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Die Tadschikische Teestube

Tam Eastley22. März 2013

Die kultigen Orte Berlins, so scheint es, weichen einer nach dem anderen der Gentrifizierung. Die Tadschikische Teestube trotzt dieser Entwicklung. DW-Reporterin Tam Eastley stellt ihren Geheimtipp vor.

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Tadschikische Teestube in Berlin. Copyright: DW/Tam Eastley
Tadschikische Teestube in BerlinBild: DW/T. Eastley

Vor zwei Jahren, im Winter, hatte ich zum ersten Mal von der Tadschikischen Teestube gehört. Sie sei schwer zu finden; ein Raum in einem versteckt gelegenen, palastähnlichen Gebäude. Dort gebe es Märchenlesungen und Teespezialitäten aus der ganzen Welt. Meine Neugier war sofort geweckt.

Noch neugieriger wurde ich, als ich zu recherchieren begann: Die Teestube wurde zum ersten Mal 1974, auf der Leipziger Frühjahrsmesse im Sowjetischen Pavillon, ausgestellt. Nach der Messe wurde sie abgebaut und der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft der DDR geschenkt. So kam die Teestube von der Tadschikischen Sozialistischen Sowjetrepublik über Leipzig nach Berlin und zog in das Palais am Festungsgraben ein.

Ein Ort, den ich unbedingt kennenlernen wollte. Eines kalten, regnerischen Winterabends war es dann so weit. Ich machte mich auf zum Palais am Festungsgraben, durch die riesige massive Holztür hindurch und die Marmortreppe hinauf. Meine Schritte hallten in den menschenleeren Korridoren wider. Eine Tür, davor ein Berg von Schuhen, signalisierten mir, dass ich hier richtig war. Drinnen Perserteppiche, Sitzkissen und kleine, niedrige Tische. Die Leute lagen und saßen, aßen im Kerzenschein genüsslich Pirogen, Blini und Rumrosinen, und über allem schwebte die Stimme von Marlene Dietrich. Was für ein Szenario, mitten in Berlin.

Ein populärer Geheimtipp

An den Wänden farbenfrohe Gemälde von Teezeremonien im ländlichen Tadschikistan. Kunstvoll geschnitzte Säulen aus Sandelholz streckten sich zur Decke, ebenfalls aus Sandelholz. Alles zusammen ein Kunstwerk, filigran und detailversessen. Aus scheinbar unendlich vielen Teesorten wählte ich den Rosenblütentee und ließ mich auf einem Sitzkissen nieder. Ich sah aus dem Fenster und hätte schwören können, da schweben gerade die ersten Schneeflocken des Winters auf Berlin hernieder.

In fast jedem Reiseführer oder Blog wurde die Teestube erwähnt. Und trotzdem blieb sie ein gut gehütetes Geheimnis. Denn sie war unsichtbar. Von außen konnte man sie nicht sehen. Und es gab auch keine auffälligen Schilder, die auf sie aufmerksam gemacht hätten. Man fand sie nur, wenn man wusste, dass es sie gab. Am Ende waren es doch so viele, dass die nächtlichen Märchenlesungen ausverkauft waren und man an manchen Wochentagen ohne Reservierung gar nicht erst versuchen musste, einen Platz in der Teestube zu bekommen.

Tadschikische Teestube in Berlin. Copyright: DW/Tam Eastley
Mit viel Aufwand neu gestaltet: die Teestube im KunsthofBild: DW/T. Eastley

Dann plötzlich, am 30. April 2012, war Schluss. Berlins Teeliebhaber fielen in Trauer. Ein weiterer Kultort Berlins: einfach verschwunden. Es folgte ein Sommer ohne Tee und ohne Teestube. Und dann, still und heimlich, Ende November 2012, öffnete sie erneut an einem anderen Ort: im Kunsthof auf der Oranienburger Straße. Gerüchte um die Schließung hatte es viele gegeben, der wahre Grund jedoch war unspektakulär: Die Pacht war ausgelaufen, das Palais sollte restauriert werden, und die Teestube musste schlichtweg eine neue Bleibe finden.

