Diesel-Gipfel: Wer zahlt für saubere Luft?
27. November 2017Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat erneut zu einem kommunalen Diesel-Gipfel geladen. Gemeinsam mit Vertretern von rund 30 Kommunen will sie über Maßnahmen beraten, mit denen die Luft in deutschen Städten sauberer werden soll. Dafür hatten sich die Bundesregierung und die Automobilindustrie auf einen Förderfonds von einer Milliarde Euro geeinigt. Doch dass dieses Geld wirklich kommt, und ob die Auto-Branche ihren Teil dazu beiträgt, ist keinesfalls gewiss. Aber selbst wenn, sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, würde eine einmalige Finanzspritze nicht reichen.
Deutsche Welle: Was sind Ihre Anliegen auf dem Diesel-Gipfel?
Helmut Dedy: Ein wichtiges Anliegen ist, dass der Eine-Milliarde-Topf, über den im September schon einmal gesprochen wurde, endlich ausgeschüttet wird. Viele Städte wollen kurzfristig mit Sofortmaßnahmen zur Luftreinhaltung loslegen können. Außerdem wollen wir, dass die Bundesregierung signalisiert, dass sie Verantwortung übernimmt - auch perspektivisch über diesen Tag hinaus.
Wie könnte dieses Signal aussehen?
Die Bundesregierung sollte uns zunächst einmal entsprechende Informationen über die Software-Updates zukommen lassen, die die Automobilindustrie zugesichert hat. Wir wissen bisher überhaupt nicht, ob die im Ergebnis tatsächlich etwas bringen. Die Autoindustrie ist hier ganz entscheidend in der Pflicht. Von ihren Maßnahmen hängt ganz wesentlich ab, ob wir in den Städten eine Chance haben, die Grenzwerte überhaupt einzuhalten.
Außerdem werden wir von Seiten der Städte deutlich machen, dass wir nicht in der Rolle des Bittstellers sind, sondern dass wir auf Augenhöhe über die Lösung eines Problems mit der Bundesregierung sprechen. Immer nur mal ein bisschen Information reicht nicht.
Was lässt sich mit einer Summe von einer Milliarde Euro überhaupt bewegen?
Erstmal wissen wir noch nicht, ob wir wirklich eine Milliarde bekommen. Die Bundesregierung hat gesagt, ein Teil davon müsse von der Autoindustrie kommen. Uns ist es egal, wie sich der Bund mit der Autoindustrie verständigt, aber wir brauchen das Geld komplett. Mit der Summe lassen sich erste Anstöße geben. Die betroffenen Städte haben ganz konkrete Maßnahmen vorgeschlagen. Man kann die Nutzung von von Bussen und Bahnen attraktiver machen und dafür umweltfreundliche Fahrzeuge einsetzen. Außerdem könnte man verkehrslenkende Maßnahmen ergreifen, die dazu führen, dass weniger Stickstoffdioxid anfällt. Wir müssen über Radverkehr und Mobilitätskonzepte reden.
Das Geld reicht allerdings nicht, um die Verkehrspolitik umzustellen. Deshalb fordern wir, dass der Bund in der Finanzierungsverantwortung für den öffentlichen Personennahverkehr bleibt.
Wie sieht diese Finanzierungspflicht konkret aus?
Der Bund verabschiedet sich 2020 aus der Finanzierungspflicht und will das Projekt nachhaltige Mobilität in Deutschland den Ländern überlassen. Doch dieses Projekt ist viel zu groß, um es allein zur Ländersache zu machen. Der Bund muss schlicht mit in der Finanzierungsverantwortung für den öffentlichen Personennahverkehr bleiben.
Könnten Sie nicht auch ohne das Geld der Bundesregierung mit dem Umsetzen Ihrer Vorschläge beginnen?
Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (die nationale Förderbank KfW, d. Red.) schätzt das kommunale Investitionsdefizit auf rund 126 Milliarden Euro. Auf den Verkehrsbereich entfallen davon etwa 34 Milliarden Euro. Die Kommunen insgesamt in Deutschland investieren pro Jahr gerade einmal rund 25 Milliarden Euro. Es wird deutlich, dass wir schon diesen Investitionsstau nicht allein mit unseren Mitteln auflösen können. Also allein, ohne Bundesmittel, sehe ich nicht, dass wir diesen Weg gehen können.
Welchen Anteil trägt die Autoindustrie an der Milliarde?
Beim ersten Diesel-Gipfel im August hatte man sich insgesamt auf eine halbe Milliarde verständigt, wovon die Hälfte der Bund und die andere Hälfte die Autoindustrie zahlen sollte. Beim kommunalen Gipfel im September hat Frau Merkel den Topf dann auf eine Milliarde verdoppelt, mit nach wie vor 250 Millionen Euro von der Automobilindustrie. Ohne dass die Unternehmen bisher die Mittel in dieser Höhe zur Verfügung gestellt haben.
Das ist für uns morgen aber auch nicht relevant. Die Bundesregierung hat eine Milliarde in Aussicht gestellt, wir erwarten deshalb, dass sie dafür gerade steht, dass es auch eine Milliarde gibt.
Sie sagen, ob die Autoindustrie sich beteiligt an der Milliarde oder nicht, sei für Sie nicht relevant. Haben Sie trotzdem eine grundsätzliche Forderung an die Autoindustrie?
Ja, schließlich haben die Städte den ganzen Schlamassel nicht verursacht. Daran ist zum einen die hohe Zahl der Diesel-Pkws schuld und zum zweiten die Tatsache, dass bei den Grenzwerten geschummelt wurde. Deshalb fordern wir zu überprüfen, ob die Software-Updates wirklich helfen. Wenn sie nicht helfen, müssen die Motoren nachgerüstet werden, das ist eindeutig die Pflicht der Autoindustrie. Weiterhin muss sie dafür sorgen, dass bei Neuzulassungen die Grenzwerte eingehalten werden. Da sollte ihr allerdings jemand auf die Finger schauen. Derjenige, der die Hauptverantwortung an dem Problem trägt, sollte dazu beitragen, dass wir die Mittel zur Lösung des Problems bekommen. Ich fände es staatspolitisch schon extrem bemerkenswert, wenn sich die Autoindustrie aus dieser 250-Millionen-Zusage wieder herausziehen könnte.
Helmut Dedy vertritt als Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags die Interessen von Städten und Kommunen auf dem Diesel-Gipfel am 28. November 2018.
Das Interview führte Julia Vergin.