Die Angst vor dem freien Wort
Nicht nur der saudische Blogger Raif Badawi bekam den Unmut strenger Richter zu spüren. Überall in der arabischen Welt sitzen Autoren, Journalisten und Aktivisten wegen kritischer Äußerungen in Haft.
Der Blogger und die Generäle
Die Armee kritisiert man nicht. Das ist die Botschaft jenes Urteils, das ein tunesisches Militärgericht über den Blogger Yassine Ayari verhängt hatte. Drei Jahre sollte der junge Mann ins Gefängnis. Sein Vergehen: "Moralischer Angriff auf die Armee". In diesem Frühjahr hob ein (ebenfalls militärisches) Berufungsgericht die Strafe auf: Ayari muss nun für lediglich sechs Monate in Haft.
In Assads Kerkern
Gegärt hatte es in Syrien lange vor den Protesten im Frühjahr 2011. Der Journalist Mazen Darwish hatte im Jahr 2008 über Unruhen berichtet – etwa den Aufstand in der Stadt Adra. Seitdem stand der Präsident des "Syrischen Zentrums für Medien- und Meinungsfreiheit" im Visier des Assad-Regimes. Im Frühjahr 2012 wurde das Zentrum gestürmt, Darwish sitzt seitdem in Haft. Ihm droht die Todesstrafe.
Gefangener zweier Regime
Der Blogger Alaa Abdel Fattah hatte bereits unter der Herrschaft des ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak in Haft gesessen. Damals hatte er eine unabhängige Justiz gefordert. Auch gegenüber der Regierung al-Sisi äußerte Abdel Fatah sich kritisch. Dieses Frühjahr hat ein Gericht Abdel Fatah zu 15 Jahren Haft verurteilt. Sein Vergehen: Teilnahme an einer verbotenen Demonstration.
Der lästige Zeuge
Im Herbst 2013 geraten in der südalgerischen Stadt Ghardaïa die Bewohner zweier Stadtviertel aneinander. Drei Polizisten nutzen das Durcheinander und starten einen Diebeszug durch ein Ladenlokal. Der Programmier Youcef Ould Dada stellt ein Video des Diebstahls ins Internet. Dafür wurde er zu einer Haftstrafe von zwei Jahren verurteilt. Begründung: Dada habe dem nationalen Interesse geschadet.
Tausend Peitschenhiebe
Er schrieb über die tristen Seiten des Islam in seiner Heimat: Vielehe, machtversessene Theologen, ihre Intoleranz und Fortschrittsfeindlichkeit. Das störte ein saudisches Gericht derart, dass es eine drakonische Strafe über den Blogger Raif Badawi verhängte: zehn Jahre Haft und tausend Peitschenhiebe. Die Begründung: "Beleidigung des Islam".
Beleidigte Justiz
Der Rechtsanwalt Waleed Abulkhair hatte Raif Badawi in dessen Prozess vertreten. Daneben hatte der Gründer der "Beobachtungsstelle für Menschenrechte in Saudi Arabien" in mehreren hundert Artikeln und Interviews die Menschenrechtslage in seinem Heimatland kritisiert. Die Strafe: 15 Jahre Haft. Die Begründung: "Beleidigung des Justizwesens".
Juristische Zermürbungstaktik
Immer wieder hatte Nabeel Rajab über die schwierige Situation der schiitischen Bevölkerung in Bahrain berichtet. Mehrmals wurde er verhaftet, verurteilt – und wieder freigelassen. Entmutigen ließ er sich nicht: Rajab kritisiert das sunnitische Königshaus weiter. Im Februar wurde er zu sechs Monaten Haft verurteilt. Seine Äußerungen wurden als "Beleidigung" staatlicher Institutionen verstanden.
Das Gericht als moralische Anstalt
Im März dieses Jahres stürmten marokkanische Polizisten das Haus des Journalisten Hicham Mansouri. Nackt zogen sie ihn heraus – angeblich hatten sie Mansouri beim Ehebruch erwischt. Ein Gericht beschuldigte Mansouri, in seinem Haus ein Bordell zu führen. Das Urteil: Zehn Monate Haft. Zufällig ist Mansouri auch leitender Kopf der Vereinigung marokkanischer Investigativ-Journalisten.
Weltweite Proteste
All das Unrecht, dass Journalisten und Bloggern in der arabischen Welt widerfährt, bleibt im digitalen Zeitalter nicht verborgen. Weltweit setzen sich Menschen, etwa bei "Amnesty International", für verhaftete Aktivisten ein. Hier etwa vor der saudischen Botschaft in Berlin für die Freilassung Raif Badawis.