Die Springer-Strategie
7. August 2013"Im Zeitalter der Massen müssen auch die Publikationsmittel für das große Publikum anders gestaltet werden als in früheren Jahrzehnten", sagte Axel Springer, Sohn einer Hamburger Verlagsdynastie. Resultat seiner Überlegungen: die 1952 erstmals erscheinende "Bild"-Zeitung, die mit einer täglichen Auflage von zuletzt mehr als zweieinhalb Millionen Ausgaben eine der auflagenstärksten Zeitungen Europas ist.
Rund 60 Jahre später, Ende Juli 2013, klingt Mathias Döpfner, Vorstandschef der Axel-Springer-AG, ähnlich visionär: "Wir sind überzeugt, dass Journalismus, Werbevermarktung und das Rubrikengeschäft auch in der digitalen Welt funktionieren können." Das Ergebnis von Döpfners Überlegungen: die Parole "Online first".
Springer digital
Seit einer knappen Dekade verfolgt die Konzernspitze den Ausbau des digitalen Angebots und die Investition auf internationalen Märkten. Für das laufende Jahr nennt der Konzern drei Prioritäten: die "digitale Transformation", "digitale Abonnements" und eine entsprechende "Unternehmenskultur".
Springer will ein "digitales Medienunternehmen" werden. 3,3 Milliarden Euro Umsatz machte das Unternehmen im letzten Jahr, mehr als ein Drittel davon in der Sparte "digitale Medien". Hier steigen die Zahlen kräftig, bei gedruckten Zeitungen und Zeitschriften sinken sie.
"In Osteuropa oder in den USA finden wir Konzerne mit einer vergleichbar konsequenten Digitalisierungsstrategie", sagt der Analyst Christoph Schlienkamp vom Bankhaus Lampe. In Deutschland komme dem Konzern damit eine Vorreiterrolle zu. Wie konsequent Springer seinen Rückzug aus dem klassichen Printgeschäft verfolgt, hatte zuletzt der Verkauf eines Pakets an Regionalzeitungen für knapp eine Milliarde Euro gezeigt. Lampe rechnet damit, dass der Konzern das Geld für eine Übernahme der marktführenden Scoutgruppe einsetzen könnte. Auf deren einfach gestalteten Kauf- und Mietportalen wie Autoscout und Immobilienscout können Nutzer kostenpflichtig Kleinanzeigen schalten.
Investitionen in den digitalen Sektor
In diesem Segment ist Springer schon eine Weile aktiv. "Früher musste man den Vermieter einer Wohnung oder den Verkäufer eines Wagens kompliziert über eine Chiffre-Nummer aus der Tageszeitung kontaktieren, dann Telefonate und Briefwechsel führen", sagt der Berliner Vorstand des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Bernd Lammel, im Gespräch mit der DW. "Das Internet bietet mit seinen Verkaufsportalen, die inzwischen von Verlagen betrieben werden - in Deutschland ganz vornehmlich vom Axel Springer Verlag - direkte Verkaufsabläufe."
Diese Vorteile habe auch die Werbewirtschaft längst erkannt: In interaktiven Portalen kann zielgruppengerecht "ohne den Streuverlust einer Tageszeitung" (Lammel) geworben werden. Interaktive, also einfach bedienbare Portale bedeuten: weniger Personalkosten. Und gezieltere Werbung heißt: mehr Werbekunden.
Die Gleichung ging für Springer auf. Der Rubrikenmarkt der Springer-AG mit Internetportalen erzielte im Jahr 2012 einen Gewinn von 136 Millionen Euro - und damit mehr als die digitalen journalistischen Angebote, die mit höheren personellen Kosten verbunden sind. Für Döpfner gehören deshalb auch Seiten wie "Idealo" oder "Kaufda" zu einem Medienunternehmen, die den Vergleich von Preisen verschiedener Onlineshopping-Portale ermöglichen.
Systematische Internationalisierung
Auch das Auslandsgeschäft hat für Springer große Bedeutung, es trägt rund ein Drittel zum Konzernumsatz bei. Springer ist in fast allen Ländern Europas täglich aktiv. "Seloger", das größte Immobilienportal Frankreichs, gehört heute ebenso zum deutschen Konzern wie "Immoweb", Belgiens größtes Immobilienportal, und "Totaljobs", die größte britische Stellenbörse.
Schwerpunkt der Aktivitäten sind die Länder Mittel- und Osteuropas. Zu den Magazintiteln dort gehören die polnische und die russische Ausgabe der "Newsweek". Lizenzausgaben der "Auto-Bild"-Gruppe erscheinen in zwölf Ländern. 2006 folgten die überregionale polnische Tageszeitung "Dziennik" und die russische Ausgabe der "Computer Bild".
Gewinne mit Online, Verluste im Print
In den Augen vieler Beobachter besiegelte der Verkauf des Printpakets aus deutsche Zeitungen und Zeitschriften Springers Abkehr vom verlegerischen Kerngeschäft. Dafür war der Konzern zuletzt heftig angegriffen worden. Doch nicht alle Branchenbeobachter werten die Entwicklung des Konzerns negativ.
"Wenn ein Unternehmen sieht, dass die digitalen Umsätze in einem Jahrzehnt von quasi Null auf 50 Prozent des Gesamtumsatzes gestiegen sind, und die Profitabilität im Drucksektor und analogen Zeitungs- und Zeitschriftenvertrieb sinkt, ist es nur logisch, dass es sich auf das Wachstumssegment konzentriert", so DJV-Berlin-Chef Bernd Lammel. Die Fokussierung auf das profitablere Onlinegeschäft sei "nicht das Ende des Abendlandes, auch nicht das Ende des Journalismus - das kann sogar die Rettung des Journalismus sein".