Drahtzieher des Terrors in Indonesien
10. September 2004Es hätte des Bekennerschreibens im Internet nicht bedurft: Schon kurz nach dem verheerenden Bombenanschlag vor der australischen Botschaft in Jakarta war für Experten klar, dass die südostasiatische Terrorgruppe Jemaah Islamiyah verantwortlich war. Der Anschlag glich vorangegangenen: Dem Anschlag auf das Marriott-Hotel im vergangenen Jahr ebenfalls in Jakarta - und dem noch verheerenderen Attentat auf der Ferieninsel Bali vor zwei Jahren, bei dem mehr als 200 Menschen starben. Die Wahl des Sprengstoffs, der Zeitpunkt, das Ziel - von Anfang an sprach alles für die Jemaah Islamiyah, die ganz Südostasien als Operationsgbiet hat und der Terrorexperten enge Beziehungen zur El Kaida bescheinigen.
Panislamischer Staat als Ziel
Die Wurzeln des Terrors in dieser Region gehen weit in die 1980er-Jahre zurück. Südostasiatische Terroranwärter wurden in Afghanistan ausgebildet, bevor sie sich Anfang der 1990er- Jahre offiziell zur Jemaah Islamiyah formierten. Ihr Ziel war ein panislamischer Staat, der Südthailand, Malaysia, Singapur, Indonesien, die Philippinen und Brunei umfassen sollte. Von diesem Ziel ist die Gruppe heute zwar genauso weit entfernt wie zu ihrer Anfangszeit. Aber der jüngste Anschlag zeigt erneut, dass es den Sicherheitskräften der betroffenen Länder bisher nicht gelungen ist, die Gruppe komplett zu zerschlagen, obwohl hunderte ihrer Mitglieder längst hinter Gittern sitzen.
Dafür gibt es mehrere Ursachen: Die unübersichtliche Region aus tausenden kleinen Inseln mit zahlreichen regionalen Konflikten erschwert eine systematische Verfolgung. Zudem ist die neue Generation von Politikern in Indonesien nach dem Sturz des Suharto-Regimes vorsichtig im Umgang mit Islamisten - und sehr bedacht darauf, nicht als Marionette Washingtons zu gelten.
Vorsichtiger Umgang mit Terror
Auch wenn die überwältigende Mehrheit der Bürger im bevölkerungsreichsten islamischen Land der Welt den Terror ablehnt und mit den politischen Zielen der Jemaah Islamiyah nichts im Sinn hat, zeigen sich die Politiker mit Blick auf eine Serie von Wahlen eher zurückhaltend in deren Bekämpfung - aus Furcht, streng religiöse Wähler zu verprellen. Der Krieg im Irak hat auch in Südostasien nicht zur Deeskalation an der Terrorfront beigetragen, sondern erweist sich - ähnlich wie der ungelöste Nahostkonflikt - einmal mehr als Nährboden für neue Gewalt.
Einfluss auf Wahlen
Ein Terroranschlag kurz vor dem 11. September, das ist für Zahlen-Mystiker - und davon gibt es viele in Südostasien - ein bedrohliches Symbol. Dennoch wird die Rechnung der Bombenleger von Jakarta nicht aufgehen. Bei den unmittelbar bevorstehenden Präsidentschaftswahlen wird der konservative und den USA nahe stehende Kandidat und Ex-General Susilo Bambang Yudhoyono mit dem Thema Sicherheit punkten und von dem Klima aus Angst und Verunsicherung profitieren.
In Australien dürfte der Anschlag ebenfalls die regierenden Konservativen stärken, die im Irak-Krieg eng an der Seite der Amerikaner stehen und seit Monaten vor einem Erstarken des Terrorismus im Nachbarland Indonesien gewarnt haben.