Inflationsängste
9. Dezember 2011Von Jean-Claude Trichet, dem vor einem Monat ausgeschiedene Präsidenten der Europäischen Zentralbank, stammt der Satz: Die EZB hat nur einen Kompass, den der Preisstabilität. Ihr Ziel ist, die Inflationsrate im Euro-Raum knapp unter zwei Prozent zu halten. Die Rate liegt im Moment bei drei Prozent. In normalen Zeiten müsste die EZB den Leitzins erhöhen, um die aufkeimende Inflation zu bekämpfen - aber die Zeiten sind nicht normal. Nun hat die Notenbank am Donnerstag (08.12.2011) den Leitzins abermals gesenkt, um einer drohenden Rezession in der Eurozone entgegenzuwirken. Dies dürfte vor allem den stabilitätsorientierten Ökonomen aus Deutschland Sorgen bereiten.
EZB kauft und kauft
Damit nicht genug: Die EZB kauft munter weiter Anleihen hochverschuldeter Euro-Länder auf und versorgt die Märkte mit Liquidität, um ein Versiegen des Geldflusses zu verhindern. Aus Protest gegen diesen Kurs gibt der Deutsche Jürgen Stark seinen Posten als EZB-Volkswirt zum Jahresende auf. Der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" sagt er unlängst: "Wir wissen aus der Wirtschaftsgeschichte, dass es immer zu Katastrophen geführt hat, wenn eine Zentralbank in großem Stil Staaten finanziert hat. Das endet in Inflation."
Ähnlich denken die meisten deutschen Ökonomen, so Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. Auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht das so. Ihre Angst vor der Inflation teilt sogar Altkanzler Helmut Schmidt, der aber lieber in die Vergangenheit zurückblickt: "Die Inflationsraten in Deutschland unter den letzten zehn Jahren D-Mark waren höher als die Inflationsraten in den anschließenden zehn Jahren unter dem Euro", sagte der 92jährige auf dem Wirtschaftsforum der Wochenzeitung "Die Zeit" am vergangenen Freitag (02.12.2011).
Im Moment keine Gefahr der Inflation
Aber auch für den Moment sieht Gustav Horn, Leiter des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung in Düsseldorf, keine Gefahr für eine Inflation: "Denn das Geld ist verunsichert. Die Anleger wissen nicht genau, wo sie Geld sicher unterbringen wollen. Dann bringen sie es wieder zur Zentralbank zurück", sagt Horn gegenüber der Deutschen Welle.
Fließt das Geld nicht in den Wirtschaftskreislauf, kann es auch keine Inflation anheizen. Diese Meinung teilt auch der renommierte US-Ökonom Robert Shiller. Dem Handelsblatt sagt er: "Inflation ist derzeit nicht annähernd ein Problem." Auch wenn es eines wäre, würde es US-Finanzminister Timothy Geithner ignorieren, denn nach dessen Meinung wären die Folgen eines Zerfalls der Eurozone weitaus gravierender als die einer Inflation.
Inflation gehört zu den Urängsten der Deutschen
Woher kommt diese "german orthodoxy", wie das britische Wochenmagazin "The Economist" die Inflationsangst der Deutschen beschreibt? Ganz einfach: Sie wollen nicht ein drittes Mal innerhalb von hundert Jahren erleben, dass ihr Vermögen über Nacht vernichtet wird. Das erste Mal geschah durch die Hyperinflation in der Weltwirtschaftskrise1923. Nur 25 Jahre später folgte nach dem Zweiten Weltkrieg die Währungsreform.
Zudem ist die Inflation so etwas wie ein Krebsgeschwür, das sich immer weiter frisst und dem sich nichts mehr entziehen kann. "Wenn eine Inflation einmal eingesetzt hat, dann wird es sehr schwer sein, diese Inflation zu bremsen. Meistens kann man das dann nur auf Kosten einer Rezession", meint Wim Köster, Vorstandsmitglied im Rheinisch-westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung.
Es gibt Gegenmittel
Falsch, sagt Gustav Horn, denn es gebe schnell wirkende Gegenmittel: "Zum Beispiel kann die EZB die Staatsanleihen, die sie besitzt, schnell wieder verkaufen und damit das Geld wieder aus dem Kreislauf herausnehmen." Sie könne natürlich auch die Zinsen erhöhen.
Spielraum nach oben ist reichlich vorhanden, denn nach der Zinssenkung um 25 Basispunkte liegt der Leitzins im Euroraum nun bei nur einem Prozent.
Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Henrik Böhme