Die Liberalen nach dem Rückzug ihres Parteichefs
4. April 2011Es sollte ein Befreiungsschlag sein – für Guido Westerwelle persönlich und für seine ganze Partei. Und so schwer ihm der Schritt offenkundig fiel, so erleichtert waren der deutsche Außenminister und seine ganze Partei, als er in der Berliner Partei-Zentrale seinen Rückzug von der FDP-Spitze ankündigte. Nach zehn Jahren im Amt wird Westerwelle auf dem Parteitag im Mai in Rostock kein weiteres Mal kandidieren.
Dem Kabinett unter Führung der christdemokratischen Bundeskanzlerin Angela Merkel aber will der 49-Jährige weiter angehören. "Ich werde meine Arbeit auf das Amt des Außenministers konzentrieren. Und ich werde weiterhin mit ganzer Kraft für den Erfolg der Liberalen, für den Erfolg der FDP arbeiten", sagte Westerwelle. Von einer "erfolgreichen Koalition" sprach der scheidende Partei-Chef wenige Stunden nach der Rückkehr von einer anstrengenden Asien-Reise.
Merkel stärkt Westerwelle den Rücken
Noch am selben Tag stärkte die Bundeskanzlerin ihrem Außenminister den Rücken. Zwar sei es "sicherlich ein Einschnitt" für die FDP, aber die Zusammenarbeit in der christlich-liberalen Koalition werde unverändert fortgehen. "Und auch die Zusammenarbeit von mir und Guido Westerwelle", betonte die deutsche Regierungschefin.
Auch das FDP-Präsidium steht den Ausführungen von General-Sekretär Christian Lindner zufolge hinter Guido Westerwelle, wenn es um dessen Ministeramt geht. Einstimmig habe man begrüßt, dass er "weiterhin Bundesminister des Auswärtigen bleiben will". Guido Westerwelle habe eine Reihe von inhaltlichen Anstößen im Bereich der Außenpolitik gegeben, die weiterzuführen jetzt seine Aufgabe sei, sagte Lindner. "Und dafür hat er die uneingeschränkte Unterstützung der FDP."
Als Außenminister im Amt angekommen
Welche "Anstöße" er meinte, behielt Lindner für sich. Von der politischen Opposition in Deutschland, aber auch im Ausland war Westerwelle zuletzt heftig dafür kritisiert worden, dass sich Deutschland bei der Entscheidung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (UN) über militärische Maßnahmen gegen Libyen der Stimme enthalten hatte. Noch kurz zuvor waren Westerwelle bei seinem Besuch in Ägypten nach dem Sturz des Regimes von Hosni Mubarak die Sympathien der Menschen entgegengeschlagen.
Damals, Ende Februar, schien Westerwelle auch in den Augen vieler Kritiker nach langen Anlaufschwierigkeiten im Amt angekommen zu sein. Unter dem Eindruck seines nun für Mai angekündigten Verzichts auf den FDP-Vorsitz ist er Sicht zahlreicher Oppositionspolitiker auch als Außenminister nicht weiter tragbar. Allerdings dürfte Angela Merkels Festhalten an Westerwelle schon im Interesse des eigenen Machterhalts mehr als ein Lippen-Bekenntnis sein.
“Kein Bruch mit alten Inhalten”
Derweil betonte FDP-Generalsekretär Christian Lindner, es werde programmatisch "keinen klaren Bruch mit alten Inhalten" geben. Man habe nicht deswegen an Vertrauen verloren, weil die Wähler der FDP "plötzlich ganz andere Grundauffassungen" hätten. Die FDP habe an Vertrauen verloren, weil im Alltag zu wenig liberale Positionen zu sehen seien. "Die Leute haben auf eine marktwirtschaftliche Politik gehofft, auf eine faire, aber nicht gleichmacherische, eine verantwortungsbewusste, aber nicht staatsgläubige Politik."
Es sei nicht erkennbar, dass es im Alltag tatsächlich ein Unterschied sei, wenn Liberale Verantwortung trügen und nicht "schwarze und rote Sozialdemokraten", bemängelte Lindner in einem Anflug von Ironie das Erscheinungsbild seiner eigenen Partei. Mit "schwarzen" Sozialdemokraten meint der 32-jährige die christlich geprägten Parteien CDU und CSU, mit denen die FDP seit Herbst 2009 regiert. Damals hatten die Liberalen mit ihrem Spitzenkandidaten Guido Westerwelle ihr mit Abstand bestes Ergebnis bei einer Bundestagswahlwahl erzielt: 14,6 Prozent.
Bei 33 von 41 Wahlen legte die FDP zu
Würde jetzt ein neues Parlament gewählt werden, müsste die FDP um den erneuten Einzug in den Bundestag bangen, weil sie laut Umfragen an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern könnte. Um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, wird sich die Partei programmatisch ändern müssen. Die von Guido Westerwelle wesentlich forcierte Konzentration auf Wirtschaftsthemen war vor allem dem linksliberalen Flügel innerhalb der FDP schon lange ein Dorn im Auge. Ihre Kritik musste so lange verhallen, wie die Liberalen unter dem Partei-Chef Westerwelle von einem Erfolg zum anderen eilten.
Bei 41 Wahlen seit Mai 2001 habe die FDP 33 Mal Stimmen hinzugewonnen, erinnerte Generalsekretär an eine in der Tat beeindruckende Zahlen-Bilanz. Doch weil es jüngst nur noch herbe Niederlagen gab, zuletzt bei den Landtags-Wahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, wurde es für Westerwelle immer enger. Für künftige Erfolge wird sich die FDP, ob sie will oder nicht, inhaltlich breiter präsentieren müssen. Ob ein solcher Schwenk von den Wählern als glaubwürdig empfunden wird, ist eine ganz andere Frage.
Es läuft auf einen Jüngeren hinaus
Wer im Mai Westerwelles Nachfolge antreten soll, darüber wollen die FDP-Gremien und die Vorsitzenden der Landesverbände gemeinsam am Dienstag (05.04.2011) in Berlin entscheiden. Als Favoriten gelten Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler und Generalsekretär Christian Lindner. Der eine ist 38 Jahre jung, der andere mit 32 Jahren noch jünger. Es gehe um einen "politischen Generationenwechsel", philosophierte Lindner, der sich zu eigenen Ambitionen nicht äußern wollte. Der Hinweis ist deshalb wichtig, weil Guido Westerwelle mit 49 Jahren in einem Alter ist, bei dem für andere Politiker die Karriere erst richtig beginnt.
Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Manfred Böhm