Dramatischer Abwärtssog an den Börsen
5. August 2011In Europa stehen nach Griechenland noch weitere Volkswirtschaften vor schweren Zeiten: Für Italien und Spanien wird das Geld immer teurer - dem Euro droht neues Ungemach. Und in den USA, wo die Schuldenobergrenze angehoben wurde, damit Washington neues Geld leihen kann, droht die Konjunktur einzubrechen - mit weitreichenden Folgen für die Weltwirtschaft.
Börsenabsturz
Nach deutlichen Kursverlusten an den europäischen Aktienmärkten (DAX in Frankfurt am Main minus 3,4 Prozent, London minus 3,1, Paris minus 2,5 Prozent) verschärfte sich die Lage am US-Aktienmarkt dramatisch: Die New Yorker Wall Street erlitt einen der schwersten Tages-Verluste seit Jahren. Alle drei großen Indizes schlossen am Donnerstag mehr als vier Prozent im Minus. Der Dow-Jones-Index brach um mehr als 500 Punkte ein und fiel erstmals seit Dezember 2010 wieder unter die Marke von 11.400 Punkten.
Amerikanische Analysten verwiesen auf Anzeichen, dass die US-Wirtschaft zum Stillstand gekommen sei. Auch die Situation in Europa bereitete den Börsianern in New York Sorge. "Die Anleger holen wegen der Schuldenprobleme in Europa so viel Liquidität wie möglich aus dem Markt", berichtete ein Finanzexperte. Zur schlechten Stimmung trugen auch Aussagen des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, bei, wonach die konjunkturellen Abwärtsrisiken stärker geworden seien.
"Aktionismus"
Um entgegenzusteuern, intervenierten unterdessen zwei große Volkswirtschaften am Geldmarkt, um die heimische Wirtschaft zu stützen. Japan und die Schweiz leiden unter der Überbewertung von Yen und Franken. Sind die Kriseninterventionen ein erfolgversprechendes Heilmittel? Oder sind sie nur "fiskalische Placebos", wie Andreas Rees meint? Der Chef-Ökonom Deutschland bei der UniCredit sagte im Gespräch mit DW-WORLD.DE, für ihn seien die aktuellen Interventionen nicht mehr als "Aktionismus".
Der Schweizer Franken hat im letzten Jahr im Vergleich zu Dollar und Euro an Wert deutlich zugelegt. Vor zwölf Monaten kostete ein Franken noch rund 73 Euro-Cent, inzwischen muss man schon 93 Cent berappen, um einen Franken zu erlösen. Das ist Gift für den Tourismus, von dem die Schweizer Wirtschaft in hohem Maße abhängig ist. Vielen Touristen ist die Alpenrepublik schlicht zu teuer geworden - sie lassen die Schweiz links liegen.
Am Mittwoch reagierte die Schweizer Nationalbank und pumpte massiv Geld in den Markt. Der Leitzins, für den sich Banken Geld leihen können, wurde auf fast null Prozent gesenkt. Die Giro-Guthaben der Geschäftsbanken bei der Nationalbank sollen von 30 Milliarden auf 80 Milliarden Franken mehr als verdoppelt werden. Ob das den Exporten und dem Fremdenverkehr hilft, wird sich erst erweisen müssen.
Überbewertung
Die Zentralbank in Tokio hat ebenfalls eingegriffen, weil sie um die Binnenkonjunktur fürchtet. Japan beklagt wegen Erdbeben, Tsunami und den Kernschmelzen in seinen Nuklearreaktoren ohnehin ein Schrumpfen seiner Wirtschaft. Dazu ist der Yen im Vergleich zum wankelmütigen Euro und dem siechen Dollar überbewertet. Das schmälert die Gewinne der exportierenden japanischen Großkonzerne, ihre Erzeugnisse werden an den internationalen Märkten immer teurer. Daher gab die Zentralbank in Tokio am Donnerstag dem Druck der japanischen Regierung nach und intervenierte. Den Leitzins beließ sie auf seinem niedrigen Niveau und legte zugleich ein erweitertes Programm zum Ankauf von Anlagevermögen auf.
Gesundung
Die Bank of England verfolgt ebenfalls eine Politik des billigen Geldes. Sie beschloss am Donnerstag in London, ihren Leitzins auch weiterhin auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent zu belassen. Die EZB teilte zum gleichen Zeitpunkt mit, ihren Leitzins auch nicht ändern zu wollen. Der liegt allerdings bei 1,5 Prozent. Das dient der Inflationsbekämpfung, verteuert aber auch Kredite. Das könnnte die Bemühungen torpedieren, den südeuropäischen Krisenländern wieder auf die Beine zu helfen. Beobachter fürchten nämlich, die Konjunktur-Erholung im Euro-Raum könnte abgeschwächt werden.
Die Interventionen in Japan und der Schweiz werden nach Ansicht von Ökonom Andreas Rees nur für eine kurze Zeit einen geringen Nutzen haben. Einzelne Volkswirtschaften, sagte er gegenüber DW-WORLD.DE, seien schlicht nicht stark genug, um die Kursschwankungen an den Märkten auszugleichen. Für eine Gesundung von Weltwährungssystem und globaler Konjunktur seien Operationen am Kopf, und nicht an den Gliedern, nötig: Die Turbulenzen im Euroraum müssten beendet und die US-Wirtschaft wieder auf gesunde Füße gestellt werden. Der Schlüssel zur Gesundung der Weltwirtschaft liegt nicht in den Tresoren einzelner Zentralbanken, sondern in Washington und Brüssel.
Autoren: Dirk Kaufmann / Christian Walz
Redaktion: Henrik Böhme / Hans Ziegler