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Konjunktur fasst Tritt

27. Juli 2009

Die deutschen Unternehmen sehen wieder Licht am Ende des Tunnels, die Stimmung in den Chefetagen steigt. Die Wirtschaft befindet sich auf einem überraschend starken Wachstumskurs, meint Karl Zawadzky.

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Themenbild Kommentar (Foto: DW)
Bild: DW

Der konjunkturelle Absturz ist beendet, die Bodenbildung ist erfolgt. Jetzt fasst die Wirtschaft wieder Tritt. Die Phase, in der eine Stagnation bereits ein Erfolg war, ist vorbei; die Talsohle ist durchschritten. Zwar ist es noch zu früh, von einem Aufschwung zu reden, aber langsam geht es wieder aufwärts. Derzeit ist das Tempo der Aufwärtsentwicklung noch sehr verhalten, aber eine weitere Stärkung der Auftriebskräfte ist wahrscheinlich. Das hat natürlich damit zu tun, dass weltweit die Wirtschaft nicht zuletzt wegen der staatlichen Konjunkturprogramme wieder in Gang kommt. Vor allem aber hat das damit zu tun, dass viele Firmen im letzten Herbst überreagiert haben.

Karl Zawadzky (Foto: DW)
Karl ZawadzkyBild: DW / Christel Becker-Rau

Die Industrie war tief verunsichert und hat erst einmal nur noch von ihren Lagerbeständen produziert. Dadurch sind bei den Zulieferern über einen gewissen Zeitraum so gut wie keine Bestellungen mehr angekommen, was die Krise zusätzlich verschärft hat. Jetzt findet, wenn auch auf abgesenktem Niveau, eine Normalisierung statt. Das zeigt sich zum Beispiel in der Schlüsselbranche Autoindustrie. Begünstigt durch die Abwrackprämie eilt der VW-Konzern trotz Krise von Produktionsrekord zu Produktionsrekord. BMW wird nach dem Ende der Werksferien die Kurzarbeit wesentlich reduzieren. Wenn in den Autofabriken die Fließbänder wieder laufen, setzt sich das bei den Zulieferern fort. Gerade wegen der Überreaktion zu Beginn der konjunkturellen Talfahrt im vergangenen Jahr geht es jetzt in einigen Branchen kräftig aufwärts.

Abwrackprämie, gestiegene Kaufkraft, Konjunkturpakete

Bei der Industrie nimmt seit März der Auftragseingang zu - im vergangenen Monat um 4,4 Prozent und damit so stark wie seit fast zwei Jahren nicht mehr. Das hat mit der von der Abwrackprämie verursachten Sonderkonjunktur in der Autoindustrie sowie mit einer stärkeren Nachfrage aus dem Ausland zu tun. Vor allem aus Ländern außerhalb der Euro-Zone treffen mehr Bestellungen ein. Seit Mai reagiert die Industrie darauf mit einer Ausweitung ihrer Produktion.

Eine Zunahme um mehr als fünf Prozent gab es zuletzt vor 16 Jahren. Selbst im Einzelhandel, der schon lange vor der aktuellen Krise über schlechte Geschäfte klagte, geht es aufwärts. Der Grund ist die gestiegene Kaufkraft vieler Haushalte in der Folge von Lohn- und Gehaltserhöhungen, Rentensteigerungen und gesunkenen Beiträgen zur Kranken- und Arbeitslosenversicherung.

Die Konjunktur nimmt kräftig Fahrt auf. Das wird auch in den Chefetagen der Unternehmen so gesehen. Die Beurteilung der Geschäftslage hat sich zum vierten Mal in Folge verbessert - ebenso wie die Geschäftserwartungen. Das ifo-Institut für Wirtschaftsforschung hat bei den Geschäftserwartungen den höchsten Wert seit elf Monaten ermittelt. Natürlich stecken noch viele Unternehmen mitten in der Krise, doch die Entwicklung der Gesamtwirtschaft verläuft erfreulich.

Risiken bleiben

Allerdings liegen auf der weiteren Wegstrecke beträchtliche Risiken, die der Aufwärtsentwicklung einen Dämpfer versetzen oder auch für einen schweren Rückschlag sorgen können. Wenn es nämlich nicht gelingt, mit der Kurzarbeit eine Brücke über das Konjunkturtal zu schlagen, wenn sich statt dessen die Unternehmen zu Entlassungen gezwungen sehen, wird die inländische Nachfrage, die in der Krise ein Stabilitätsanker der Konjunktur war, einbrechen.

In der Folge werden die Steuereinnahmen des Staates und die Beitragseinnahmen der Sozialversicherungen sinken, die dann zur Finanzierung der Ausgaben nötige Verschuldung der öffentlichen Haushalte wird weiter kräftig ansteigen. Wenn die vielfach befürchtete Kreditklemme eintritt, wird vielen Unternehmen die Puste ausgehen; sie werden in die Insolvenz schlittern. Das kann passieren, es muss aber nicht so kommen. Derzeit spricht vieles dafür, dass sich die Konjunktur langsam erholt. Diese Erholung kann durchaus stärker ausfallen, als es noch vor einigen Monaten abzusehen war.

Autor: Karl Zawadzky
Redaktion: Julia Elvers-Guyot