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Flüchtlinge des Frühlings

Anne Allmeling27. April 2012

Seit Beginn des Arabischen Frühlings sind hunderttausende Menschen auf der Flucht – viele von ihnen im eigenen Land. Vor allem in Syrien wächst die Zahl der Vertriebenen.

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Syrische Flüchtlinge im Libanon (Foto: Reuters)
Syrien Bürgerkrieg Flüchtlinge in LibanonBild: Reuters

Sie protestieren und kämpfen mit aller Macht gegen das Regime. Dennoch ist es den Aufständischen in Syrien bislang nicht gelungen, ihren Präsidenten zu stürzen. Im Gegenteil: Mehr als ein Jahr nach Beginn der Unruhen im Land scheint Baschar al-Assad immer noch fest im Sattel zu sitzen. Von einem schnellen Ende der herrschenden Elite ist längst nicht mehr die Rede - und der Kampf der syrischen Regierungstruppen gegen die Revolutionäre geht weiter. Daran können auch die kürzlich entsandten UN-Beobachter nichts ändern.

Flucht vor der Gewalt im Land

Das brutale Vorgehen von Assads Soldaten hinterlässt Spuren. Nach Angaben des in Norwegen ansässigen Zentrums für die Beobachtung interner Vertreibung (IDMC) sind mehrere Hunderttausend Syrer in den vergangenen Monaten aus ihren Heimatorten vertrieben worden. Etwa 230.000 Menschen befänden sich zurzeit auf der Flucht im eigenen Land, sagte IDMC-Leiterin Kate Halff im Gespräch mit der Deutschen Welle. Das Völkerrecht unterscheidet zwischen Vertriebenen, die im eigenen Land bleiben, und Flüchtlingen, die im Ausland Schutz suchen. Zwischen 60.000 und 70.000 Flüchtlinge haben Syrien verlassen. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen UNHCR haben diese Menschen in der Türkei, Jordanien, dem Libanon oder im Irak Zuflucht gefunden .

Zuflucht im Lager Reyhanli: Syrische Flüchtlinge in der Türkei (Foto: Reuters)
Zuflucht im Lager Reyhanli: Syrische Flüchtlinge in der TürkeiBild: Reuters

Bislang halten alle Nachbarländer ihre Grenzen zu Syrien offen. Die türkische Regierung, die mit dem UNHCR kooperiert, hat seit März 2011 die meisten Flüchtlinge registriert: Etwa 23.000 Menschen leben zurzeit in Zeltlagern und einer eigens eingerichteten Zeltstadt aus Containern. In Jordanien und im Libanon hat das UNHCR jeweils deutlich über 10.000 Flüchtlinge registriert. Tatsächlich geht das Hilfswerk in beiden Ländern aber von mehr als doppelt so vielen aus. Längst nicht alle Flüchtlinge ließen sich registrieren, sagt UNHCR-Sprecher Stefan Telöken. "Manche Flüchtlinge warten erst einmal ab, weil sie hoffen, möglichst bald nach Syrien zurückkehren zu können", erklärt er im DW-Gespräch.

Wenig Hoffnung auf schnelle Rückkehr

Die Lage im Land gibt allerdings wenig Anlass zur Hoffnung: In den vergangenen Monaten ist die Zahl der Vertriebenen immer weiter gestiegen. "Es gab zwei große Wellen", sagt Kate Halff vom IDMC. "Im Mai und Juni 2011 stieg die Zahl der Binnenflüchtlinge plötzlich auf 120.000. Viele kehrten kurz darauf aber wieder in ihre Heimat zurück. Die zweite Welle kam zwischen Dezember 2011 und Februar 2012. Etwa 200.000 Menschen wurden vertrieben. Sie sind größtenteils immer noch auf der Flucht im eigenen Land."

A Syrian refugee boy gives a Hoffnung auf Rückkehr: Ein syrisches Kind im Flüchtlingslager (Foto: Reuters)
Hoffnung auf Rückkehr: ein syrisches Kind im FlüchtlingslagerBild: Reuters

Die meisten Binnenflüchtlinge stammen aus den Gegenden in Syrien, wo am meisten gekämpft wurde und die größten Schäden entstanden sind. "Die meisten Menschen verlassen ihre zerstörten Häuser nur mit dem, was sie tragen können", sagt Kate Halff. "Den größten Teil ihres Besitzes lassen sie zurück. Wenn sie dann in einer anderen Gegend Unterschlupf finden, sind sie auf Hilfe angewiesen: von der Familie, von Freunden – oder von völlig fremden Menschen. Die Gesundheitsversorgung, der Zugang zu Bildung, manchmal auch der Zugang zu Lebensmitteln kann sehr kompliziert sein. Oft werden die Menschen in kaputten Gebäuden untergebracht, wo die Wasserversorgung kaum funktioniert."

Konfliktreiche Region

Dort, wo die Binnenflüchtlinge unterkommen, haben sie oft Schwierigkeiten, Arbeit zu finden und sich zu integrieren. Für eine Gemeinde, die bereits mit wirtschaftlichen Problemen kämpfen muss, können sie zu einer Last werden - vor allem, wenn es sich um eine große Zahl von Vertriebenen handelt, die bleiben wollen. "Das kann für die gesamte Bevölkerung große Konsequenzen haben", sagt Kate Halff.

Flucht vor der Gewalt: Syrer an der Grenze zur Türkei (Foto: AP)
Flucht vor der Gewalt: Syrer an einem türkischen GrenzpostenBild: AP

Ohnehin ist die Region von Konflikten und Kriegen gezeichnet. Syriens Nachbarland Irak leidet immer noch unter den Folgen des Bürgerkriegs der vergangenen Jahre: Etwa zweieinhalb Millionen Iraker sind Binnenflüchtlinge. Das entspricht etwa sieben Prozent der Bevölkerung. Viele Iraker sind im vergangenen Jahrzehnt nach Jordanien und in den Libanon geflohen. Mit einer vergleichsweise kleinen Bevölkerungszahl von sechs und viereinhalb Millionen Menschen haben die beiden Länder eine sehr hohe Zahl an irakischen Flüchtlingen aufgenommen. Nun kommen noch die syrischen hinzu.

Hunderttausende Vertriebene

Während des Arabischen Frühlings wurden auch in Libyen und im Jemen zahlreiche Menschen vertrieben. Innerhalb Libyens sind 2011 laut IDMC bis zu einer halben Million Menschen geflohen. Im Jemen hätten sich rund 170.000 Männer, Frauen und Kinder vor der Gewalt in Sicherheit gebracht. Damit ist die Zahl derjenigen, die in den Ländern des Arabischen Frühlings von Tunesien über Ägypten bis zum Jemen zu Vertriebenen wurden, im Vergleich zum Vorjahr um das Sechsfache gestiegen. Doch während sich die Lage in Libyen seit dem Sturz von Staatschef Muammar al-Ghaddafi zu bessern scheint, verschärft sich die Situation in Syrien immer weiter.