Diagnose: Mangelernährung, Ursache: Klimawandel
29. August 2018Hunderte Millionen Menschen könnten in Zukunft von Mangelernährung bedroht sein, schätzt eine neue Studie. Schuld soll der Klimawandel sein. Denn wenn der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre steigt, nehmen Nahrungspflanzen wie Reis, Kartoffeln und Weizen weniger Mineralien aus dem Boden auf und bilden weniger Eiweiß, schreiben Forscher der US-amerikanischen Harvard-Universität in "Nature Climate Change".
Die größten Verlierer sind - wie eigentlich immer, wenn es um den Klimawandel geht - einkommensschwache Länder, sagt Samuel Myers der DW. Er ist Mitautor der Studie und Leiter der Planetary Health Alliance in Harvard. Dieses Konsortium aus Universitäten, NGOs und Regierungsinstitutionen möchten sicherstellen, dass auch in Zeiten des Klimawandels die Menschen gesund bleiben.
Nun sind Grundnahrungsmittel wie Reis und Weizen für über drei Milliarden Menschen auf der Welt die wichtigsten Nahrungsquellen, um überhaupt ausreichend Kalorien aufzunehmen. Genau diese Menschen, mit "wenig Abwechslung im Speiseplan und wenig tierischer Nahrung", werden darunter leiden, wenn Getreide und andere pflanzlichen Nahrungsmittel weniger Nährstoffe als bislang enthalten, prophezeit Myers.
Mehr dazu: Veganer für eine Woche: Kannst du ohne Tierprodukte leben?
Es fehlen Zink, Eiweiß, Eisen
Pflanzen könnten der Studie nach in Zukunft weniger Zink, weniger Eisen und weniger Eiweiße enthalten. Forscher schätzen, dass bis zum Jahr 2050 weitere 175 Millionen Menschen von Zink- und 122 Millionen von Eiweißmangel betroffen sein könnten, sollte der Kohlenstoffdioxidausstoß nicht dramatisch gedrosselt werden.
Wer viel Fleisch isst, ist hingegen fein raus: Tierische Nahrung ist im Gegensatz zu Pflanzen besonders reich an Eisen, Zink und Eiweiß.
Mehr dazu: Mehr Tote durch Fehlernährung
Warum verlieren die Pflanzen Nährstoffe durch zuviel CO2?
Pflanzen brauchen Kohlendioxid, um zu wachsen, aber sie können auch zu viel davon bekommen. "Wir verstehen immer noch nicht richtig, warum das passiert", sagt Myers, "wir nehmen aber an, dass höhere Konzentrationen von Kohlendioxid Reis- und Weizenpflanzen dazu bringen, mehr Kohlenhydrate, also Stärke zu produzieren". Das gehe dann vermutlich auf Kosten von Eiweiß, Zink und Eisen.
Krank durch Klimawandel
Die Studie ist nur eine von vielen, die zeigen, dass Wasserknappheit, steigende Temperaturen und höhere Kohlendioxidwerte die Qualität unserer Nahrung beeinflussen und die Ernteerträge vermindern können.
Welche gesundheitlichen Folgen eine solche veränderte Pflanzenzusammensetzungen haben könnten, untersuchten jetzt die Autoren der neuen Studie mit einerDatenbank zur weltweiten Nährstoffversorgung. Sie schätzten ab, welche Auswirkungen die Nährstoffverluste für 151 Länder haben könnten. Sprich: Welche Regionen der Welt leiden am meisten, wenn bestimmte Pflanzen ihre Nährstoffe verlieren?
Mangelernährung bereits jetzt ein Problem
Derzeit leben bereits zwei Milliarden Menschen mit Nährstoffmangel auf der Welt. Hinzu kommen etwa 815 Millionen Menschen, die keinen Zugang zu genügend nahrhaften Lebensmitteln haben sowie 1,5 Millionen Todesfälle pro Jahr, weil viele Menschen zu wenig Gemüse essen.
Wenn nichts unternommen wird, könnte eine Reduktion der Mikronährstoffe aufgrund des Klimawandels "das bereits akute Problem der Mikronährstoffunterernährung verschärfen", warnt Kristie Ebi von der University of Washington gegenüber der Deutschen Welle.
Ein Mangel an Eisen kann eine Eisenmangelanämie verursachen, die laut Ebi "zu schweren Komplikationen wie Herzinsuffizienz und Entwicklungsverzögerungen bei Kindern führen kann". Ein Mangel an Zink wiederum führt zu Appetitlosigkeit, vermindertem Geruchssinn, zu schlechter Wundheilung und gestörter Immunfunktion. "Zink unterstützt auch Wachstum und Entwicklung, so dass eine ausreichende Nahrungsaufnahme für Schwangere und heranwachsende Kinder enorm wichtig ist", fügt Ebi hinzu.