Die Wahrheit über den Klimakiller Kohle
4. Juni 2015Stein- und Braunkohle stinken und machen krank: Das Gemisch aus Schwefeldioxid, Stickoxiden, Feinstaub und giftige Schwermetallen wie Quecksilber, Blei, Cadmium, Arsen kann zu Erkrankungen der Atemwege, Lungenkrebs und Herzinfarkt führen. Mehr als 18.000 Menschen sterben jährlich in der Europäischen Union (EU) an den Folgen der Luftverschmutzung durch Kohleförderung und -kraftwerke. Das hat die Health and Environment Alliance (HEAL) errechnet. Die Gesundheitssysteme in den EU-Staaten werden dadurch mit 48 Milliarden Euro belastet.
Anwohner von Bergbaugebieten beklagen Risse an Gebäuden und Straßen. Grundwasser senkt sich ab. Durch die Förderung zur Strom- und Wärmegewinnung werden Menschen aus ihrer Heimat vertrieben, ganze Landstriche zerstört. Nicht zuletzt werden die Menschenrechte verletzt durch unzureichende Sicherheitsvorkehrungen und unwürdige Arbeitsbedingungen in den Tagebauen. Diese Fakten sind im 48-seitigen Kohleatlas nachzulesen.
Informationswerk für Politiker und die Öffentlichkeit
Das gesamte Spektrum der Kohlekraft - inklusive Nebenwirkungen - haben die Umweltorganisation BUND und die Heinrich-Böll-Stiftung in Texten, Bildern, Grafiken dargestellt. Die Herausgeber haben diese aus verschiedene Quellen bezogen: dem Internationalen Währungsfonds (IWF), dem Umweltbundesamt und Nichtregierungsorganisationen. "Wir haben die Fakten nach bestem Wissen akribisch zusammengetragen. Die Informationen sind für jeden, der sich für Kohle und Energie interessiert, für Schulklassen, aber auch für einzelne Personen ist die Broschüre produziert worden", sagt Tina Löffelsend. Der Zeitpunkt ist mit Bedacht gewählt. Bundeskanzlerin Merkel hat angekündigt, das Klima auf die Agenda des G7-Gipfels zu heben", fügt die Energie-Expertin beim BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) hinzu.
Kohlaatlas als politisches Statement
Wenige Tage vor Beginn des Treffens der sieben größten Industrienationen im bayerischen Elmau - zeitgleich zu den internationalen Klimaverhandlungen in Bonn und mit Hinblick auf die entscheidende UN-Klimakonferenz in Paris im Dezember - wollen die Herausgeber Politiker wachrütteln und die Öffentlichkeit aufklären. "Wir wollen die Diskussion anheizen, dass wir auf Kohle als Brennstoff verzichten müssen, wenn wir die globale Erderwärmung begrenzen wollen", betont Tina Löffelsend: "Der Atlas zeigt auf, dass wir das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, nicht erreichen werden, wenn wir uns von den fossilen Energieträgern nicht schnellstmöglich verabschieden."
Kein Land fördert mehr Braunkohle als Deutschland. Dabei ist der Wärme- und Stromlieferant nicht einmal billig, weil staatlich gefördert. "Allein in Deutschland wurde das Geschäft mit Kohle seit 1950 mit über 350 Milliarden Euro subventioniert", sagte Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung bei der Vorstellung des Kohleatlas.
Abgabe statt Abkehr von der Kohleförderung
Die Verbrennung ist nicht einmal effizient. Der Wirkungsgrad der Kohlekraftwerke beträgt meist nicht mehr als 40 Grad. 60 Prozent der Energie wird in die Luft geblasen. Das macht umgerechnet 15,5 Milliarden Tonnen CO2 und damit ein Viertel der jährlichen Treibhausgas-Emissionen aus.
Zwar kündigte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eine Klimaabgabe für Kohlekraftwerke an, um dadurch 16 Millionen Tonnen CO2 einzusparen. Ursprünglich wollte Gabriel 22 Millionen Tonnen einsparen, doch damit scheiterte er an der Lobby von Industrie und Gewerkschaften. Wie halten es die größten Energiekonzerne mit der Klimaverantwortlichkeit? Auch hier hat der Kohleatlas Antworten.
Barbara Unmüßig, Vorstandsmitglied der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung fordert die Stilllegung von Kohlekraftwerken: "Wenn wir das globale Klimaziel erreichen wollen, müssen wir nahezu 90 Prozent der gesicherten Kohlevorkommen in der Erde lassen."
Doch auch in anderen Ländern wird die Kohlewirtschaft mit Steuergeldern am Laufen gehalten. Besonders Indien setzt auf Kohle, China verfügt über große Vorkommen, hat aber angekündigt wie die USA und Portugal die Kohleverstromung zurückzufahren.
Weitere Ausgaben geplant
Vor der Weltklimakonferenz in Paris soll der Kohleatlas auf Englisch erscheinen. Außerdem planen BUND und Heinrich-Böll-Stiftung weitere Ausgaben. "Polen und Tschechien haben neben Deutschland die größten Braunkohlefördergebiete in Europa. Die Kohle ist dort auch in der Diskussion. Das wollen wir untermauern", so Tina Löffelsend, vom BUND.