Die Zukunft der Volksfeste
Kirmes, Weinfest, Frühlingsfest - Anlässe gibt es viele, in Innenstädten und auf Festwiesen zu feiern. Spätestens nach dem Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt stellt sich die Frage: Feiern wir künftig hinterm Zaun?
Schieben, schlemmen, staunen
Ob Oktoberfest oder Weihnachtsmarkt - deutsche Feste sind weltweit ein Exportschlager. Der Deutsche Schaustellerbund (DSB) freut sich über mehr als 235 Millionen Besuche pro Jahr im ganzen Land. Mehr als jeder dritte dieser Besuche führt auf Weihnachtsmärkte.
Fast 1200-jährige Tradition
Das Lullusfest in Bad Hersfeld soll das älteste deutsche Volksfest sein. Im Jahr 852 feierten es die Menschen erstmals in Erinnerung an den Stadtgründer. Das Feuer darf während des gesamten Festes auf keinen Fall ausgehen. Trotz der tief verankerten Tradition ist die deutsche Volksfestkultur noch nicht Teil des immateriellen Kulturerbes der UNESCO. Der Antrag wurde Ende 2014 abgelehnt.
"Einmal Karussell für die ganze Familie, bitte"
Und schwupps, 20 Euro sind locker weg. Zwar sind Volksfeste per se kostenfrei, doch eine Familie, die ein paar Runden Karussell fährt und sich Leckereien wie Mandeln und Bratwurst kauft, landet schnell bei den Rummel-Ausgaben im dreistelligen Bereich. Für denselben Betrag geht's per Billigflieger auch ins Ausland. Diesen Preisdruck spüren die Schausteller.
Kleine Feste gefährdet
Der DSB schätzt, dass die Zahl der Volksfeste in den vergangenen Jahren von 12.000 auf 10.000 gesunken ist. Die Schuld dafür sieht der Bund auch bei Politikern, die nach zwei bis drei Jahren mit schlechteren Besucherzahlen Feste aufgeben - obwohl manchmal eine jahrhundertealte Tradition dahinter steckt.
19. Dezember - die Zäsur
Ein Attentäter rast mit einem LKW in einen Berliner Weihnachtsmarkt. Ein Ereignis, das auch Schausteller tief erschüttert hat, wie DSB-Präsident Albert Ritter sagt. Er sei dankbar für die Äußerungen von Politikern, dass das Feiern von Volksfesten ein tiefer Ausdruck der gelebten Demokratie sei. Die Schausteller wollen das umsetzen.
Sicherheitskonzepte überdenken
Nach dem LKW-Attentat in Nizza hatte der Deutsche Schaustellerbund errechnet, dass allein in Nordrhein-Westfalen zwei Millionen Euro für Sicherheitsmaßnahmen bei Volksfesten ausgegeben werden müssten. Der DSB fordert, dass die Schausteller mit den Kosten nicht alleine gelassen werden dürfen und dass die Maßnahmen nicht ausufern.
Totalumzäunung - Nein, danke!
"Aus Festen dürfen keine Festungen werden", mahnt DSB-Präsident Albert Ritter. Einen Zaun um ein gesamtes Festgelände wie beim Oktoberfest 2016 lehnen die Schausteller ab. "Wir können nicht Veranstaltungen mit Millionen von Besuchern so behandeln, als würden wir jeden Einzelnen in eine Diskothek einlassen." Das verderbe den Charakter der Veranstaltung und berge Sicherheitsrisiken, etwa bei Feuer.
Tradition und Markenkern
Um weiter bestehen zu können, dürfen Volksfeste nicht beliebig sein, meint DSB-Hauptgeschäftsführer Frank Hakelberg. "Es besteht die Gefahr, dass sie zu Fress- und Saufmeilen verkommen." Ein Markenkern - heiße Trends sind Nostalgie und historische Fahrgeschäfte - und der Charakter des Familienfestes seien wichtig.
Neue Zielgruppe: Die Generation Ü60
Gerade die Kombination "Großeltern mit Enkel" findet der DSB für Rummel und Kirmes spannend. Doch um die wirklich ansprechen zu können, müssten die Veranstaltungen seniorenfreundlicher werden, meint Hakelberg. Dazu gehören bequeme Zuwege - und Sitzgelegenheiten - nicht nur im Autoscooter.
Tradition wird weiterleben
Über die Zukunft der Schaustellerei macht sich der DSB keine Sorgen. Viele Buden seien Familienbetriebe, oft in der fünften oder sechsten Generation; der Nachwuchs hilft von klein auf mit. Trotz der Sicherheitslage erwartet der Schaustellerbund stabile Besucherzahlen: "Die Menschen sind gekommen und haben das Miteinander gepflegt - auch nach Berlin."