Hundert Tage Francois Hollande
14. August 2012Bis vor kurzem war man in Frankreich noch an "Hyper-Sarko" gewöhnt - wie Nicolas Sarkozy spöttisch bezeichnet wurde. Von Frankreichs Ex-Präsident bleibt vor allem dessen aufgeputschter Politikstil in Erinnerung. Kein Wunder also, dass Amtsnachfolger François Hollande vor allem am Aktionismus seines Vorgängers gemessen wird. Mit magerem Ergebnis: 100 Tage nach der Wahl sind 54 Prozent der Franzosen mit seiner Amtsführung unzufrieden, fand die Zeitung "Le Figaro" in einer Umfrage heraus. "Normal - oder gemächlich?" fragt sich das Blatt "Libération", wenn es um den neuen Präsidenten geht. Andere werden noch deutlicher: Hollande sei zögerlich - und das in einer Krisenzeit, in der Frankreich starke Führung benötige.
"Dafür haben die Franzosen Sarkozy aus dem Amt gejagt"
"Hollandes Stil ist mit Sicherheit eine neue Erfahrung für die Franzosen", sagt Dominik Grillmayer vom Deutsch-Französischen Institut (DFI) in Ludwigsburg. "Aber für diese Erfahrung haben sie Nicolas Sarkozy schließlich aus dem Amt gejagt. Ich glaube, sie hatten diesen 'Hyper-Präsidenten' und dessen Aktionismus satt. Und sie haben sich dann bewusst für jemanden entschieden, der einen anderen Stil verkörpert."
Claire Demesmay von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) hat eine Erklärung für das Auftreten des neuen Präsidenten: "Hollande weiß, wie gespalten die Gesellschaft ist. Er will die Franzosen nicht brüskieren, er will vorsichtig an die Probleme herangehen." Andererseits könne der Grund für Hollandes Zögerlichkeit auch sein mangelnder Mut sein - so genau könne das eben noch niemand sagen.
Hollande jedenfalls scheint die Ruhe weg zu haben. Kein Wunder im Sommermonat August, in dem Frankreichs öffentliches Leben immer schon zum Erliegen kommt. Wenn aber der "heiße Herbst" beginnt, muss Hollande sein Land deutlich stärker führen, glaubt Experte Grillmayer. "Das ist die Erwartung der Franzosen: dass der Präsident präsent ist, dass er Projekte formuliert. Diesem Druck muss er gerecht werden."
Hollandes heißer Herbst
Im Herbst stehen wichtige Strukturreformen an: Aus Sicht vieler Experten muss Frankreich wettbewerbsfähiger werden und sein Minus in den Griff bekommen, auch die Arbeitslosigkeit sei mit zehn Prozent zu hoch. "Die Antworten des Präsidenten auf diese Probleme kennt man noch nicht", sagt Politikwissenschaftlerin Demesmay.
Nach knapp 100 Tagen selbstverordneten Schweigens meldet sich auch Sarkozy zurück - und versucht sich als Wortführer der konservativen Opposition. Mit dem Syrienkonflikt hat Sarkozy ein Thema gefunden, um den Sozialisten Hollande anzugreifen: Dieser sei zu zögerlich, so der Vorwurf.
Aber auch wenn es manchen nicht schnell genug geht: Hollande sei nicht untätig, sagt Dominik Grillmayer vom DFI. "Er hat angefangen, seine Wahlversprechen systematisch abzuarbeiten." Wie angekündigt, kann ein Teil der Franzosen wieder mit 60 Jahren in Rente gehen. Die französischen Truppen werden Afghanistan noch in diesem Jahr verlassen, so hatte es Hollande versprochen. Und die Minister und der Präsident verdienen nun etwas weniger - symbolischer Akt eines Präsidenten, der die soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt seiner Amtszeit stellen will.
"Hollande und Merkel werden sich zusammenraufen"
Aufmerksam verfolgen Beobachter auch, wie Hollande sich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel versteht. Deutschland und Frankreich sind die mächtigsten Mitglieder der EU - besonders in Krisenzeiten ist es von großer Bedeutung, ob beide Länder sich einig sind. Merkel hatte allerdings bereits im französischen Wahlkampf deutlich gemacht, dass ihr ein Präsident Sarkozy lieber wäre als ein Präsident Hollande.
"Merkels Start mit Hollande war tatsächlich holprig", sagt Experte Dominik Grillmayer im Gespräch mit der DW, "aber ich gehe davon aus, dass sich die beiden zusammenraufen. Bei zwei solchen Pragmatikern wie Merkel und Hollande kann man davon ausgehen, dass sie Lösungen finden werden." Mit Sarkozy habe das schließlich auch eine ganze Weile gedauert.
"Gemeinschaftliche Anstrengung aller Franzosen"
Die ersten 100 Tage hat "der Neue" also passabel überstanden - Hollandes eigentliche Bewährungsprobe aber steht erst bevor. "Noch nie war es so dringend, der gemeinschaftlichen Anstrengung aller Franzosen einen Sinn zu geben", schreibt die "Libération". Und "Le Monde" bringt es auf den Punkt: Eine stetige Politik darf es nach der hektischen Ära Sarkozy gerne sein - aber eben "auch nicht zu langsam".