Die Mutter aller Prozesse
28. Januar 2005Amerikas Medien rüsten zum Großangriff. Santa Maria, eine Kleinstadt in Kalifornien, wird für die nächsten sechs Monate zum Zentrum des US-Medienuniversums. Die Hotels sind auf Monate ausgebucht, die Restaurants und Cafes der Stadt haben ihre Kapazitäten verdoppelt, um hungrige Journalisten aus aller Welt versorgen zu können.
2000 US-Dollar pro Quadratmeter
Und die Dächer der Stadt sind zum teuren Pflaster geworden. Überall in Sichtweite des Gerichtes haben die Fernseh-Anstalten ihre Liveshot-Positionen aufgebaut. Hier werden die bekannten Fernsehgesichter stehen und mit gerunzelter Miene Fachwissen schauspielern, um den Jahrhundertprozess der halbseidenen Unterhaltungsindustrie zu kommentieren. Auf dem teuersten Dach kostet der Quadratmeter schon über 2000 US-Dollar - pro Tag, die amerikanischen Fernsehstationen werden ein Vermögen ausgeben, um vor Ort zu sein. Aber es lohnt sich, Michael Jackson bringt auch als Angeklagter Einschaltquoten und die tapferen Reporter im wilden Kalifornien sind doch um einiges sicherer als im Irak.
Kein Karneval im Court
Das ganze Drama hat nur einen Haken: Der Richter hat völlig unverständlicherweise keine Kameras im Gerichtssaal zugelassen. Beim wegen Mordes angeklagten Basketballstar O.J. Simpson hatten die Kameras jeden Tag stundenlange Fernseh-Unterhaltung geliefert. Aus dem Prozess wurde ein Karneval und das möchte der Richter im Jackson-Prozess vermeiden.
Also müssen die Medien kreativ sein: "Court TV", ein Kabelkanal, der sich auf Gerichts- und Polizeisendungen spezialisiert, will jetzt jeden Tag das Geschehen vor Gericht mit Schauspielern in einem Studio minutiös nachspielen lassen, um es dann am nächsten Tag den hungrigen Zuschauern zum Frühstück und Mittagessen vorsetzten zu können.
Kompletter Absturz
Schließlich geht es um einen waschechten König, den King of Pop. Der Absturz des Michael Jackson ist komplett. Die Vorwürfe wegen angeblicher sexueller Belästigung von kleinen Jungen sind schon so eingebrannt, dass der Ausgang des Verfahrens eigentlich schon feststeht.
4000 Normalbürger haben eine Einladung bekommen, sich als Geschworene zur Verfügung zu stellen, zwölf werden nur gebraucht, und alleine deren Auswahl dürfte einige Wochen dauern. Am Montag (31.1.2005) soll Prozessauftakt sein.
Benimm dich!
Nach der Mutter aller Schlachten und der Mutter aller demokratischen Wahlen im Irak, jetzt die Mutter aller Prozesse in Kalifornien, zumindest für die amerikanischen Medien, wie gut dass die Hofnarren-Kultur Amerikas doch immer wieder für Abwechslung sorgt.