Die Welle
13. März 2008Wäre eine Diktatur wie zu Zeiten des Nationalsozialismus in Deutschland erneut möglich? Dieser Frage geht der Film "Die Welle" nach, der am Donnerstag (13.03.2008) in den deutschen Kinos anläuft. Die Geschichte basiert auf dem so genannten "The Third Wave"-Experiment, das 1967 tatsächlich an einer US-Highschool stattfand und 1981 von Morton Rhue in seinem Jugendbuchklassiker "Die Welle" aufgegriffen wurde.
Damals hatte Lehrer Ron Jones im kalifornischen Palo Alto mit seiner Klasse versucht eine Struktur zu etablieren, die langsam diktatorische Züge annimmt, um so zu beweisen, dass der Nationalsozialismus sich zu jeder Zeit und in jedem Land wieder entfalten könnte. Das Experiment geriet schnell außer Kontrolle und wurde nach fünf Tagen abgebrochen.
Wer nicht mitmacht, wird ausgeschlossen
In Dennis Gansels Film verkörpert Jürgen Vogel den Lehrer Rainer Wenger, der in einer Projektwoche an einem fiktiven deutschen Gymnasium zusammen mit seinen Schülern die Idee der Welle entwickelt. "Macht durch Disziplin", "Macht durch Gemeinschaft" und "Macht durch Handeln" lautet sein Credo - und es funktioniert.
Angespornt von dem Gemeinschaftsgefühl ordnen sich die Schüler begeistert unter. Sie nennen sich "Die Welle", tragen weiße Hemden und haben sogar einen eigenen Gruß und ein Logo. Wer nicht mitmacht, wird ausgeschlossen. Nur wenige Jugendliche wie Karo (Jennifer Ulrich) sehen eine Gefahr und haben den Mut, sich dagegen aufzulehnen. Als bei einem Wasserballturnier Gewalt ausbricht, stellt auch Wenger schockiert fest, dass sein Versuch außer Kontrolle geraten ist - doch das ist fast schon zu spät.
So realitätsnah Jürgen Vogel den Lehrer spielt, der als überzeugter Anarchist in der Projektwoche der Schule Autokratie erklären muss und fast selbst von der Motivationswelle davongetragen wird, so sehr schaden dem Film seine unnötigen Klischees. Lehrer Wenger lebt auf einem Hausboot und trägt ein T-Shirt der Punkband "Ramones" - kurz, er ist ein Muster antispießiger Spießigkeit.
Außerdem sind unter den Schülern sämtliche Typen vertreten: Es gibt den schüchternen Waffenfan, der unter dem autoritären Vater leidet; die antiautoritäre Familie, in der ein 13-Jähriger schon rauchen darf und die reichen Eltern, die Zeit durch Geld ersetzen. Seine Zielgruppe hat der Film genau im Blick: Die schnellen Schnitte im MTV-Stil und die laute Rockmusik sorgen für Aufmerksamkeit.
Offene Fragen
Doch alles in allem will Gansel zu viel. Er liefert zu deutliche Bilder für den gesellschaftlichen Nährboden autoritären Denkens und lässt die etwas rätselhaften psychologischen Entwicklungen in den Hintergrund treten. Der Versuch, das, was ihn schon bei seinem Film über die Nazi-Eliteschule "Napola" interessierte - die Faszinationskraft des Faschismus - in die Gegenwart zu übertragen, ist an den Ecken des Zeitgeistes hängengeblieben.
Anders als in "Napola" gelingt es Gansel in seinem neuen Werk nicht, den Sog der Verführung durchgängig glaubwürdig zu vermitteln. So bleibt letztendlich im Dunkeln, was die Schüler an der Welle fasziniert. Erst gegen Ende gewinnt die Handlung an Fahrt - wenn sich "Die Welle" verselbständigt und die Schüler ihren Gefühlen freien Lauf lassen. (fmg)