Viel mehr Flüchtlinge werden abgeschoben
21. Dezember 2015Angesichts des starken Zuzugs von Flüchtlingen beschleunigen die deutschen Behörden massiv die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Jeden Tag kommen zwischen 2000 und 5000 Migranten nach Deutschland. Doch nicht jeder von ihnen bekommt auch Asyl. In den ersten elf Monaten des Jahres wurden fast doppelt so viele Asylsuchende in ihre Heimatländer zurückgebracht wie im gesamten Vorjahr, teilte das Bundesinnenministerium in Berlin mit. Zwischen den Bundesländern gibt es aber starke Unterschiede bei der Abschiebepraxis.
Bayern auf Platz eins
Bis Ende November wurden nach Ministeriumsangaben 18.363 Menschen abgeschoben. Im Jahr zuvor hatte die Gesamtzahl bei 10.884 gelegen. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, die Abschiebungen seien "das, was das Gesetz vorsieht". Kritik an den Rückführungen wies er zurück. Vor einer Abschiebung würden alle Belange der Betroffenen geprüft, die einem solchen Schritt entgegenstehen könnten.
Besonders stark wuchs die Zahl der Abschiebungen im CSU-regierten Bayern: Sie stieg um mehr als das Dreifache von 1007 auf 3643. Auch im schwarz-grün regierten Hessen verdreifachte sich die Zahl nahezu von 829 auf 2306 Abschiebungen. Im grün-rot regierten Baden-Württemberg verdoppelte sie sich von 1080 auf 2140. Kaum gestiegen sind die Abschiebezahlen im Verlauf des Jahres 2015 in Brandenburg, Bremen, Niedersachsen und Sachsen. Im rot-rot-grün regierten Thüringen ging sie sogar leicht zurück.
Abschiebungen aufgeschoben
Laut Gewerkschaft der Polizei (GdP) leben in Deutschland derzeit rund 190.000 ausreisepflichtige Menschen. Das Gros von ihnen - rund 140.000 - hat aber einen Duldungsstatus und kann deswegen nicht abgeschoben werden. Die Bundesländer müssten deshalb abgelehnte Asylbewerber "viel konsequenter abschieben", sagte der Vizechef der GdP, Jörg Radek. Der Personenkreis werde wohl noch weiter wachsen, weil im laufenden Jahr mehr Migranten denn je gekommen seien, sagte Radek. Wenn Bund und Länder jetzt nicht handelten, "entwickelt sich ein Rückstau". Radek warf Ländern wie Bremen und Thüringen "einen mangelhaften politischen Willen" vor, auch tatsächlich abzuschieben.
Die Länder sollten nach Radeks Ansicht abgelehnte Asylbewerber auch deshalb abschieben, weil die Flüchtlingsheime und Erstaufnahmelager an Kapazitätsgrenzen stießen. Die Enge führe zu mehr Spannungen und Massenschlägereien wie zuletzt in Hamburg, in der Folge auch zu mehr Polizeieinsätzen. Die Situation drohe sich zu verschärfen, wenn nicht gegengesteuert werde. "Wenn sie großzügigere Räume haben, dann haben wir auch weniger Polizeieinsätze für die Kollegen." Vom Bund forderte Radek mehr Personal für die Bundespolizei. Sie übernimmt einen Großteil der Rückführungen mit dem Flugzeug.
Die Bundesregierung strebt eine schnellere Abschiebung abgelehnter Asylbewerber an. Um die schnellere Ausweisung von Menschen ohne Bleibeperspektive rechtlich abzusichern, wurden im Oktober verschiedene Gesetze geändert. Unter anderem ist nun vorgesehen, dass der konkrete Abschiebetermin nicht mehr genannt wird, damit die Ausreisepflichtigen nicht vorher untertauchen.
Deutlich weniger Einreisen als im November
Insgesamt hat sich die Zahl der eingereisten Migranten im Dezember im Vergleich zum Vormonat mehr als halbiert. Wie aus einer Statistik der Bundespolizei hervorgeht, wurden bis Sonntag (20. Dezember) bei Kontrollen 73.500 Migranten gezählt. Im Vormonat waren es im selben Zeitraum schon rund 170.000 gewesen. Anders als noch im November führt die Bundespolizei seit Anfang Dezember Flüchtlinge, die dabei sind, in ein anderes Land auszureisen, gesondert auf. Von den 73.500 festgestellten Personen im Dezember betrifft dies rund 6000 Menschen, die sich meist auf dem Weg per Zug oder Fähre nach Skandinavien befanden. Netto beläuft sich die Zahl der Einreisen damit im Dezember bislang auf rund 68.000. Als Gründe für den Rückgang gelten die winterlichen Temperaturen und das Wetter in der Ägäis, weswegen viele Menschen die Bootsüberfahrt von der Türkei nach Griechenland scheuen. Zudem hat die Türkei die Kontrollen an den Außengrenzen verstärkt.
pab/djo (rtr, kna)