Nur unter Auflagen
5. Februar 2014Die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts könnte in der großen Koalition demnächst für Streit sorgen. Bereits in den Koalitionsverhandlungen zwischen Unionsparteien und Sozialdemokraten galt dieser Punkt als eines der schwierigsten Themen. Während die SPD mit der Forderung nach einer generellen Zulassung doppelter Staatsbürgerschaften in den Wahlkampf gezogen war, wollten CDU und CSU unbedingt an dem Grundsatz festhalten, dass Doppelbürgerschaften die Ausnahme bleiben.
Am Ende konnte die SPD lediglich aushandeln, dass die besonders umstrittene "Optionspflicht" für ausländische Kinder gelockert wird. Nach dieser Regel, die seit dem Jahr 2000 besteht, dürfen Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren sind, bis zum 23. Lebensjahr zwei Staatsbürgerschaften haben. Danach müssen sie sich für eine von beiden entscheiden.
Doppelbürgerschaft nur bei Schulbesuch in Deutschland
Wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, liegt im Innenministerium nun ein erster Gesetzentwurf zur Umsetzung dieser Einigung vor. Er besagt, dass in Deutschland geborenen Kindern nur unter bestimmten Voraussetzungen die doppelte Staatsbürgerschaft erlaubt werden soll. Die Optionspflicht bliebe demnach erhalten und fiele nur für Jugendliche weg, die einen deutschen Schulabschluss vorlegen können oder nachweisen, dass sie mindestens zwölf Jahre und einen wichtigen Teil der Pubertät in Deutschland verbracht haben. Das könnten junge Erwachsene dann beispielsweise durch Vorlage von Schulzeugnissen über mehrere Jahre nachweisen.
Das konservativ geführte Innenministerium stellt damit klar, dass es die Einigung im Koalitionsvertrag eng auslegen will. Unionsparteien und SPD hatten sich nach langem Tauziehen auf die Formulierung geeinigt, der Zwang zur Entscheidung solle für "in Deutschland geborene und aufgewachsene" Kinder ausländischer Eltern wegfallen.
Dass es überhaupt eine Einigung in dieser Frage gab, war für die Sozialdemokraten enorm wichtig. Sie hatten im Wahlkampf mit dem Versprechen der doppelten Staatsbürgerschaft aktiv um die Stimmen von Einwanderern geworben. Dass am Ende die Erleichterung nur für eine bestimmte Gruppe von Einwanderern galt, nämlich nur für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern, stieß bei Migrantenverbänden auf harsche Kritik. "Wir sind tief enttäuscht", kommentierte der Bundesvorsitzende der türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, damals die Einigung.
Die Sozialdemokraten verteidigten sich damit, die Einigung sei das Maximum dessen, was mit den Unionsparteien zu machen gewesen sei. Und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel versprach: "Die nächsten Schritte kommen auch." Auf ihrer Homepage feiern die Sozialdemokraten sich dafür, "eine Verbesserung für 40.000 Menschen im Jahr" erreicht zu haben.
Wenn dieser Schritt nun doch etwas kleiner ausfallen sollte, könnte das die SPD erneut in Erklärungsnot bringen. "Der Beschluss im Koalitionsvertrag war bereits ein Minimalkompromiss", sagte Ali Dogan dem Magazin "Spiegel". Er ist der stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD. "Wir können es uns nicht leisten, weitere Abstriche zu machen."
Özoguz befürchtet Bürokratie
Doch einen offenen Streit mit CDU und CSU wollen die Sozialdemokraten offenbar nicht riskieren. Auch von Integrationsstaatsministerin Aydan Özoguz (SPD) kommt nur verhaltene Kritik: "Keiner kann ein Interesse daran haben, dass die Kommunen einen kaum zu bewältigenden Verwaltungsaufwand zugeschoben bekommen", sagte sie dem "Spiegel". Mehr ist dazu von Özoguz und der SPD derzeit nicht zu hören.
Dabei bleibt der Entwurf weit hinter ihren Vorstellungen zurück. Özoguz hatte die Einigung immer dahingehend ausgelegt, dass die Optionspflicht komplett wegfallen müsse. "Auf der Kabinettsklausur in Meseberg haben wir alle übereingestimmt, dass das Gesetz jetzt unverzüglich kommen muss. Die Optionspflicht muss komplett abgeschafft werden", verkündete sie noch in der vergangenen Woche.
Mit dem Gesetzentwurf aus dem Haus von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ist jedoch klar geworden, dass die Unionsparteien alles daran setzen werden, den Koalitionsvertrag möglichst restriktiv auszulegen. "Über das Kriterium 'in Deutschland aufgewachsen sein' ist in den Koalitionsverhandlungen intensiv diskutiert worden", beharrt der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach. Die Optionspflicht dürfe wirklich nur in den Fällen entfallen, "in denen die Betroffenen sich über lange Zeit gut in die Lebensverhältnisse in unserem Land integriert haben". Nach einer baldigen Einigung klingt das nicht.