Die Frau hinter dem Craft-Beer
1. November 2019Das hier hat sich schon ziemlich verändert. Mitte der 1990er Jahre war das der härteste Studentenjob im fränkischen Bamberg. Bei der Erinnerung daran zieht es noch einmal im Rücken: Staub, Lärm, Malzsäcke schleppen, 50 oder 100 Kilogramm schwer in der Weyermannschen Malzfabrik. Die war damals ein Betrieb mit 20 Leuten. Heute sind es 200 Mitarbeiter und die Säcke mit den gekeimten und gerösteten Getreidekörnern wiegen nur noch 25 Kilogramm. Sie flitzen über Förderbänder ins automatisierte Logistikzentrum und es sind viele: 700 - 1000 pro Stunde. "Da macht sich keiner den Rücken kaputt", sagt Geschäftsführerin Sabine Weyermann (im Artikelbild oben).
Malz für die ganze Welt. Weyermann tippt beim Rundgang zwischen den vollen Paletten auf ein Versandlabel - die Adresse liegt in Russland, der nächste Partie geht nach Brasilien. "Wir liefern in 135 Länder", sagt die 61-Jährige. Sie hat kein Problem, sich in der Welt der Malzfabrikanten zu verorten: "Unsere Spezialmalze stecken in 60.000 Bieren weltweit, wir sind Weltmarktführer in unserem Segment."
Ihr Malz gibt dem Bier Farbe und Charakter. Aber als Weyermann nach einem Brauerstudium in die Geschäftsführung des Familienunternehmens gekommen ist - 1985, sie rückte ihrem gerade verstorbenen Vater nach - war das aber gar nicht so gefragt. Es war die Zeit der Pilswelle und nichts deutete auf eine Erfolgsgeschichte für sie hin: "Ich würde nicht sagen, dass wir vor der Pleite standen, aber alle wollten nur helles Bier trinken und dafür braucht man nur eine Sorte Malz." Die Bamberger Mälzer aber waren ausgerichtet auf kleine Mengen spezieller Röstungen. Gab es dafür überhaupt noch einen Markt?
Ein Leben voller Malz
Natürlich, aber den fand sie erst durch einen Zufall. Sabine Weyermann will die Geschichte drüben im neuen Besucherzentrum erzählen. Also raus aus dem Gewusel der Lagerhalle. Das Fabrikgelände liegt in der Nähe des Bahnhofs. Die ältesten Gebäude sind über 100 Jahre alt, aus Backstein mit Zinnen und Türmchen, ein verspieltes Gründerzeit-Ensemble.
Es gehört zu Bamberg wie der Geruch, der von den Rösttrommeln dort ausgeht. Heute wabert ein Duft, der an Rosinen erinnert, über die Stadt. "Ich bin in diese Welt hineingeboren, ich liebe Malz", sagt die Geschäftsführerin auf dem kurzen Weg zu dem modernen Flachbau.
Drinnen ist alles in gelb und braun eingerichtet - den Farben der Firma. Malzproben stehen hier herum, eine Whiskey-Destille, es gibt Malzbonbons und lange Regale mit Bierflaschen. Sie hat eine lockere und sehr zugewandte Art, sich mit einem zu unterhalten. Das hat sie sich in den USA angewöhnt, dort wo auch die aktuelle Weyermann-Erfolgsstory begann.
Mit einer Art Erweckungserlebnis. Weyermann und ihr Mann, er ist ebenfalls Brauer, besuchten eine junge Brauerei in Fredericksburg, Texas. "Die hatten da diese Stout-Porter-Geschichte", erinnert sie sich - dunkle Biere, die sie überhaupt nicht kannte. "Mein Mund hat das gar nicht schlucken können, soviel Geschmack war in dem Bier!", erinnert sie sich an den Moment vor 25 Jahren. "Mein Mann hat gesagt, das ist okay, ich trinke das für dich aus. Aber denk' nur mal, wenn es viele Brauereien gibt, die so dunkle Biere machen, das könnte unser Markt sein!"
Kulturschock für die Bamberger Mälzer
Die beiden waren auf die quirlige Craft-Beer-Szene gestoßen. Die hatte Jimmy Carter Ende der 70er angeschoben, indem er jedermann ermöglichte, sein eigenes Bier zu brauen. Die Weyermanns packten in Bamberg ihre Musterkoffer voll, dann flogen sie wieder in die USA auf eine Brauermesse. Sie im Businesskostüm und er im dunklen Anzug.
"Da sind wir einer kreativen Brauergemeinde begegnet, mit Tatoos, Pferdeschwänzen und Rucksäcken Ganz anders als der bayerische Brauer." Mälzerei-Chefin schwärmt immer noch von dem lockeren Umgang der Leute miteinander, der Begeisterung, mit der die US-Kleinbrauer auf das dunkle Malz aus Franken reagiert haben.
Inzwischen ist die Neugierde auf andere Biere auch nach Deutschland übergeschwappt und hat die Brauereilandschaft aufgemischt. Die Nachfrage nach den Spezialmalzen aus Bamberg ist damit weiter gestiegen. "Und immer dann, wenn ein Bier rötlich, amberfarben, bersteinfarben, schokoladenbraun wird, nach Espresso schmeckt, dann sind wir mit Sicherheit dabei."
Biere für Gourmets
Sabine Weyermann geht zu dem Bierregal und nimmt eine Langhalsflasche herunter. "Wir haben total abgefahrene Biere: Das ist hier ein Imperial Stout, gebraut mit Honig und gereift mit einem Eichenfass." Preis: 28 Euro. Da schluckt man, bevor noch die Flasche auf ist.
Die Braumeisterin kennt diese Reaktion. "Das ist sicher kein Getränk zum einfach Wegzischen. Eher was zum bewussten Genießen, zum drüber Reden", meint sie, so wie bei einem guten Wein. Sie selbst schwört übrigens auf ein Coconut-Porter aus Hawaii. "Es hat Noten von Espresso und einem ganz dezenten Abgang von Kokosnuss beim Schlucken."