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Politik

Die Nationalen und Europa

Kay-Alexander Scholz Magdeburg
18. November 2018

Bislang spielt die AfD im Europaparlament keine Rolle. Das soll sich ändern. Dazu braucht es Ideen, Kandidaten und Verbündete. Der Parteitag in Magdeburg zeigt, wie sich Deutschlands Rechtspopulisten dafür aufstellen.

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AfD Europawahlversammlung
Bild: Getty Images/R. Hartmann

"Populisten aller Länder, vereinigt Euch - gemeinsam sind wir stark gegen den 'EU-Superstaat'!" Frei zusammengefasst motiviert diese Beschwörungsformel die "Alternative für Deutschland" (AfD) für die Wahl zum Europa-Parlament im Mai 2019. So klang es am Wochenende beim AfD-Europaparteitag in Magdeburg.

Der dort gewählte Spitzenkandidat der deutschen Rechtspopulisten, Jörg Meuthen, verkündete vor knapp 600 Delegierten: Er arbeite an "einer einzigen großen Fraktion". Gemeint ist eine enge Zusammenarbeit mit anderen europäischen Rechtspopulisten. Heinz-Christian Strache in Österreich, Matteo Salvini in Italien und Viktor Orban in Ungarn seien die "natürlichen Verbündeten" der AfD, so Meuthen.

Dessen Wahl kam nicht überraschend. Meuthen ist schon jetzt im Europa-Parlament und außerdem Co-Vorsitzender der AfD. Doch es dürfte nicht einfach für ihn werden, seinen Plan umzusetzen - aus mehreren Gründen. Einer lautet: Dass Populisten untereinander gute Freunde seien, sei eine Mär, heißt es in Brüssel. Nicht von ungefähr verteilten sich deren Vertreter aktuell auf drei Fraktionen: ENF, EFDD und ECR. Populistische Verbündete zu finden, ist in Brüssel offenbar nicht so einfach.

Berührungsängste mit der AfD

Aktuell spielt die "Alternative für Deutschland" im Europa-Parlament keine große Rolle. Nach der Wahl 2014 zogen zwar sieben AfD-Abgeordnete ein. Doch nur noch Meuthen vertritt dort seine Partei. Die anderen sechs Mandatsträger haben die AfD inzwischen verlassen - Opfer parteiinterner Flügelkämpfe zwischen Gemäßigten und Radikalen. Die Zusammenarbeit in der "Parteienfamilie" anzukurbeln, gelang Meuthen bislang nicht. Einen übernationalen Schulterschluss mit europäischen Partner jedenfalls konnte er bislang nicht präsentieren.

Da war seine Vorgängerin im Amt der Parteivorsitzenden, Frauke Petry, schon weiter: 2016 feierte Petry mit FPÖ-Chef Strache eine gemeinsame Bier-Sause auf Deutschlands höchstem Berg, der Zugspitze. Anfang 2017 folgte ein "Gipfeltreffen" mit Geert Wilders aus den Niederlanden, Marine Le Pen aus Frankreich und dem Italiener Salvini. Nach Petrys Parteiaustritt im Herbst 2017 gab es Vergleichbares nicht mehr.

Jörg Meuthen, AfD, in Magdeburg
Spitzenkandidat Meuthen: "Strache, Salvini und Orban sind die natürlichen Verbündeten der AfD"Bild: DW/T. Sparrow

"Man sieht relativ wenig internationales Engagement der AfD, das hat nicht nur damit zu tun, dass die AfD nicht möchte, sondern auch damit, dass die anderen Parteien gerade nicht möchten", so AfD-Aussteigerin Franziska Schreiber. Ihr im Sommer erschienenes Buch "Inside AfD" entwirft ein düsteres Szenario, wonach die AfD in einer kaum mehr zu bremsenden Spirale der Radikalisierung nach rechts gefangen sei.

Das sei der Grund für die Skepsis der anderen, so Schreiber. "Weil die FPÖ-Führung oder Marine Le Pen gerade bemüht sind, ihre Parteien vom extremen Rechtskurs wegzuhalten." Keiner wolle sich "die Finger verbrennen", weil man nicht wisse, "welchen Skandal die AfD als nächstes lostritt und ob sich das auf den Heimatwahlkampf auswirkt". Petry dagegen habe das Vertrauen gehabt, ihre Partei vom "extremen Rechtskurs" fernhalten zu wollen.

Aktuell muss die AfD sogar damit rechnen, vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet zu werden. Bis Ende des Jahres soll das behördlich entschieden werden. Das wäre auch für das internationale Image ein Rückschlag.

Populist ist nicht gleich Populist

Anders als bei Petry fehlt in Meuthens Liste potenzieller Bündnispartner ein Name: Marine Le Pen. Das hat programmatische Gründe. Populist ist offensichtlich nicht gleich Populist, da gibt es große Unterschiede.

Nach der Europawahl 2015 führten inhaltliche Differenzen zwischen dem damaligen "Front National" und der AfD dazu, dass man in Brüssel nicht zusammen ging. Meuthen - wirtschaftsliberal und Freihandelsfreund - mag noch heute die protektionistischen Töne aus Frankreich nicht. Im DW-Interview kündigte er nun allerdings eine weichere Linie an. Es ginge darum, "Vertrauen zu schaffen" und bereit für Kompromisse zu sein.

