Die Farben des Protests
Gelbwesten, Rothemden, Frauen in Schwarz oder Regenbogen-Fahnen - Farben spielen im politischen Handgemenge eine herausragende Rolle. Sie grenzen nach außen ab und schaffen nach innen Identität. Eine Farbenlehre.
Gelbwesten
Das Rezept ist einfach: Man nehme eine gelbe Warnweste, verabrede sich über Facebook und gehe auf die Straße. Die Bewegung der Gilets Jaunes ist vielfältig, sie hat weder Anführer noch eine Hierarchie und ist nicht an Parteien gebunden. Sowohl links- als auch rechtsextreme Gruppierungen versammeln sich unter dem Abzeichen. Sie eint der Protest gegen den Kurs von Präsident Emmanuel Macron.
Rothemden...
In Thailand zogen zeitweise die Rothemden die Aufmerksamkeit auf sich. Auch hier versammelte sich eine Vielzahl politischer Gruppen unter einer Dachorganisation, der Nationalen Demokratische Allianz gegen Diktatur. Die Rothemden standen Ministerpräsident Thaksin Shinawatra nahe, der 2006 durch einen Militärputsch entmachtet wurde. Sie organisierten zahlreiche optisch auffallende Massenproteste.
... gegen Gelbhemden
Den Rothemden standen in Thailand lange Zeit die Gelbhemden gegenüber: vorwiegend Liberale oder Konservative, die die Ablehnung von Thaksins Regierungspolitik einte. Viele Gelbhemden waren Anhänger des langjährigen Königs Bhumibol Adulyadej. Dessen Symbolfarbe war gelb, weil sie in Thailand für den Montag steht. Rot versinnbildlicht dagegen - ganz klar - den Sonntag.
Die Macht der Farbe
Farben drückten schon immer politische Machtverhältnisse aus. Bis zum ausgehenden Mittelalter war es nur obersten Kreisen erlaubt, rote oder purpurfarbene Kleider zu tragen. Denn diese Farben herzustellen, war enorm aufwändig. Gehalten hat sich der Farbcode noch in der katholischen Kirche. Wer hier - wir sehen das Konklave zur Papstwahl 2013 - rot trägt, zeigt: Ich bin ein Kardinal.
Regenschirm-Revolution
Farben einen also. Und demonstrieren diese Einheit nach außen. Doch die Sache funktioniert nicht nur mit Farben oder Kleidungsstücken. Manchmal funktioniert auch ein Regenschirm. In Hongkong gingen 2014 tausende Menschen für mehr Demokratie in der chinesischen Sonderverwaltungszone auf die Straße. Den Schirm trugen sie als Schutz vor Sonne, Regen - und Tränengas oder Polizeiknüppeln.
Die Farbe des Schirms
Vielerorts verabredeten die Teilnehmer in Hongkong, Schirme mit gleicher Farbe zu tragen, überwiegend in einem freundlichen Gelbton. Dadurch wirkt die Gruppe gleich homogener - und die Funktionalität der Schirme ist dadurch nicht beeinträchtigt. Den Schirm gab es auch mit dem Aufdruck "Power to the People" zu kaufen.
Grüne Bewegung
Nach der iranischen Präsidentenwahl im Juni 2009 gab es in zahlreichen Städten Massenproteste gegen das Ergebnis. Die Demonstranten beschuldigten die Führung, den Hardliner Mahmud Ahmadinedschad per Wahlfälschung im Amt bestätigt zu haben. Seine Gegner trugen grüne Farben und Tücher. Die Sicherheitskräfte gingen brutal gegen die Kundgebungen vor, es gab viele Tote und tausende Verhaftete.
Weiße Mütter
Das weiße Kopftuch ist ihr Zeichen: Die Madres de Plaza de Mayo trafen sich ab 1977 auf dem gleichnamigen Platz in Buenos Aires. Sie forderten von der damaligen Militärjunta (und später von zivilen Regierungen) Aufklärung über das Schicksal ihrer verschwundenen Kinder. Während der Militärdiktatur in Argentinien "verschwanden" rund 15.000 Menschen. Sie wurden festgenommen, gefoltert und ermordet.
Frauen in Schwarz
Die Geschichte der Women in Black begann während der Intifada Anfang 1988 in Jerusalem: Schwarz gekleidete israelische und palästinensische Frauen demonstrieren stumm gegen die israelische Besatzung der Palästinensergebiete. Diese Tradition der Mahnwache haben Frauen in vielen Ländern aufgegriffen - wie hier 2013 in Belgrad.
Die rote Fahne
Über Jahrhunderte hinweg war Rot die Farbe der Herrschenden. Das änderte sich mit der Jakobinermütze, einem der wichtigsten Insignien der französischen Revolution. Von der Mütze zur Fahne war ein kurzer Weg. Rot galt fortan als Farbe der Emanzipation und prägte die Kundgebungen sozialdemokratischer, sozialistischer und kommunistischer Parteien, wie bei der 1.-Mai-Parade 1971 in Moskau.
Schwarz- oder Braunhemden
Um gegen die Arbeiterbewegung mit ihren roten Fahnen zu kämpfen, zogen Faschisten gerne schwarze Hemden an. Oder braune, wie die Anhänger der nationalsozialistischen SA in Deutschland. Wichtig war die Kleidung als Uniform, die das Individuum in der Masse aufgehen (oder verschwinden) lassen. Heute werden als "Schwarze" in der politischen Umgangssprache gemeinhin Konservative bezeichnet.
Die Farbe Lila
Lila ist die Farbe der Frauenbewegung: Denn die Farbe entsteht, indem man die jeweils Mädchen und Jungen traditionell zugeschriebenen Farben Rosa und Hellblau mischt - ein ideales Symbol für die Gleichstellung der Geschlechter. In die Literatur ging Lila durch Alice Walkers Buch "Die Farbe Lila" ein. Es schildert, wie eine afroamerikanische Frau sich selbst befreit.
Die Regenbogenfahne
Die Regenbogenfahne ist bunt und so versammeln sich viele Gruppierungen unter ihr: Internationale Friedensbewegte, Lesben, Schwule, Bi, Trans und Queer oder Anhänger der Umweltorganisation Greenpeace. Der Regenbogen steht für Aufbruch, Veränderung, Toleranz und Frieden. Als Symbol ist er älter, als man denkt: Schon während der Bauernkriege 1525 wurde die Regenbogenfahne geschwenkt.