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Dialog mit der Kamera: Der Fotograf Martin Schoeller

1. März 2020

Er ist einer der gefragtesten Fotografen der Welt. Gebucht wird er für Portraits von Präsidenten, Politikern und Stars, seine Reportagen sind sozialkritische Nahaufnahmen. In Düsseldorf ist jetzt eine Werkschau zu sehen.

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896 Eröffnung "Martin Schoeller - Fotografien" im NRW-Forum in Düsseldorf
Bild: Martin Schoeller/Foto: Heike Mund/DW

Sein Entschluss, 1993 nach New York zu ziehen, war folgenreich: Drei Jahre arbeitete Martin Schoeller als Assistent für Starfotografin Annie Leibovitz. Mit ihr und ihrem Team reiste er um die Welt und lernte viele Stars aus der Film- und Musikbranche kennen. Und er eignete sich alle Finessen der professionellen Fotografie an, die den künstlerischen Fotografen vom guten Handwerker unterscheiden. Das Fotografieren an sich hatte er beim Berliner Lette-Verein gelernt.

Steile Karriere in New York

Schon bald ging der junge Deutsche eigene Wege. Als freier Profi-Fotograf in den USA sucht er seinen persönlichen Stil, versuchte seine Ideen den Redaktionen anzubieten. "Am Anfang haben die Redakteure meine Close-Ups gar nicht verstanden", erzählt Schoeller im Interview. "In der Zeit habe ich vor allem Freunde fotografiert. Bis ein Fotoredakteur mir mal einen Termin, ein Shooting mit Vanessa Redgrave, gab."

Ein Mann mit Dreadlocks steht vor großformatigen Fotografien
Martin Schoeller vor seinen großformatigen FotografienBild: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd

Martin Schoeller hat für die Werkschau in Düsseldorf tief in seinem persönlichen Fotoarchiv gegraben – und auch Arbeiten vom Anfang seiner Karriere durchforstet. "1998 habe ich gerade mal drei Hochzeiten fotografiert und einen Stillleben-Job", erinnert er sich.

Das Shooting mit so einem berühmten Filmstar wie Vanessa Redgrave katapultierte ihn von einem Tag auf den anderen in eine andere Liga. "Das ging dann los, wie eine Lawine. Da hatte ich 1999 auf einmal 127 Jobs, das war schon überwältigend. Geschlafen habe in der Zeit im Durchschnitt 4 Stunden, weil es einfach so viel Arbeit war", erzählt Schoeller und staunt heute selbst noch darüber.

Klare Haltung, keine Starallüren

Heute kann der inzwischen international berühmte Fotograf alles gelassener angehen. Ein zuverlässiges Team von Mitarbeitern und Assistenten arbeitet ihm zu und bereitet die Fotoshootings vor. Aber wenn die zahlreichen Lampen- und Kamerakoffer verladen werden, packt Schoeller auch selbst mit an. Starallüren kennt der 52-jährige Deutsche nicht. Humor gehört für ihn dazu, um die Präzision für die Profiarbeit aufzubringen.

Bilder von Martin Schoeller an einer weißen Wand bei der Ausstellung in Düsseldorf
Bilder in der AusstellungBild: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd

Geboren wurde Martin Schoeller 1968 in München, aufgewachsen ist er in Frankfurt am Main. Sein Vater war der bekannte TV-Journalist und Literaturkritiker Wilfried F. Schoeller (1941-2020). Seine Schwester Bettina ist Regisseurin. Kunst und Literatur gehörten zum Familienleben.

Martin interessierte sich für Fotografie. Was er an der Berliner Lette-Schule gelernt hat, ist bis heute sein Fundament. Die seriellen Arbeiten von August Sander und Bernd und Hilla Becher prägten nachhaltig sein Denken und seine Sichtweise auf die Fotografie als Kunstform.

Reporter für den "New Yorker"

Der Termin für ein Fotoshooting mit Tony Hawk, mehrfacher Skateboard-Weltmeister und YouTube-Star – übrigens gleicher Jahrgang wie Schoeller, bescherte dem jungen Fotografen aus Deutschland einen festen Vertrag beim Magazin "The New Yorker". "Da war ich dann 13 Jahre als Fotograf angestellt", erinnert er sich im Interview zurück.

Inzwischen sind seine supernahen Close-Ups und die inszenierten Portraits mit Prominenten auf den Titelseiten der internationalen Magazine zu finden: Von "Time" bis "Vanity Fair", von der renommierten "New York Times" über den "Stern" bis zum Musikmagazin "Rolling Stone". 2000 wurde er als "Best Talent" vom "Life"-Magazin ausgezeichnet.

Bild einer weiblichen Bodybuilderin mit Text daneben
Serielle Fotografien: Female BodybuildersBild: Martin Schoeller/Foto: Heike Mund/DW

Martin Schoeller wird viel gebucht, reist ständig rund um den Globus, um seine Shootings und auch eigene Projekte zu realisieren. Und regelmäßig arbeite er auch als Fotoreporter für die populärwissenschaftliche Zeitschrift  „National Geographic“, die ihm seine Projektarbeit "Identical" ermöglichte.

Internationales Renommee 

Seit 15 Jahren sind seine Arbeiten in Ausstellungen zu sehen, die erste 2005 in der Galerie Camerawork in Berlin, später kamen Museen und Galerien in New York, Boston und Beverly Hills dazu. Seit 20 Jahren managt Anke Degenhardt, Agentin, Kuratorin und Spezialistin für zeitgenössische Fotografie, seine Fotoausstellungen. Oft findet sie mit Gespür genau den passenden Ort für seine großformatigen Arbeiten.

2020 ist Martin Schoeller in Deutschland mit gleich zwei großen Ausstellungen vertreten: Auf der Zeche Zollverein in Essen mit "Survivors", für die er in enger Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Yad Vashem 75 Holocaust-Überlebende in Israel fotografiert hat. Das NRW-Forum in Düsseldorf wiederum zeigt seine Werkschau. Beide Ausstellungen machen ihn stolz, auch weil er in Düsseldorf mehr als seine bekannten Close-Ups zeigen kann.

Fotografie eines bärtigen Mannes mit schwarzer Baseball-Kappe
Juan Melendez verbrachte 17 Jahre und 8 Monate unschuldig im GefängnisBild: Martin Schoeller/Foto: Heike Mund/DW

Die 170 Arbeiten der Werkschau spiegeln auch Martin Schoeller wieder. Sein wichtigstes Projekt sind Portraits von Todeskandidaten, die viele Jahre unschuldig in US-Gefängnissen saßen und im letzten Moment freigesprochen wurden. Es dauerte lange, bis er dafür Vertrauen aufbauen konnte.

Und sehr am Herzen liegen ihm die Fotos von jungen Transgender-Frauen, die in West-Hollywood unter sozial krassen Bedingungen leben und anschaffen müssen. Den Erlös vom Verkauf dieser Bilder spendet Schoeller zu 100 Prozent an eine karitative Organisation, die sich um diese Menschen kümmern. Das zu wissen, mache ihn froh, sagt er.

Die Ausstellung "Martin Schoeller" im NRW-Kunstforum ist noch bis zum 15.9. 2020 in Düsseldorf zu sehen. "Survivors" auf Zeche Zollverein in Essen noch bis zum 26.7.2020