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Die Zahl neurologischer Erkrankungen ist in Afrika sehr hoch

Fred Schwaller
22. März 2024

Weltweit leben etwa 43 Prozent der Bevölkerung mit einer neurologischen Erkrankung. Das entspricht 3,4 Milliarden. Warum sind die Raten in Afrika am höchsten, und wie gehen Länder mit dem Problem um?

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Drei Kongo-Pygmäen - ein Junge und zwei Erwachsene
Häufigkeit und Schweregrad neurologischer Erkrankungen sind in Afrika sehr hochBild: Marco Simoncelli

Die Prävalenz neurologischer Erkrankungen ist in Afrika sehr hoch und hat verheerende Auswirkungen auf die örtlichen Gemeinschaften.

"Psychische Gesundheit und neurologische Erkrankungen werden in Kenia oft missverstanden", sagt Penny Wangari-Jones, Gründungsmitglied von Hidden Voices , einer in Kenia ansässigen Wohltätigkeitsorganisation für psychische Gesundheit. "Die Menschen werden oft in Kirchen gebracht, um dort für sie zu beten oder man sagt ihnen, sie seien besessen. Viele Patienten werden vernachlässigt, in Häuser eingesperrt oder in Anstalten zurückgelassen, um zu Sterben. Es ist erschütternd."

Neurologische Erkrankungen sind heute weltweit die häufigste Krankheitsursache - etwa 3,4 Milliarden Menschen leben mit neurologischen Problemen. Im Vergleich zu anderen Regionen sind neurologische Erkrankungen in Afrika südlich der Sahara unverhältnismäßig häufig.

50 Prozent der Menschen, die in Afrika eine Notaufnahme aufsuchen, haben irgendeine Art von neurologischer Beeinträchtigung. Die Zahl neurologischer Erkrankungen ist oft doppelt so hoch wie in Regionen mit höherem Einkommen. Die Prävalenz von Epilepsie zum Beispiel ist in Afrika südlich der Sahara zwei- bis dreimal so hoch wie in Europa.

"Da es oft keine Gesundheitsdienste oder Anlaufstellen für die Menschen gibt, haben die örtlichen Gemeinschaften keine Möglichkeit, sich um Menschen mit neurologischen oder psychischen Erkrankungen zu kümmern", so Wangari-Jones gegenüber DW.

Klinik in der Zentralafrikanischen Republik - Zimmer mit mehreren Betten
Die meisten Regionen in Afrika haben einen Mangel an medizinischem PersonalBild: BARBARA DEBOUT/AFP/Getty Images

Warum gibt es in Afrika so viele neurologische Erkrankungen?

Die wichtigsten Faktoren, die zu neurologischen Erkrankungen beitragen, sind Schlaganfall, neonatale Enzephalopathie (Hirnverletzungen), neuropathische Schmerzen oder Nervenschmerzen, Alzheimer und andere Formen von Demenz.

Ein Grund für die höhere Prävalenz in Afrika sind Infektionskrankheiten wie HIV, Meningitis und Malaria. Sie können neurologische Komplikationen wie Enzephalitis - eine Entzündung des Gehirns - verursachen.

Laut Jo Wilmshurst, Leiter der pädiatrischen Neurologie am Red Cross War Memorial Children's Hospital im südafrikanischen Kapstadt, sind die Probleme jedoch auch auf verschiedene sozioökonomische und gesundheitspolitische Faktoren zurückzuführen.

"Es kann sein, dass ein Kind [mit neurologischen Erkrankungen] eher in einem Umfeld geboren wird, das sozioökonomisch benachteiligt ist und die Mutter möglicherweise mit HIV infiziert ist. Sie könnten auch Tuberkulose haben. Und dann gibt es noch all die Probleme mit dem Zugang zu Therapien", so Wilmshurst.

Neurologische Probleme begännen oft schon vor der Geburt, fügt sie hinzu. Komplikationen oder Infektionen während der Geburt können zu bleibenden neurologischen Schäden führen. Der Mangel an Neonatologen, die sich um Neugeborene kümmern, bedeutet, dass die Schäden oft nicht rechtzeitig diagnostiziert oder behandelt werden, um dauerhafte neurologische Schäden zu verhindern.

"Dann ist da noch die Gesundheit von Müttern. In Westkap haben wir pandemische Ausmaße von Toxinbelastung durch das fetale Alkoholsyndrom [FASD]. Dieses verursacht bei Kindern neurologische Störungen", erklärt Wilmshurst.