Steve Bannon und Marine Le Pen im März in Lille
Rechtspopulisten Bannon und Le Pen (im März in Lille): Aufbau einer "nationalen Internationale" ohne AfD?Bild: Getty Images/S. Lefevre

Auffälligerweise fiel ein weiterer Name in Magdeburg nicht: Steve Bannon. Dabei reist der umstrittene Ex-Berater von US-Präsident Donald Trump seit dem Sommer kreuz und quer durch das Europa der Populisten, um eine "nationale Internationale" für die Europa-Wahl aufzubauen. Nur in Deutschland war er offiziell noch nicht. Jörg Meuthen versuchte im DW-Interview zu beschwichtigen. Schließlich habe Bannon ihn inzwischen angerufen, vielleicht gebe es demnächst einen gemeinsamen Kaffee.

Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen: Bannons Lieblingspartner sind andere Populisten. Italien sei das "schlagende Herz der modernen Politik", sagte er im Sommer. Die Reihen schließen sollen nach Bannons Willen Brexit-Veteran Nigel Farage und Marine Le Pen - also kein AfD-Politiker. Jüngst hieß es nun, er würde gern in Budapest ein Büro für seine Stiftung eröffnen.

Andererseits gibt es in der AfD durchaus auch Skepsis gegenüber Bannon. Bei der Bundestagswahl hatte die AfD zwei Berater aus dem Bannon-Umfeld angestellt. Mit nur mäßigem Erfolg, wie in der Bundestagsfraktion erzählt wird. Die politischen Denkweisen seien doch sehr unterschiedlich. Diese Skepsis scheint nicht verflogen. "Im Europa-Wahlkampf wird Herr Bannon sicherlich keine Rolle spielen", sagte Meuthen im DW-Interview.

Run auf Europa

Die AfD schickt eine kämpferische Truppe nach Brüssel. Die Listen-Plätze waren heiß begehrt. Es gab auf dem Parteitag in Magdeburg bis Sonntagabend rund 200 Bewerber, genauso viele Bewerberreden und immer wieder Stichwahlen. Am Montag soll weiter gewählt werden.

Die schon Gewählten sind formal hoch qualifiziert, mit internationaler Erfahrung und bürgerlich-selbstbewusst im Auftreten. Die Parteiführung habe die Sache sehr ernst genommen, wurde berichtet; man wolle in Brüssel schließlich kompetent dastehen. Wohl deshalb waren schon im Vorfeld Kandidaten gesucht und Mehrheiten organisiert worden. Da aber die AfD auch basisdemokratisch tickt, stellten sich dann doch Einzelkämpfer zur Wahl.

Ihr kleinster gemeinsamer Nenner lautete: Die EU zu einem "Europa der Vaterländer" zurückzubauen! Und so eine "EUdSSR", also ein Art europäisches Revival der UdSSR zu verhindern, der unfreien Sowjetunion. "Wir wollen die EU nicht verlassen, sondern reformieren", sagt Alexander Gauland, der andere Co-Vorsitzende der AfD. Die EU müsse zurück zu ihrer ursprünglichen Idee vom "gemeinsamen Hafen".

Alexander Gauland in Magdeburg
Co-Parteichef Gauland: "Die EU nicht verlassen, sondern reformieren"Bild: Getty Images/R. Hartmann

Viele Schlagworte, viel Populismus - und was bedeutet das jetzt konkret? Die AfD wird erst im Januar ein EU-Wahlprogramm beschließen. Spitzenkandidat Meuthen gab dennoch schon mal einen Ausblick, woran die AfD im Europaparlament arbeiten wolle: "Migrationschaos" beseitigen, "Schweizerisierung" - also mehr direkte Demokratie - vorantreiben sowie die "Währungsproblematik" ernster nehmen.

Überraschend beschrieb Jörg Meuthen im DW-Interview auch supra-nationale Aufgaben für die EU, die also nicht allein national zu lösen sind. Außengrenzen-Schutz, Umweltpolitik und Binnenmarkt nannte er als Beispiele.

"Mentalitätsbrücken nach Osteuropa"

Für all diese Punkte jedoch wird auch die AfD Partner in der EU brauchen. Vielleicht deshalb schielte Co-Chef Gauland in Magdeburg auffällig nach Osten. Zu Ländern, wo es schon jetzt ähnliche Vorstellungen zur Migrationspolitik gibt, wie bei der "Alternative für Deutschland". Die Deutschen hätten historisch gesehen eben auch "Mentalitätsbrücken nach Ost-Europa", sagte Gauland.

Und dafür, dass bei der in Berlin und Brüssel geplanten EU-Migrationspolitik, Osteuropa nicht mitspiele, habe die AfD "volles Verständnis". Dort hätten schließlich die Türken in vergangenen Jahrhunderten lange Zeit geherrscht. Dass die Osteuropäer nun nicht einfach, den "Halbmond als eine notwendige Komplettierung der Buntheitspalette" akzeptierten, sei verständlich. Da gab es viel Applaus im Saal.

Doch Magdeburg offenbarte auch strittige Punkte zwischen Parteiführung und Basis. Alexander Gauland will die EU nicht verlassen. Bei mehreren Delegierten aber fiel das Wort "De-Exit", also ein möglicher Austritt Deutschlands aus der EU, gefolgt von viel Applaus. Die Radikalisierungsspirale, vor der AfD-Aussteigerin Schreiber warnt, ist offenbar weiter in Schwung.

Das spiegelt sich auch in so mancher Wortwahl: "Untergang des Abendlandes", "parasitäre Clowns", "degeneriertes Parteiensystem im Reichstag", "Flutung aus dem islamischen Kulturkreis", schallte es vom Rednerpult in Magdeburg. Die Delegierten schien das nicht zu schrecken. Zumindest einige Redner mit umstrittener Wortwahl wurden am Ende auf die Kandidatenliste für die Europawahl gewählt.