Weltmarktführer
14. Juli 2011Die Region ist eine touristische Attraktion: Burgen und Schlösser schmücken die grünen Weinberge. Man könnte fast meinen: Die idyllische Kulisse dient als Tarnung, denn "hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen" sind rund 80 "hidden champions", also heimliche Weltmeister zu Hause. Gemessen an der Bevölkerungszahl weist Heilbronn-Franken somit die größte Dichte an Weltmarktführern auf. Neben diesen Weltmeistern sind es noch hunderte andere mittelständische Unternehmen, die in der obersten Liga mitspielen.
Versteckte Lage
Gerade die etwas versteckte Lage wurde der Region zum Vorteil, meint Steffen Schoch, Geschäftsführer der Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken GmbH: "In der Nachkriegszeit kamen viele Unternehmen aus den ausgebombten Zentren wie München, Stuttgart, Berlin, Frankfurt in unsere Region." Denn in den Großstädten funktionierte die Infrastruktur meist nicht mehr. "Hier auf dem Land konnte man selbst anpacken, aufbauen und sich fernab des Trubels am Markt etablieren", sagt Schoch im Gespräch mit DW-WORLD.DE.
Landwirtschaftliche Prägung
Mit der Umsiedlung der Unternehmen ging ein Strukturwandel der Region einher. Die Landwirtschaft verlor zunehmend an Bedeutung. So fanden die Industriefirmen in den Bauern zuverlässige und qualifizierte Arbeitskräfte, die später wiederum ihre eigenen Unternehmen gründeten. Wirtschaftsförderer Schoch sieht in der landwirtschaftlichen Prägung einen wichtigen Faktor für den Erfolg der Region: "Der Landwirt musste früher auch handwerklich begabt sein, der musste mit Metall umgehen können, wenn seine landwirtschaftlichen Geräte kaputt waren." Dieses Geschick in der Technik im Umgang mit Materialien, mit Produkten, das hätte sich bis heute bei den erfolgreichen Unternehmen festgesetzt.
Mitarbeiter, die mitdenken
Die Leidenschaft für Technik, das mache den Menschentypus hier aus und auch den Erfolg der Unternehmen, sagt Rainer Opferkuch, Geschäftsführer der Huber Packaging Group GmbH in Öhringen: "Wir haben sehr viele Mitarbeiter, die einfach mit tollen Ideen hierherkommen." Das Unternehmen arbeitet mit modernsten Prozessen, die die Mitarbeiter in die Produktentwicklung mit einbeziehen. Das hätte dazu geführt, dass "die Mitarbeiter auch nach Feierabend mit dem Unternehmen verbunden sind", so Opferkuch gegenüber DW-WORLD.DE.
Nischen entdecken
Dank innovativer und motivierter Mitarbeiter konnte die Firma in den letzten Jahrzehnten ihre Vorreiterrolle bei der Entwicklung von den sogenannten Partyfässern beibehalten und bleibt mit einem Marktanteil von über 60 Prozent der unangefochtene Weltmarktführer. Das neueste Produkt heißt Zapfstar: Damit lässt sich das Bier wie in der Kneipe von oben zapfen.
Es sind solche Nischenprodukte, mit denen die Mittelständler den Weltmarkt erobern. Für viele Unternehmen sei das eine bewusste Strategie, berichtet Steffen Schoch, "dass sie nicht mit einer Vielzahl von Produkten und über Masse und Preis an den Markt gehen", sondern sich ihre Nischen suchen und dort eine globale Marktführerschaft von Beginn an anstreben.
Besser sein als der Schulkamerad
Ein solcher Nischenbereich ist Explosionsschutz. Seit über 80 Jahren entwickelt die Firma Stahl in Waldenburg entsprechende Lösungen. Heute ist sie weltweit das einzige Unternehmen, das den Kunden komplexe Systeme für den elektronischen Explosionsschutz bieten kann. Um diesen Vorsprung zu halten, investiert die Stahl AG sehr stark in Ausbildung. Zusammen mit anderen Unternehmen versucht sie seit Jahren, die Technologiekultur in der Region zu fördern und junge Menschen für technische Berufe zu begeistern. "Diese technische Prägung unserer Ausbildung und an den Schulen in der Region ist eine wichtige Basis für die Stärke der Unternehmen", sagt Martin Schomaker, Vorstandschef der Stahl AG. Zudem herrsche ein gewisser Wettbewerb des Besserseins unter den Unternehmen.
Firmenkenner Schoch pflichtet ihm bei: "Es sind viele Schulkameraden, die unabhängig voneinander Unternehmen aufgebaut haben." Da sei natürlich auch ein Ehrgeiz entwickelt worden, besser zu sein als der ehemalige Schulfreund.
Langfristiger denken, schneller handeln
Und eines haben Unternehmen wie Huber, Kriwan, Kärcher und Stahl gemeinsam: Sie sind Familienunternehmen, die entweder direkt von der Familie geführt werden oder bei denen die Familie zwar im Hintergrund bleibt, aber mehr als die Hälfte der Anteile besitzt. So gehört Rainer Opferkuch nicht zur Familie Huber, leitet die Huber Packaging GmbH dennoch mit großem Erfolg. Die Vorteile eines Familienunternehmens sieht er darin, "dass wir unabhängig sind vom Kapitalmarkt, dass wir die Möglichkeit haben, auch sehr langfristig zu denken." Zudem hätten Familienunternehmen eine überschaubare Größe und dadurch die Möglichkeit, sehr schnell und unbürokratisch zu handeln.
Diese Vorzüge wurden gerade in der jüngsten Wirtschaftskrise deutlich. Da waren Unternehmer und Mitarbeiter bereit, gemeinsam den Gürtel enger zu schnallen, berichtet Schoch. Die Krise hat man dadurch schneller als andere abgehakt. Derzeit können sich die Firmen vor Aufträgen kaum noch retten. In die idyllische Kulisse der Region passt das Wort "Krise" ohnehin nicht.
Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Henrik Böhme