Doppelkopf-Adler mitten in Kaliningrad
24. Juni 2018Nach dem WM-Spiel Schweiz gegen Serbien im russischen Kalinigrad hat der serbische Fußballverband bei der FIFA Beschwerde gegen den deutschen Schiedsrichter Felix Brych und die beiden Schweizer Spieler Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka eingelegt.
"Ich erwarte keine spektakulären Entscheidungen, aber wir haben noch ein Spiel und werden das Achtelfinale nicht so einfach aufgeben", kommentierte Savo Milosevic, Vizepräsident des serbischen Fußballverbands, diesen Schritt. Eine Rechtfertigung für die Niederlage suche man nicht, versicherte Milosevic.
Umstrittene Geste
Bei dem Match, das für Serbien mit einer 1:2-Niederlage durch Shaqiris Tor in der 90. Minute endete, hatte der kosovo-albanischstämmige Spieler die Form des albanischen Wappentiers, eines doppelköpfigen Adlers, mit seinen Händen geformt. Das Gleiche hatte sein ebenfalls aus dem Kosovo stammender Teamkollege Xhaka bereits nach seinem Ausgleichstor in der 52. Minute getan - und damit den albanisch-serbischen Konflikt zum WM-Thema gemacht.
Der doppelköpfige Adler ist auch Symbol für das Albanertum weltweit. Viele Serben dagegen assoziieren mit dem Wappentier den albanischen Anspruch auf die ehemals serbische Provinz Kosovo und das Projekt eines großalbanischen Staates, der Teile der Nachbarländer Serbien, Montenegro und Mazedonien beanspruchen könnte.
"Spiel mit Stolz"
Laut dem meistgelesenen Nachrichtenportal Serbiens, Blic, setzte Shaqiri seine "Provokationen" auch am Tag nach dem Spiel fort. "Auf Instagram veröffentlichte er erneut ein Foto seiner Fußballschuhe, auf denen die Flaggen der Schweiz und des Kosovo prangen und kommentierte das Bild mit den Worten 'Spiel mit Stolz'", so Blic. Mittlerweile ist das von dem Portal gezeigte Foto allerdings nicht mehr auf Shaqiris Instagram-Account zu sehen.
Jovan Surbatovic, Generalsekretär des serbischen Fußballverbandes, sagte dem Belgrader Nachrichtenportal B92, seine Organisation habe der FIFA bereits vor dem Spiel damit gedroht, nicht gegen die Schweiz anzutreten, wenn Shaqiri die Fußballschuhe nicht wechseln würde. "Zunächst gab es gar keine Reaktion, erst nach direktem Kontakt mit dem FIFA-Büro kurz vor Spielbeginn wurde uns mitgeteilt, dass die Schuhe nach FIFA-Bestimmungen zulässig seien, weil das Kosovo FIFA-Vollmitglied ist und Fußballer nationale Gefühle ausdrücken dürfen", berichtete Surbatovic.
Umstrittener Schiedsrichter
Blic widmete sich auch Schiedsrichter Felix Brych: "Brych mag einen Doktortitel haben - aber seine Entscheidungen auf dem Platz verdienen die Note Mangelhaft. "Er ist als 'Mann für schmutzige Jobs' bekannt, der keine Angst hat, einem Rivalen Schaden zuzufügen", schreibt das Portal mit Bezug auf das Viertelfinale der Champions League 2015, wo Brych beim Spiel Real Madrid gegen Atletico den "Königlichen" geholfen haben soll.
Auch der serbische Nationaltrainer Mladen Krstajic kritisierte per Twitter das Verhalten des Schiedsrichters in Kaliningrad scharf: "Leider scheinen einzig die Serben einer selektiven Gerechtigkeit zu unterliegen, die früher mal aus Den Haag (Sitz des Internationalen Kriegsverbrechertribunals für Ex-Jugoslawien, Anm. d. Red.) kam und heute beim Fußball aus dem VAR", schrieb Krstajic. Der neue Video-Assistent für Schiedsrichter (VAR) habe einen wichtigen Moment nicht erfasst, der bedeutend zu einem anderen Ausgang der Begegnung mit der Schweiz hätte beitragen können, meinte Krstajic.
Serbiens Präsident Aleksandar Vucic sagte laut serbischen Medien bei einer Veranstaltung mit dem russischen Alexandrow-Chor, der gerade im Belgrader Präsidentenpalast zu Gast war, er sei stolz auf die Bürger Serbiens, die sich bei der Trauer über die Niederlage gegen die Schweiz vereint und würdevoll gezeigt und niemanden beleidigt oder Hass gezeigt hätten. "Denjenigen, die uns hassen" richtete er aus, sie sollten damit ruhig weiter machen, "denn das spricht von ihrer Größe und von unserer".
Die Serben warteten auf die nächste Gelegenheit, bestmöglichst für ihr Land zu kämpfen, so Vucic weiter. Er selbst werde in Brüssel eine kleine Chance haben, das zu tun. Hintergrund: Der Präsident trifft am Sonntag im Rahmen des Brüsseler Dialogs das Staatsoberhaupt des Kosovo, Hashim Thaci, um über die Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo zu sprechen.
"Nicht gegen Serbien"
Auch Albaniens Präsident Ilir Meta kommentierte das Spiel, dem er bei einem selbst organisierten Public Viewing mit albanischen Sportlern beigewohnt hatte. "Über den Sieg der Schweizer haben wir uns gefreut, als wäre es der Sieg Albaniens oder des Kosovo", so Meta auf dem TV-Sender News 24. "Letztendlich haben wir die Adler mitten in Kaliningrad gesehen." Die Gesten der kosovo-albanischstämmigen Schweizer richteten sich nicht gegen Serbien - sondern stünden für die Schweiz und deren Spieler, die ihre Herkunft gezeigt hätten, betonte Meta.
Gelassener kommentierte Kosovo-Präsident Thaci auf Twitter: "Ich gratuliere den beiden Torschützen und der ganzen Schweiz für den wohlverdienten Sieg. Wir sind stolz auf euch, Kosovo liebt euch!“.
Mitarbeit: Arber Bajrami und Rüdiger Rossig