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Goethe, Schiller und sonst lange nichts

26. August 2009

Weimar, die ideale Stadt der Klassik und Romantik mit den Ikonen Schiller, Goethe und Liszt. Für die freie Kunstszene bleibt da wenig Platz. Aber es gibt Lichtblicke wie jetzt "Die ideale Ausstellung".

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Denkmal - Schiller, Goethe und Liszt vor dem Weimarer Nationaltheater (Foto: Ronny Arnold)
Schiller, Goethe und Liszt vor dem Weimarer NationaltheaterBild: Ronny Arnold
Sechs Meter lang sind sie, ein Blickfang an der Außenfassade der Weimarer ACC-Galerie, die 16 unförmigen Leitern des Fernando Claveria. Es sind einfache Gebinde aus Schwemmholz und alten Kleidungsfetzen, doch sie erzählen eine komplexe Geschichte. Der spanische Künstler hat sie nicht selbst entworfen, nur gesammelt. Die selbstgebauten Leitern stammen von einem Grenzzaun zwischen Afrika und Europa, verzweifelte Flüchtlinge nutzen sie für den verheißungsvollen Sprung von der Dritten in die Erste Welt, hinein in die Festung Europa.

Sehnsucht nach dem Ideal

Leitern des spanischen Künstlers Fernando Claveria, die an der Außenfassade der Weimarer ACC-Galerie stehen. (Foto: Ronny Arnold)
Leitern des spanischen Künstlers Fernando ClaveriaBild: Ronny Arnold

"Dieser Sprung ist ihr Weg in eine vermeintliche Idealwelt", sagt Kurator Frank Motz, der "Die ideale Ausstellung" zum Weimarer Kunstfest zusammengestellt hat. "Manche von uns hingegen fliegen nach Afrika, um dort eine exotische Welt zu sehen." Auch eine Idealvorstellung. Genau das wird hier in den Blick genommen mit Installationen, Fotos, Zeichnungen und Videos. 21 zeitgenössische Künstler stellen in der ACC-Galerie aus und beleuchten kritisch, was uns als ideal erscheint: die perfekte Schönheit, unsere Mobilität und Individualität, unser Konsumverhalten in der postmodernen Gesellschaft.

Altlasten der Klassik
Kunstfest Weimar (Foto: Ronny Arnold)
Kunstfest WeimarBild: Ronny Arnold

Der Titel des diesjährigen Kunstfestes Weimar "Die Ideale" spielt an auf eine sinfonischen Dichtung von Franz Liszt. Der Musiker komponierte sie nach dem gleichnamigen Gedicht von Friedrich Schiller. 1857 wurde das Musikstück erstmals hier uraufgeführt. Mehr als 20.000 Besucher kommen jedes Jahr in die geschichtsträchtige Stadt im Herzen Thüringens, um hochkarätigen klassischen Konzerten zu lauschen und Film, Tanz und Theateraufführungen zu sehen.

Als Altlast im allerbesten Sinne bezeichnet Nike Wagner, die Festival-Chefin und Urenkelin Richard Wagners, die Klassik: "Die versuchen wir mit Zeitgenössischem zu verbinden, damit die Stadt der toten Dichter auch für junge Leute interessant wird ."

Mythos der toten Dichter

Das funktioniert allerdings nur bedingt. Weimar lebt vor allem von betuchten Touristen, die die klassischen Fassaden schätzen und den Mythos der Dichter und Denker. Junge Besucher sind eher selten. Allerdings bevölkern fast 6000 Studierende die Stadt, darunter auch zeitgenössische Künstler. Für die alternative Kunstszene ist das klassische Erbe Fluch und Segen zugleich.

Auf der einen Seite profitieren sie vom künstlerischen Ruf der Stadt, auf der anderen Seite leiden Sie unter dem Mythos der Dichter und Denker.

Lichtblick für freie Künstler

Das Goethe-Schiller-Denkmal in Weimar ist am Mittwoch (26.08.2009) mit einer Styropor-Statue des Komponisten Franz Liszt (1811-1886) "ergänzt". In einer Nacht-und Nebel-Aktion hatten Studenten der Bauhaus-Universität zu den bronzenen Dichterfreunden den dritten Mann dazugestellt. Das Projekt will auf das Kunstfest 2009 aufmerksam machen, das Liszt einen besonderen Stellenwert einräumt. Foto: Martin Schutt/lth +++(c) dpa - Report
Das Goethe-Schiller-Denkmal "ergänzt" mit einer Styropor-Statue des Komponisten Franz LisztBild: picture-alliance/ ZB

Das dreiwöchige Kunstfest ist da ein Lichtblick, wenn auch nur ein kleiner. Knapp zwei Millionen Euro kann Nike Wagner für das Festival ausgeben, da ist auch etwas für die alternative Szene dabei. Ansonsten hat die zeitgenössische Kunst einen schweren Stand in der Stadt. "Weimar hat große Reserven" betont Kurator Frank Motz, "aber es nutzt sie nicht, weil es auch so geht". Schließlich ist es viel preiswerter, die Besucher mit Goethe in die Stadt zu locken als mit etwas Neuem, Außergewöhnlichen. Ein Problem für die freie Künstlerszene Weimars, denn das Jahr hat eben mehr als drei Wochen.

Autor: Ronny Arnold

Redaktion: Günther Birkenstock