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Die Macht der Zensoren

5. Februar 2011

Es ist nicht das erste Mal, dass autoritäre Regimes westliche Unternehmen vor die Wahl stellen: entweder Profit oder Meinungsfreiheit. Ein Verhaltenskodex für Investoren existiert. Doch Ägypten zeigt: Er bewirkt nichts.

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Foto einer Vodafone-Nachricht auf einem ägyptischen Handy bei Flickr
Vodafone: Von den ägyptischen Behörden zur Propaganda gezwungenBild: Screenshot Flickr

Was die ägyptische Regierung kürzlich getan hat, ist im Grunde nichts Neues. Eine strenge Internet-Zensur gibt es auch in Birma, China, Iran, Nordkorea, in Turkmenistan oder Vietnam. 2007 kappte die birmanische Junta die Hauptkommunikationskabel in wichtigen Städten. Zwei Jahre später sperrte der Iran während der Proteste nach der Präsidentschaftswahl für seine Bürger Teile des Internets. "Der Iran hat zu keiner Zeit einen wichtigen Teil seiner Internetverbindungen abgeschaltet. Sie wussten, dass ihre Wirtschaft und die Märkte von der Internetaktivität abhängig sind", sagt Jim Cowie, Mitbegründer der US-Firma Renesys, die sich auf Netzwerksicherheit spezialisiert hat und Störungen des Internets überwacht.

Ägypten verschwindet aus dem Netz

Eine freiwillige Ärztin in Kairo telefoniert mobil (Foto: DPA)
Zeitweise nicht möglich - Hilfe per Telefon für verletzte DemonstrantenBild: dapd

Aber keines der Länder mit einer einigermaßen vernetzten Wirtschaft hat sich dermaßen spektakulär aus dem modernen Internet-Zeitalter katapultiert wie Ägypten. Keine 25 Minuten dauerte es, dann war das Land aus dem Netz verschwunden; und auch das Mobilfunknetz ließ Präsident Hosni Mubarak abschalten. Die betroffenen Telekom-Konzerne fuhren ihre Netze herunter: die ägyptischen Tochterunternehmen von Vodafone und France Telecom sowie Etisalat, führender Telekom-Anbieter im Mittleren Osten und Afrika.

Inzwischen ist Ägypten zwar ins Netz zurückgekehrt und die Menschen dort können auch wieder mit ihrem Handy telefonieren. Trotzdem hält die ägyptische Regierung ihren Druck aufrecht und versucht die Demonstranten nun mit deren Waffen zu schlagen: Gestern wurde Vodafone nach eigenen Angaben dazu gezwungen, regierungsfreundliche Kurzmitteilungen - kurz SMS - zu verbreiten. Nicht nur Vodafone, sondern auch seine Konkurrenten seien dazu verpflichtet worden. Die Behörden hätten sich auf das Telekommunikationsgesetz berufen, das diesen den Shutdown in Notsituationen einräume. Vodafone folgte der Anweisung, protestierte aber nach eigenen Angaben bei den Behörden gegen dieses Vorgehen: "Wir haben deutlich gemacht, dass all diese Mitteilungen transparent sein und eindeutige Urheberangaben enthalten sollten", hieß es in einer Pressemitteilung des britischen Konzerns.

Ein altes Dilemma

Mobilfunkanlage von Vodafone auf einem Hausdach in Düsseldorf (Foto: dpa)
Reine Zierde - die Mobilfunkanlagen von Vodafone sendeten kein SignalBild: picture-alliance/ dpa

In Blogs sowie im Internet-Foto-Portal Flickr wurden Aufnahmen der SMS-Mitteilungen veröffentlicht: "Jugend Ägyptens", so eine Kurzmitteilung, "hütet Euch vor Gerüchten und hört die Stimme der Vernunft". Eine andere SMS richtet sich an "jede Mutter, jeden Vater, jede Schwester, jeden Bruder, an jeden ehrlichen Bürger" mit dem Aufruf: "Bewahrt dieses Land, da die Nation ewig ist".

Die Einflussnahme der ägyptischen Regierung auf Vodafone, France Telecom und Etisalat wirft erneut ein negatives Licht auf westliche Unternehmen, die in Ländern unter autoritären Regimes operieren. Schon seit Jahren kritisieren Menschenrechtsorganisationen, dass sich westliche Konzerne für Profit zum Handlanger undemokratischer Regierungen machen.

2006 zum Beispiel gibt Amnesty International einen Bericht heraus, indem die Menschenrechtsorganisation zeigt, inwieweit Microsoft, Google und Yahoo willige Mitarbeiter bei der chinesischen Zensur sind. Vor allem die Vorwürfe gegenüber Yahoo wiegen schwer. Das Unternehmen, das mit der gleichnamigen Suchmaschine bekannt wurde, war 1999 eines der ersten ausländischen Internetunternehmen, das auf den chinesischen Markt expandierte. Yahoo unterschrieb nach Angaben von Amnesty International nicht nur eine Selbstzensur, sondern versorgte die chinesischen Behörden auch mit Informationen über seine Nutzer, was zur Verhaftung und Verurteilung von mindestens zwei Journalisten führte: Li Zhi and Shi Tao.

90 Millionen in fünf Tagen

Vodafone-Logo (Foto: Vodafone)
Profit machen und die Menschenrechte achten - beides muss gelingen

Die Global Network Initiative hat das Problem erkannt, das auf Internet-Unternehmen zukommt, sobald sie in Ländern mit autoritären Regimes investieren. Seit mehreren Jahren kämpft die Global Network Initiative gegen die Zensur im Internet und für Meinungsfreiheit und den Schutz der Menschenrechte. Und es ist kein Zufall, dass ausgerechnet Google, Yahoo und Microsoft diese Organisation vor zwei Jahren gegründet haben. Für Fälle wie jüngst den in Ägypten sehen die Richtlinien der Initiative vor, dass sich die betroffenen Unternehmen nur dann den Forderungen beugen dürfen, wenn beispielsweise eine richterliche Anordnung vorliegt.

Doch was nützt eine Organisation, der innerhalb von zwei Jahren außer den drei Gründerfirmen kein weiteres IT-Unternehmen beigetreten ist? Auch France Telecom und Vodafone gehören zu den Unternehmen, die seit zwei Jahren umworben werden und sich doch nicht zum Beitritt entschließen können. Und selbst wenn Vodafone und France Telecom der Initiative angehören würden, bleibt offen, wie effektiv sie sich gegen ein Regime wie das in Ägypten durchsetzen könnten. Denn am Wochenende ließ Vodafone keinen Zweifel daran, wer letztlich die Hand am Aus-Schalter hat: "Wir möchten klarstellen dass die Behörden in Ägypten die technischen Möglichkeit zur Schließung unseres Netzes haben. […] Zudem ist es wesentlich für uns, die Sicherheit unserer Angestellten zu gewährleisten. Alle unsere Aktivitäten in Ägypten werden im Lichte ihres Wohlergehens betrachtet werden".

Fünf Tage war Ägypten aus dem Netz verschwunden. Nach Angaben der OECD hat das die Ägypter 90 Millionen Dollar gekostet - den langfristigen Schaden nicht eingerechnet. Und, so glaubt die OECD weiter, "es wird in Zukunft noch viel schwieriger sein, ausländische Unternehmen anzulocken und zu halten, damit die Netzwerke auch zuverlässig bleiben".

Autor: Jutta Wasserrab
Redaktion: Rolf Wenkel