Wieder zu Hause

Seitdem heißt es wieder Schuhe ausziehen, auf einem Sitzkissen an einem der niedrigen Tische Platz nehmen und: genießen. Der Umzug ist gelungen. Die Wände erstrahlen in demselben Blaugrün wie zuvor, und auch hier strecken sich die Sandelholzsäulen nach der Sandelholzdecke. Alle Details - ob Gemälde, Teppiche, Tische, sogar die Samowars, die die Wandnischen schmücken, bis zum Kerzenschein der Laternen - alles ist so wie vorher.

"Das war der Plan", erzählt Aris Papageorgiou. Seit 1997 ist die Teestube in Besitz seiner Familie. Papageorgiou ist Grieche und kam 1975 nach Berlin. Er spricht mit einer ruhigen, warmen Stimme und erklärt, wie aufwendig es war, die Teestube detailgetreu wiederaufzubauen. Er zeigt auf die hellbraunen Holzsäulen, die in Einzelteilen per Schiff aus Tadschikistan angeliefert wurden. "Jedes der 3000 Holzteile wurde nummeriert." Erst im Kunsthof wurden sie wieder zusammengebaut. Für Papageorgiou machen genau zwei Dinge die Atmosphäre der Teestube aus: "Zum einen die Inneneinrichtung und die Atmosphäre. Zum anderen - und das ist sehr wichtig - der Tee und die Zeremonie, die es dazu gibt."

Tatsächlich verströmt die Teestube ein besonderes Flair. In kalten Winternächten ist es der perfekte Ort, um ein schönes, warmes Essen und eine heiße, dampfende Tasse Tee zu genießen und sich in der geselligen Atmosphäre sonderbar heimisch zu fühlen - auch wenn man die anderen Gäste eigentlich gar nicht kennt. Berliner ebenso wie Nicht-Berliner räkeln sich auf den weichen Teppichen. Fremde und Freunde sitzen dicht gedrängt um einen großen Tisch. Es ist eng, aber nicht unangenehm, und es entspinnen sich Gespräche. Ganz ungezwungen. Die Teestube bringt Menschen zusammen - die neue genauso wie die alte.

Tadschikische Teestube in Berlin. Copyright: DW/Tam Eastley
Viele halten den neuen Standort im Kunsthof für besserBild: DW/T. Eastley

Mehr internationales Publikum

Einige behaupten, die neue Teestube sei sogar noch besser. Giulia Pines - eine New Yorkerin, die in Berlin lebt - war bereits ein Fan des alten Standorts. Sie sieht in der neuen Adresse im Kunsthof aus unternehmerischer Sicht einen Fortschritt: Die großen Fenster, die auf den Innenhof hinaus gehen, machten die Teestube auch im Sommer attraktiv. Vor allem aber sei sie nun leichter zu finden, und mehr Leute würden einfach mal vorbeischauen.

Papageorgiou stimmt zu. Seit der Wiedereröffnung sei das Publikum internationaler geworden. Für Papageorgiou ist vor allem wichtig, dass der Straßenlärm draußen und die Teestube damit ein Rückzugsort bleibt. Er ist zufrieden mit der neuen Adresse, die alten Kunden seien es auch. "Sie sind total erstaunt, dass sich nichts verändert hat und die Teestube so ist wie früher."

Papageorgiou erzählt mir, dass in den sechs Monaten, in denen die Teestube geschlossen war, die Kunden immer wieder nachgefragt hätten, wann und wo sie wieder öffnen würde. 400 Mails hat er gezählt, die Telefonanrufe nicht - es waren viele. Die Teestube war und ist ohne Zweifel eine Berliner Institution, für Tee-Enthusiasten und Geheimtippliebhaber. Berlin mag eine Stadt sein, die sich ständig verändert. Was heute Kult ist, kann morgen schon verschwunden sein - so wie das Tacheless und die Bar 25. Die Tadschikische Teestube aber gehört Gottseidank zu jenen Orten, die dem Wandel der Zeit trotzen.