Papst ernennt neue Kardinäle
9. Oktober 2016Dieudonne Nzapalainga ist noch keine 50 Jahre alt und nun doch bald Kardinal der Katholischen Kirche. Das hat seit Jahrzehnten niemand so jung geschafft - der damalige Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki wurde im Jahr 2012 mit 55 Jahren das weltweit jüngste Mitglied des Kardinalskollegiums.
Aber der oft gut gelaunte Nzapalainga aus der von Armut, Gewalt und politischen Wirren gezeichneten Zentralafrikanischen Republik verkörpert für Papst Franziskus die Kirche der Zukunft: ein Ordensmann aus der jungen Kirche Afrikas, der einige Jahre als Missionar in Europa - in Marseille - wirkte und mit hohem persönlichen Einsatz gegen Gewalt eintritt und für Aussöhnung zwischen Volksgruppen und Religionen wirbt. Mehrfach schon bot er einem befreundeten Imam und tausenden Muslimen Schutz vor Verfolgung. So etwas merkt sich ein Papst wie Franziskus, der Ende November 2015 das unruhige Bangui besuchte.
"Vom Ende der Welt"
Der Papst aus dem fernen Argentinien prägt allmählich das Kardinalskollegium. Die Bekanntgabe neuer Kardinäle an diesem Sonntag war ein weiterer Schritt dazu. Franziskus, der nach seiner Wahl zum Kirchenoberhaupt im März 2013 vor der Weltöffentlichkeit sein Herkunftsland als "das Ende der Welt" bezeichnete, setzt auf Geistliche von anderen "Enden der Welt". So will der bald 80-Jährige das Kardinalskollegium verjüngen und internationalisieren. Neben Nzapalainga aus der Zentralafrikanischen Republik gehören demnächst Kardinäle aus Bangladesch, Mauritius und Papua-Neuguinea zum Kreis jener, die bei einer Papstwahl mit dabei wären. Von den 13 neuen potenziellen Papstwählern kommen drei aus Europa und drei aus Nordamerika (das bei der letzten Runde der Ernennungen 2015 leer ausgegangen war).
So wird die katholische Kirche an ihrer Spitze erkennbar mehr und mehr zur Weltkirche. Franziskus weitet den Kreis der Papstwähler, also der Kardinäle, die das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die derzeit wahlberechtigten 111 Kardinäle kommen aus 56 Ländern. Nach dem Konsistorium, der vom Papst für den 19. November anberaumten offiziellen "Erhebung" der Kardinäle sind es dann 121 potenzielle Papstwähler aus 60 Ländern. So viele Länder wie nie zuvor. Ende des Jahres dann 120 aus 59 Ländern. Das ist alles andere als globale Folklore - denn in einem so international besetzten Konklave wären Seilschaften und Deals weit schwerer möglich als bei früheren Papstwahlen. Und ein weiterer Trend: Vor knapp zwei Jahren kamen exakt 50 Prozent der mutmaßlichen Papstwähler aus Europa. Nun sind es gerade noch gut 44 Prozent. So wenig waren es wohl nie seit der Antike.
Kein Bischof in Italien...
Interessant ist, wer diesmal gar nicht dabei ist. Kein einziger Ortsbischof in Italien zum Beispiel. Das Land stellt künftig 26 Kardinäle, die entweder als Bischof im Land oder in der Kurie tätig sind (und zählt - auch ein Rekord - mittlerweile 18 pensionierte Kardinäle über 80 Jahre). Aber stolze Erzbischöfe wie Venedig oder Turin, beide früher fast eine Garantie für den purpurnen Kardinalshut, gingen diesmal leer aus. Wie übrigens auch Barcelona in Spanien.
... und kein Kulturkämpfer in den USA
Ganz auffallend trifft die Entscheidungsfreude von Franziskus die USA. Anfang 2015 ging die Kirche des Landes, stolz und reich und in der letzten Dekade von Missbrauchsskandalen erschüttert, bei der bislang letzten Kardinalserhebung komplett leer aus. Nun war Franziskus im September in den USA zu Gast und kennt die Köpfe. Er ernennt drei US-Kardinäle, allesamt keine harten "Kulturkämpfer", wie der kundige US-Journalist und Analyst der Katholischen Kirche, John Allen schreibt. Zu den Neuen zählt neben Brian Farrell, den der Papst gerade von Dallas an die Spitze einer neu eingerichteten vatikanischen Großbehörde für Laien, Familie und Leben berufen hat, auch Chicagos Erzbischof Blase J. Cupich. Er ist einer derer, die in den USA sehr engagiert für den Franziskus-Kurs eintritt und der nicht mit jedem Wort gleich wie ein republikanischer Parteigänger wirkt. Der dritte Kardinalshut geht nach Indianapolis. Und die konservativeren Kollegen in Philadelphia, Baltimore oder Los Angeles schauen in die römische Röhre.
Sehr ungewöhnlich ist die Ernennung des Päpstlichen Nuntius in Syrien, Erzbischof Mario Zenari. Der 70-Jährige Italiener, seit 2008 in Damaskus, spricht immer wieder von einer "Schande für die internationale Gemeinschaft" darüber, was in dem Kriegsland gerade mit Kindern, Frauen und alten Menschen passiere.
Auch diesmal verleiht der Papst einigen Geistlichen, die bereits das 80. Lebensjahr vollendet haben, die Kardinalswürde. Es ist persönliche Anerkennung und Ehre. Drei der Titel gehen an pensionierte Bischöfe in Malaysia, Lesoto und Italien. Der vierte - das ist wieder so eine typische Franziskus-Geschichte.: Ernest Simoni ist kein Bischof und kein Erzbischof. Er ist nur ein Priester. Im kommunistischen Albanien saß er von 1963 bis 1981 in Haft, mehrfach wurde er zum Tode verurteilt. Nach seiner Freilassung musste er Kloaken putzen, und nur im Geheimen konnte er bis zum Ende des Kommunismus 1990 als Priester wirken. Als Franziskus als erstes europäisches Land außerhalb Italiens im September 2014 Albanien besuchte, lernte er Simoni kennen. Und nun wird der Priester, der sich nie brechen ließ und am 18. Oktober 88 Jahre alt wird, noch Kardinal. Das Purpur des Kardinals, heißt es immer, stehe für das Blut, das eine Verfolgung bringen könne. Simoni weiß, was das heißt.