Die Crashgefahr ist nicht gebannt
23. Juli 2014"Banco Espritio Santo – Pleitegerüchte in Portugal", "Neuer Bankskandal in Bulgarien". Nur zwei Schlagzeilen aus den vergangenen Wochen. Wo immer in Europa eine Bank in eine Schieflage gerät, ist die Krise angeblich nicht mehr weit. Im Falle der bulgarischen Corp-Bank teilte die Regierung mit, dass sie zur Rettung des Geldhauses neue Schulden machen und sich etwa eine Milliarde Euro an den Finanzmärkten leihen müsse.
Solche Fälle wird es auch in Zukunft geben, ist Andreas Dombret vom Vorstand der Deutschen Bundesbank überzeugt: "Das kann man überhaupt nicht ausschließen, ganz im Gegenteil." Und wenn ein Land wie Bulgarien, das ärmste in der Europäischen Union, Schulden in dieser Größenordnung machen muss, beeinträchtigt das die ganze Volkswirtschaft. In diesem Fall musste das EU-Land seine Defizitziele korrigieren. Angepeilt waren 1,8 Prozent, nun könnten es mehr als drei Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes werden.
Aufgeheizte Stimmung
In der gegenwärtigen finanzpolitischen Großwetterlage - in den USA und in der EU sind die Zinsen auf einem historisch niedrigen Stand - kann es besonders leicht zu Verwerfungen auf dem Bankensektor kommen, sagt Bundesbanker Dombret: "Diese Mischung aus niedrigen Zinsen, niedriger Inflation, niedriger Volatilität und hoher Liquidität führt dazu, dass an den Finanzmärkten die Jagd nach Rendite wieder losgeht." In einer so aufgeheizten Lage reichen kriminelle Verfehlungen, wie es sie im bulgarischen Beispiel zu geben scheint, oder Versagen von Managern, um eine Bank in Schwierigkeiten zu bringen.
Dabei kann schon das Gerücht, ein Geldhaus sei vielleicht nicht mehr liquide, einer Bank den Garaus machen, wenn es nämlich zu einem Bank-Run kommt: Viele Sparer wollen aus Angst, ihr Geld zu verlieren, ihre Einlagen sofort zurückhaben - das kann eine Bank in der Regel nicht leisten und dann ist sie tatsächlich insolvent. Dazu komme, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Thomas Hartmann-Wendels von der Universität Köln, dass "bei Banken immer die Gefahr einer Ansteckung besteht. Wenn eine Bank ins Schlingern gerät, ist das Vertrauen in die anderen Banken häufig mit erschüttert. Oder die Banken haben untereinander Kredite vergeben und kommen dadurch in Schwierigkeiten. Da sind diese systemischen Effekte, die wir in der Realwirtschaft so nicht kennen."
Hoffen auf die Bankenunion
Wegen der aktuellen Turbulenzen hat der Gouverneur der bulgarischen Notenbank, Ivan Iskrow, am Dienstag (22.07.2014) seinen Rücktritt angeboten, falls sich das Parlament auf einen Nachfolger einigen kann.
Iskrow wirft der Politik vor, die Wiedereröffnung der Corpbank vereitelt zu haben. Die war nach einem Ansturm der Kunden auf Bankschalter geschlossen worden.
Die bulgarische Regierung hatte zuvor beschlossen, sich der europäischen Bankenunion anzuschließen. Damit wollen die Finanzminister der Euro-Zone regeln, wie mit klammen Banken verfahren wird. Im Vordergrund steht dabei die Frage der Haftung, damit nicht immer sofort die Steuerzahler die Rechnung übernehmen müssen. Ein Bestandteil des neuen Verfahrens: Ein Fonds, in den die Geldhäuser einzahlen müssen, in ihn sollen 55 Milliarden Euro fließen.
Bevor die Bankenunion umgesetzt wird, wird bei den 128 größten europäischen Banken ein Bilanzcheck und ein Stresstest durchgeführt. Damit werde, so Bundesbanker Dombret, "sichergestellt, dass die Altlasten und die Schwachstellen in den Bankbilanzen beseitigt werden, bevor im November die Europäische Bankenaufsicht ihre Arbeit aufnimmt."
Stresstests überschätzt?
Allerdings, das schränkt auch Dombret ein: Bestehe eine Bank den Stresstest, könne sie trotzdem noch in Schwierigkeiten kommen. Es sei immer auch die Frage, wonach die Prüfer suchen, sagt er und bemüht einen Vergleich zur Medizin: "Wenn man eine Untersuchung nach Viren macht, dann kann man nicht nach jedem Virus suchen, den es gibt. Man konzentriert sich da nur auf die wahrscheinlichsten Viren."
Auch Hartmann-Wendels von der Uni Köln rät, die Stresstests "nicht zu überschätzen". Im Einzelfall seien die Ergebnisse wenig aussagekräftig: "Es sind eine Menge von Prüfern unterwegs, die die Banken unter die Lupe nehmen und dort jeden Stein umdrehen." Am Ende könne man aber die Flut an Daten nicht angemessen verarbeiten: "Dann geht man aus Zeitgründen auf pauschale Annahmen zurück und kann die Situation einer einzelnen Bank nur noch mehr oder weniger gut erfassen."
Wer ist wirklich "too big to fail"?
Muss denn eine Bank unbedingt gerettet werden? Andreas Dombret erinnert daran, dass Bankmanager Teil unseres marktwirtschaftlichen Systems sind. Und zu den "Grundprinzipien einer Marktwirtschaft gehört, dass Unternehmen und Banken, wenn sie kein überzeugendes Geschäftsmodell haben, aus dem Markt ausscheiden." Daher ist der Bundesbankvorstand "sehr wohl der Meinung, dass Banken auch scheitern können müssen."
Doch vorher müsse eindeutig definiert sein, welche Bank unter welchen Umständen "too big to fail" ist. Also: Zu groß und zu wichtig für das System, als dass sie untergehen dürfe. Dombret wartet immer noch auf eine "wirklich überzeugende Lösung dieser Frage." Es dürfe jedenfalls nicht sein, dass wir "abhängig sind von einigen wenigen großen, international vernetzten Banken, die Erpressungspotential gegenüber der Gesellschaft haben, weil sie einfach so groß sind."
Und was, wenn eine Bank, die weiterhin für "too big to fail" gehalten wird, in die Pleite schlittert? Muss dann nicht doch wieder der Steuerzahler einspringen? Andreas Dombret bleibt gelassen und verweist auf die Haftungsreihenfolge, die für die Bankenunion festgeschrieben wurde. In dem Fall zahlten "erst die Eigentümer einer Bank, dann ihre Gläubiger, dann der von den Banken gespeiste Fonds und erst ganz am Ende, wenn überhaupt noch, der Steuerzahler."
Unklar ist jedoch, wie schnell ist dieses Ende erreicht ist. Wirtschaftswissenschaftler Hartmann-Wendels jedenfalls ist skeptisch: "Ich glaube, der Staat wird nie ganz aus der Verpflichtung herauskommen, wenn es wirklich eine massive Krise gibt, die sich auf mehrere Banken auswirkt."