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Dilma Rousseffs letzte Schlacht

Jean-Philip Struck/ Astrid Prange12. April 2016

Der Countdown läuft: In fünf Tagen stimmt das brasilianische Parlament über das Amtsenthebungsverfahren gegen Staatspräsidentin Dilma Rousseff ab. Das Ergebnis ist alles andere als vorhersehbar.

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Brasilien Symbolbild Misstrauensvotum
Bild: Getty Images/AFP/E. Sa

Nach knapp zehnstündiger Diskussion endete die Abstimmung im Parlamentsausschuss mit der schon vorausgesagten Niederlage für die Regierung von Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff: Von den 65 Mitgliedern des Ausschusses, der sich mit dem Antrag des Amtsenthebungsverfahrens von Präsidentin Dilma Rousseff befasst, stimmten 38 für und 27 gegen ein Impeachment.

Seit dem Beginn ihrer zweiten Amtsperiode im Januar 2015 kämpft Staatspräsidentin Dilma Rousseff von der brasilianischen Arbeiterpartei PT gegen wachsenden Widerstand. Am 2. Dezember 2015 eröffnete Parlamentspräsident Eduardo Cunha ein Amtsenthebungsverfahrens gegen die Regierungschefin. Der Vorwurf an Rousseff: Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung des brasilianischen Staatshaushaltes.

Brasilien Proteste gegen Lula da Silva und Dilma Rousseff (Foto: DW/T. Käufer)
Während die einen für ein Amtsenthebungsverfahren auf die Straße gehen....Bild: DW/T. Käufer

Die Abstimmung im Parlamentsausschuss endete nicht mit einem überwältigenden Sieg der Opposition, wie es die Regierung befürchtet hatte. Die Abgeordneten der Opposition konnten nur fünf Stimmen mehr als die erforderliche Mehrheit auf sich vereinigen. Es stellte sich heraus, dass die Mehrheit der noch unentschlossenen Abgeordneten in letzter Minute für die Regierung gestimmt hatte.

Wenn man das Ergebnis im Ausschuss als Gradmesser für eine Abstimmung im Plenum betrachtet, deutet vieles daraufhin, dass die Opposition noch nicht über die notwendigen Stimmen im brasilianischen Parlament verfügt, um das Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff fortsetzen zu können. Damit dieses den Senat erreicht, müssen 66,7 Prozent der 513 brasilianischen Parlamentsabgeordneten dafür stimmen.

Der Triumph blieb aus

Zur Erinnerung: Bei dem gelungenen Amtsenthebungsverfahren gegen den brasilianischen Ex-Präsidenten Fernando Collor de Mello 1992 gelang es der Opposition, 68 Prozent der Stimmen in dem Ausschuss für das Impeachment zu erlangen.

Die Präsidentin muss sich auf eine schwierige Schlacht einstellen: Denn der Druck auf die Regierung Rousseffs wird in den kommenden Tagen weiter zunehmen, denn bereits am kommenden Sonntag (17.4.) steht die entscheidende Abstimmung im Parlament an.

Die bisherige Strategie der Regierung, Unterstützung von kleineren und mittleren Parteien zu bekommen, scheint nicht funktioniert zu haben. So stimmten drei der fünf Abgeordneten der rechtsliberalen "Progressiven Partei" (PP) gegen die Regierung. Auch bei den Sozialdemokraten (PSD) votierten zwei von drei Abgeordneten für das Amtsenthebungsverfahren.

Regierung und Opposition zugleich

Besonders zwiespältig erwies sich das Verhalten der brasilianischen Partei für demokratische Bewegung (PMDB), die noch bis vor zwei Wochen der Regierungskoalition von Präsidentin Rousseff angehörte. Drei der sechs Abgeordneten im Ausschuss stimmten für die Regierung, die anderen drei dagegen.

Demo in Brasilia für Unterstützung von Dilma Rousseff (Foto: DPA/picture-alliance/dpa/F. Bizerra Jr.)
....wollen die anderen Dilma Rousseff durch ihre Unterstützung im Amt haltenBild: picture-alliance/dpa/F. Bizerra Jr

Beobachter werten dies als Zeichen für den tiefen Riss, der beim Thema Impeachment durch die PMDB geht. Denn obwohl die Partei nicht mehr der Regierung angehört, weigern sich einige ihrer sechs Minister, ihren Posten zu räumen und hindern die Regierung damit zusätzlich an der geplanten Kabinettsreform.

Wie vorherzusehen interpretierten Regierung und Opposition das Abstimmungsergebnis im Ausschuss sehr unterschiedlich. Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, stellte kurz nach der Abstimmung klar, dass die Niederlage der Regierung im Ausschuss nichts zu bedeuten habe. Der knappe Sieg deute darauf hin, dass die Opposition die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im Plenum verfehlen könnte, hieß es aus dem Lager der Regierung.

Für die Opposition erklärte der ehemalige Integrationsminister Geddel Vieira Lima, dass die Fraktionsführer offensichtlich nicht in der Lage seien, die Abtrünnigen in ihren Reihen zu disziplinieren. Daher sei es wahrscheinlich, dass die für ein Amtsenthebungsverfahren erforderlichen Stimmen zusammenkämen.

Kampf um jede Stimme

Meinungsumfragen der brasilianischen Presse deuten daraufhin, dass es für Siegesfeiern auf beiden Seiten noch zu früh ist. Aus der jüngsten Erhebung der brasilianischen Tageszeitung "O Estado de S. Paulo" von Montag geht hervor, dass die Opposition über 298 der 342 erforderlichen Stimmen verfügt. Die Regierung kommt auf 123 der insgesamt 172 notwendigen Stimmen, um das Verfahren zu verhindern.

Beide Seiten werden sich also erbitterte Kämpfe um die Stimmen der mehr als 90 Abgeordneten liefern, die noch unentschieden sind oder ihr Stimmverhalten nicht preisgeben wollen. Das Ergebnis der Abstimmung am Sonntag ist somit unvorhersehbar.