Die Weltkunstschau - 60 Jahre documenta
Die documenta kommt in ein reifes Alter und hat ihre Spuren im Stadtbild Kassels hinterlassen. Die 7000 Eichen, die Beuys 1982 pflanzte, sind geblieben, genauso wie der berühmte Himmelsstürmer. Wir blättern zurück...
Landschafts-Kunst
Schräges gehört ebenso zur documenta. Auch das Außengelände der umliegenden Parks wird von den Künstlern mit bespielt. Speziell für diesen Aussichtspunkt hat die Künstlergruppe Haus-Rucker-Co. 1977 einen stählernen Bilderrahmen angefertigt. Imaginäre Raumarchitektur als Skulptur, beliebtes Fotomotiv bei Kunstbetrachtern aus aller Welt.
Künstlerische Intervention
Die documenta setzt seit ihren Anfängen auf gezielte Provokation. Irritationen, ungewöhnliche Formate und nachhaltige Gedanken-Anstöße gehören zum Konzept. Der französische Künstler Piere Hughes lässt 2012 seinen spanischen Windhund "Human" als lebendes Kunstwerk durch den Kasseler Park laufen. Eine offenbar anstrengende Tätigkeit im Dienste der Kunst...
Rückkehr der Abstraktion
Der Star der ersten documenta 1955 ist Henry Moore. Der britische Bildhauer war dem deutschen Publikum nach den Jahren der nationalsozialistischen Isolation kaum bekannt. Theodor Heuss (re.), der erste Bundespräsident der jungen Bundesrepublik, staunt über die abstrakten Bronzefiguren. Alexander Calder ist mit seinen riesigen Mobiles Publikumsliebling der ersten documenta-Schau in Kassel.
Pop Art aus Amerika
Das Jahr 1968 markiert einen Umbruch in der Geschichte der documenta. Wilde Happenings, Blutorgien des Aktionskünstlers Nitsch, verpackte Luft von Christo und vor allem die amerikanische Pop Art sorgen für Aufruhr in der beschaulichen Provinzstadt Kassel. Popikone Andy Warhol (Foto) ist mit serieller Grafikkunst ("Marilyn") vertreten: das Banale der Alltagswelt als Kunst, das ist neu.
Hyperrealismus
Die documenta 5 gilt als eine der innovativsten Kunstausstellungen weltweit. Aber 1972 ist die Zeit noch nicht reif dafür, die Ausstellung wird als Skandal empfunden: zu teuer, zu unverständlich die Kunst. Es hagelt Kritik am Ausstellungskonzept von Harald Szeemann, der amerikanische Fotorealisten wie Chuck Close und hyperrealistische Skulpturen von Duane Hanson (Foto) nach Kassel holt.
Vertikaler Erdkilometer
Der US-Amerikaner Walter de Maria hatte schon 1972 mit einem künstlerischen Projekt für Aufregung gesorgt. Auf der documenta 6 ruft er wahre Proteststürme herauf. Die Botschaft seiner documenta-Arbeit "Der vertikale Erdkilometer", eines im Boden versenkten Messingstab von fünf Zentimetern Durchmesser, ist nicht zu vermitteln. Leiter Manfred Schneckenburger hat Mühe den Unmut zu kanalisieren.
7000 deutsche Eichen
1977 baut der Künstler Joseph Beuys auf der documenta eine "soziale Plastik", die berühmte "Honigpumpe" auf. Seine Kunst ist sehr politisch: die umstrittene Arbeit sorgt als Spiegelbild des gesellschaftlichen Kreislaufs, dem "Herzensnahrung" fehlt, für heftige Debatten. International Furore macht er 1982 mit seiner Kunstaktion "7000 Eichen", neben jedem gepflanzten Baum eine Granitstele.
Himmelsstürmer
"Man walking to the Sky" hat der Künstler Jonathan Borofsky seine Arbeit für die documenta IX genannt. Ein künstlerisches Wagnis: eine labile, Wind und Wetter ausgesetzte Skulptur mitten in der Stadt zu installieren. 1992 wird sie als populärstes Kunstwerk zum Wahrzeichen der documenta. Sie ist Kassel erhalten geblieben. Spenden und großzügige Sponsoren machten einen späteren Ankauf möglich.
Erste documenta-Chefin
Schon vor ihrem Antritt ruft die Leiterin der documenta X im Jahr 1997, Catherine David, größere Debatten in der Kunstwelt hervor. Sie lässt sich nicht vom Gegenwind der Presse beirren, setzt mit ihrer Künstlerauswahl eindeutige Akzente - und erzielt Besucherrekorde. Mehr als 630.000 Besucher wollen ihre Kunstschau sehen. Das Internet ist als Ausspielplattform für Kunst zum ersten Mal dabei.
Kunstaktion: 1001 Chinesen
Ungewöhnlich und hoch poetisch: der chinesische Künstler Ai Weiwei lässt auf der documenta 12 2007 mehr als tausend Chinesen nach Deutschland anreisen. Für seine spektakuläre Kunstinstallation "Fairytale" laufen sie als lebender Installationsteil jeden Tag durch Kassel. Wohn- und Schlafräume sind der Teil der Kunst und werden von den irritierten Besuchern bestaunt: Ist das Kunst?
Globalisierte Kunst
Die documenta 13 ist in vieler Hinsicht ein Kunstfestival der Rekorde. Fast 300 teilnehmende Künstler aus Ländern des Ostblocks, Lateinamerika, Asien und Afrika hat Leiterin Carolyn Christov-Bakariev 2012 eingeladen. Die Globalisierung der Kunst ist auch in der Installation "Time/Bank" des Künstlerduos Julieta Aranda (Mexiko) und Anton Vidokle (Russland) das Thema - die Zukunft der documenta.
Was von der documenta übrigblieb...
Alle fünf Jahre durchströmt ein umtriebiges Kunstpublikum die Stadt Kassel. Mehr als 830.000 Besucher schauen sich die Weltkunstschau bei der letzten documenta 13 an, für die Einheimischen nicht immer ein Vergnügen. Erst wenn die Besucherströme nachlassen, haben auch die Bürger wieder Zeit für Kunstbetrachtung: die Skulptur "Idee di Pietra" von Guiseppe Penone bleibt für immer in Kassel.