Doping: Die Andreas-Krieger-Story
25. Juli 2016Einige russische Athleten wurden gerade erst von den Olympischen Spielen in Rio ausgeschlossen. Darüber hinaus wies ein Bericht der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) ihnen systematische Doping-Vergehen nach. Doch obwohl diese Meldung überall Schlagzeilen machte, werden wohl auch in diesem Jahr weltweit die Zuschauer vor den Bildschirmen mitfiebern, wenn neue Rekorde aufgestellt werden. Doch ob dabei alles mit rechten Dingen zugehen wird? Im Falle Russlands rudert das IOC bei seiner Entscheidung schon wieder zurück und überlässt das letzte Wort den Weltverbänden.
Die Nationale Anti Doping Agentur Deutschland (NADA) hat jetzt gemeinsam mit der Partnerorganisation den USA einen Film über massives Doping in der DDR herausgegeben und dabei auch die Rolle des Zuschauers in den Fokus. Er erzählt die wahre Geschichte der Kugelstoßerin Heidi Krieger, die in den 1980ern in der DDR eine erfolgreiche Athletin war. Ohne ihr Wissen wurde sie regelmäßig gedopt - damals in allen Sportdisziplinen eine gängige Praxis in Ostdeutschland.
Jahre später musste Krieger wieder eine Herausforderung meistern, diesmal nicht sportlicher Natur. Heidi fühlte sich als Mann und entschied, als Andreas weiterzuleben. Er ist überzeugt, dass das erzwungene Doping seine sexuelle Identität verändert hat.
Die DW sprach mit Dominic Müser, Ressortleiter Prävention bei der NADA und Produzent des Films, darüber, warum die Geschichte von Andreas Krieger auch heute noch von Bedeutung ist – nicht nur für Athleten, sondern auch für die Zuschauer.
Deutsche Welle: Massenhaftes intensives Doping von Sportlern war in der DDR an der Tagesordnung. Das zeigt der Film #link:http://www.andreas-krieger-story.de/"Andreas Krieger: Heidis weitester Stoss"#. Aber er ist auch ein sehr persönliches Zeugnis über die Auswirkungen dieser verbrecherischen Praxis. Wie kam es zu dem Film?
Dominic Müser: Zu dem Film kam es dadurch, dass ich Andreas schon sehr lange kenne. Wir haben uns oft bei Präventionsveranstaltungen getroffen, wo er seine Geschichte erzählt hat. Mich hat das von Anfang an persönlich sehr beeindruckt und wegen des staatlichen Dopings natürlich auch sehr schockiert. Dann haben wir gemeinsam - die NADA, die US-amerikanische Anti-Doping-Agentur und Andreas Krieger - entschieden, diesen Film zu machen.
Der Film verknüpft ja zwei Themen: Das Doping und die Transsexualität des Protagonisten Andreas alias Heidi. Wo genau ist die Verbindung?
Die Verbindung liegt darin, dass Andreas unwissentlich gedopt wurde – ein ganz wesentlicher Punkt - und das als Minderjähriger. Man sieht deutlich die Auswirkungen. Es ist nicht wissenschaftlich belegt, dass Transsexualität durch Doping hervorgerufen werden kann, aber die Substanzen können gerade in der Pubertät als Auslöser fungieren. Was dazu führen kann, dass man die geschlechtliche Identität neu findet. Und das kann dann gegebenenfalls in Transsexualität münden.
Nun glaubt man, nach dem Fall der Mauer sei das alles Schnee von gestern. Aber Doping gibt es immer noch: Gerade erst hat das Internationale Olympische Komitee Russland von den bevorstehenden Sommerspielen in Brasilien ausgeschlossen. Was ist das eigentliche Problem beim Doping?
Das Grundproblem ist der Betrug. Es ist Betrug an Konkurrenten, Betrug am Sport selbst. Schlussendlich zerstört man den Sport, weil die Grundeigenschaften des Sports, seine Grundethiken, keine Berücksichtigung mehr finden. Da liegen zum einen die Auswirkungen. Zum andern betrifft es den Sportler persönlich – in den gesundheitlichen Folgen und in der Chancengleichheit. Wir brauchen im Sport Chancengleichheit. Gerade bei den aktuellen Fällen wird das heiß diskutiert, dass man daran weiter arbeiten muss. Das Thema Chancengleichheit wird uns über die nächsten Jahre begleiten. Wir arbeiten als deutsche NADA, aber auch international daran, dass die Sportler fair und sauber miteinander konkurrieren können.
"Man hat an mir Gott gespielt, ohne mich zu fragen", sagt Andreas im Film. Aber er klagt auch an: Doping nennt er ein gesellschaftliches Problem. Weil die Zuschauer zwar ehrliche Leistungen erwarten, aber bitteschön auch immer neue Rekorde. Wie kann man mit dieser Doppelmoral aufräumen?
Ich weiß nicht, wie damit aufzuräumen ist. Wir fangen mit der Prävention sehr früh an. Schon im Jugendalter bereiten wir die Athleten auf das Ganze vor. Wir erklären ihnen die Auswirkungen. Wir nähern uns der Sache aus gesellschaftlicher Sicht, sprechen mit Eltern, Trainern und mit dem Umfeld der Athleten, um langsam einen Wandel hinzubekommen. Aber wir sind eine Leistungsgesellschaft. Leistung wird heutzutage erwartet, das spiegelt sich auch im Sport wider. Da lastet sehr viel Druck auf den Sportlern. Da muss man ansetzen und Alternativen anbieten: Was kann ein Sportler sonst machen? Stichwort: duale Karriere, Ausbildung. Immer ein zweites Standbein haben – das sind wichtige Punkte, die ein Sportler in seiner Karriere berücksichtigen muss, um schlussendlich, wenn es einmal zu einer Entscheidung kommt, nicht zu einem Dopingmittel greifen zu müssen.
Dominic Müser leitet das Ressort Prävention bei der Nationalen Anti Doping Agentur Deutschland (NADA). Er ist Mitglied im Education Committee der Welt Anti-Doping Agentur (WADA) und in der Advisory Group on Education des Europarats.
Das Gespräch führte Stefan Dege.