Abwanderung medizinischer Fachkräfte stoppen

Derzeit gibt es in Afrika nicht genügend Fachärzte und anderes medizinisches Personal, um das Ausmaß an neurologischen Erkrankungen zu bewältigen. Das gilt auch für die Belastung, die dadurch entsteht.

"Das Hauptproblem ist, dass die Ausbildung von Fachärzten in Afrika nicht richtig Fuß gefasst hat. Man kann die höchste Prävalenz neurologischer Erkrankungen in Regionen feststellen, in denen es keine Neurologen gibt", so Wilmshurst.

Die Zahl der Neurologen in den afrikanischen Ländern unterscheidet sich auffallend von der in Europa: In Afrika kommen auf 100.000 Einwohner 0,03 Neurologen, in Europa sind es 8,45 Neurologen pro 100.000.

Wilmshurst konstatiert, dass sich die Dinge verbessern. Der Ausbau neurologischer Dienst habe auch in Afrika begonnen. Dazu gehört auch die Ausbildung von Fachärzten.

"Wir nehmen für die Dauer von zwei Jahren einen Kliniker [aus Afrika] auf und machen mit ihm [in Südafrika] eine intensive Ausbildung. Der erste von ihnen, der nach Tansania zurückgekehrt ist, war der erste Kinderneurologe im ganzen Land", erzählt Wilmshurst.

Obwohl das Programm in den letzten 16 Jahren nur etwa 200 Fachärzte ausgebildet hat, ist die Wirkung enorm.

"Einer unserer Auszubildenden ist zurück nach Kenia gegangen, wo er sich für die Einführung der Rotavirus-Impfung eingesetzt hat. Wir wissen, dass die Sterblichkeitsrate auf Grund von Komplikationen mit dem Rotavirus dann drastisch gesunken ist. Er hat dort ein paar Millionen Leben gerettet", sagt Wilmshurst.

Zusammenarbeit im Kampf gegen neurologische Erkrankungen

Wangari-Jones ist der Auffassung, dass es bei der Bekämpfung belastender neurologischer Erkrankungen wichtig ist, die verschiedenen Hilfsprogramme in die örtliche Gemeinschaft zu integrieren.

"Es gibt viele Ängste und Befürchtungen bezüglich der Medikamente oder der modernen Medizin. Sie sind oft auf ein Trauma aus der Kolonialzeit zurückzuführen. Eine der Herausforderungen besteht darin, bei neurologischen Erkrankungen nicht zu sehr auf Medikamente zu setzen. Die Menschen könnten sich sonst von der ursprünglichen Art entfernen, wie in den Kommunen Menschen gepflegt werden."

Wangari-Jones arbeitet mit Hidden Voices daran, Stigmatisierung und Ängste im Zusammenhang mit neurologischen und psychischen Erkrankungen abzubauen. Deshalb spricht sie oft vor Kirchengruppen in Kenia und in Schulen.

"In diesen Gesprächen erzählen die Menschen oft von ihren Problemen und von Vorfällen, die Familienmitglieder betreffen. Auf diese Weise erreichen wir die Menschen in der Gemeinde und helfen ihnen, Zugang zu Gesundheits- und Sozialdiensten zu erhalten", sagt sie.

Das Gesundheitswesen ist für Wilmshurst ebenfalls ein wichtiges Thema, zu dem sie spezielle Trainingsprogramme organisiert. Die Gesundheit der Bevölkerung ist dabei ein wichtiges Ziel. Gesundheits- und Pflegepersonal der Gemeinden werden darin geschult, neurologische Krankheiten zu erkennen und zu behandeln. Das geschieht oft im Rahmen bestehender Programme für HIV- oder Tuberkulosebehandlung.

"Die Menschen in Afrika sind vielbeschäftigt", sagt Wilmshurst. "Die Arbeitsbelastung ist enorm und es gibt viele Verpflichtungen. Der einzige Weg, die Situation zu ändern, besteht darin, Lösungen zu finden, die in der betreffenden Arbeitsumgebung machbar und anpassungsfähig sind."

 

Quellen:

Nervous System Disorders Collaborators (2024). Global, regional, and national burden of disorders affecting the nervous system, 1990-2021: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2021. Lancet Neurology. DOI: 10.1016/S1474-4422(24)00038-3