hohe Renditen. Deshalb müsse schnell gehandelt werden.
Europa kann sich nicht nach dem Langsamsten richten
Währenddessen wachsen in Deutschland die Zweifel an der bisherigen europäischen Krisenbewältigung. Einerseits können sich immer mehr Wirtschaftsfachleute und Politiker vorstellen, dass zur Not unsolide Staaten aus der Währungsunion ausscheiden. Die Bundesregierung weist solche Pläne offiziell zurück. Sie sucht dagegen das Heil in mehr Integration und Disziplin der Euro-Länder, auch wenn das Änderungen der europäischen Verträge bedeuten würde. Vor diesem Hintergrund hatte die "Berliner Europa-Rede" von Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwochabend eine besondere Bedeutung. Eines ist klar: Barroso befürwortet weitere Integrationsschritte. "Die Geschwindigkeit der Europäischen Union und erst recht die der Eurozone kann nicht die Geschwindigkeit ihres langsamsten oder zögerlichsten Mitglieds sein."
Barroso will niemanden fallenlassen
Doch Barroso ist Kommissionspräsident der ganzen EU, und er bekommt in letzter Zeit oft zu hören, der Union drohe die Spaltung. "Die Verträge definieren die Eurozone nicht als etwas, das sich von der Europäischen Union unterscheidet. Die Verträge definieren die Eurozone als den Kern der Europäischen Union." Klar ist für ihn auch, dass kein Land, auch nicht Griechenland, aus der Eurozone hinauskomplimentiert werden darf. Doch Barroso sieht noch eine weitere Gefahr: dass einige wenige Staaten wie Deutschland und Frankreich das Heft in Europa in die Hand nehmen, statt auf die europäischen Institutionen zu setzen. Dieser Weg würde Europa marginalisieren, glaubt Barroso. Europa müsse die Demokratie des Nationalstaats durch die europäische Demokratie ergänzen, "sonst werden wir die eigentliche Souveränität an die Märkte abgeben, die keinerlei demokratischer Kontrolle unterworfen sind." Doch das Vertrauen in die Gemeinschaftsmethode scheint zu schwinden. In der Not der Krise ist im Moment ein starker Trend hin zum nationalen Handeln zu beobachten, gerade auch in Deutschland.
Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Anne Allmeling