Die schwierige Flucht der Venezolaner
Armut, Hunger und ein Regime, das keine Perspektive bietet. Mehrere Millionen Venezolaner sind aus ihrer Heimat geflohen. Etwas erinnert an Europa 2015: Bereits zwei Zielländer haben ihre Grenzkontrollen verschärft.
Sinnbild der venezolanischen Krise
Allein 30.000 und 40.000 Menschen überqueren täglich die 315 Meter Lange Grenzbrücke "Simón Bolívar" zwischen Venezuela und Kolumbien. Seit September 2015 seien rund 20 Millionen Menschen aus Venezuela in die kolumbianische Grenzprovinz "Norte de Santander" eingereist, gibt Gouverneur William Villamizar an. Gleichzeitig habe man 17 Millionen Ausreisen nach Venezuela registriert.
Das Nötigste in Kolumbien kaufen
Tatsächlich kommen die meisten Venezolaner wohl nur nach Kolumbien, um dort einzukaufen. Vor allem Grundnahrungsmittel und Medikamente sind dort selbst mit dem nahezu wertlosen Bolívar noch preiswerter zu kriegen als in Venezuela, wo er die offizielle Währung ist. Allerdings sollen drei Millionen Venezolaner die Grenze nach Kolumbien nur in eine Richtung überschritten haben.
Refugiados welcome?
Lange Zeit hat es in Kolumbien - ähnlich wie in Deutschland 2015 - eine Art Willkommenskultur gegeben. Inzwischen sei aber eine gewisse Schwelle überschritten, sagen Experten. Statt Finanzhilfen für Flüchtlinge fordern manche nun mehr Sozialprogramme für Kolumbianer. Hilfsangebote in Auffanglagern (Bild) für Venezolaner gibt es aber nach wie vor.
Weiterreise gen Süden
Offiziellen Angaben zufolge halten sich derzeit etwas weniger als eine Million Venezolaner in Kolumbien auf. Geht man von drei Millionen Eingereisten aus, müssten also rund zwei Millionen von ihnen in andere Länder weitergezogen sein. Im südlichen Nachbarland Ecuador sind allein in den ersten sieben Monaten 2018 mehr als eine halbe Million Venezolaner aus Kolumbien angekommen.
Ecuador - vor allem ein Transitland
Die ecuadorianischen Behörden schätzen, dass sich nur etwa 20 Prozent der Venezolaner, die 2018 nach Ecuador eingereist sind, auch in dem Land niedergelassen haben - so wie diese Familie, die in einem provisorischen Lager in der Hauptstadt Quito kampiert. Für viele Venezolaner wäre der Andenstaat demnach nur ein Transitland - etwa auf dem Weg nach Peru, Chile oder Argentinien.
Quito bremst Flüchtlingsstrom
Nachdem zuletzt an einzelnen Tagen rund 5000 Venezolaner von Kolumbien nach Ecuador einreisen wollten, zog die Regierung Konsequenzen. Seit dem Wochenende verlangt das Land von Venezolanern einen gültigen Reisepass, bisher genügte ein Personalausweis. Immerhin: Bei Familien mit minderjährigen Kindern reicht es, wenn die Eltern einen Reisepass haben und ihre Elternschaft nachweisen können.
Kettenreaktion wie in Europa 2015?
Einen Tag nach Ecuador kündigte Peru dieselbe Maßnahme ab dem kommenden Wochenende an. Perus Innenminister Mauro Medina sagte kürzlich, dass rund 80 Prozent der Venezolaner ohnehin mit Reisepass einreisten. Dennoch schlagen venezolanische NGOs Alarm: Ein Reisepass sei in Venezuela inzwischen ein Luxusartikel, der nur mit viel Geld oder guten Beziehungen zu bekommen sei.
Unmut in Brasilien
Über 100.000 Venezolaner migrierten seit 2016 nach Brasilien - überwiegend nach Nord-Brasilien. Rund die Hälfte von ihnen zog von dort weiter nach Ecuador und Peru. Doch die Lage im Norden ist angespannt: Die Regierung kündigte an, mehr Migranten als bisher auf andere Regionen Brasiliens zu verteilen. Kritiker werfen Regierung und Behörden vor, die Grenzregion unzureichend zu unterstützen.
Auseinandersetzungen mit Migranten
Am vergangenen Wochenende hatten aufgebrachte Bewohner der Grenzstadt Pacaraima in Brasilien Lager von Venezolanern angegriffen, ihre Behausungen in Brand gesteckt und Hunderte zurück über die Grenze getrieben. Die Polizei ließ den Mob Medienberichten zufolge gewähren. Auslöser soll ein Überfall auf einen Geschäftsmann gewesen sein, für den die Flüchtlinge verantwortlich gemacht wurden.