Warum Abnehmen mit der Zeit immer schwerer wird
22. November 2018Alle Abnehmwilligen fürchten es: das Plateau. Die ersten paar Wochen Diät waren so schön. Man isst weniger und jeden Morgen wird man auf der Waage dafür belohnt: wieder ein paar hundert Gramm weniger. Läuft doch!
Aber früher oder später ist das vorbei. Man hungert fleißig weiter, doch der Zeiger der Waage scheint davon absolut unbeeindruckt. Das Körpergewicht will einfach nicht weiter runter gehen. Das ist der Zeitpunkt, wenn viele ihre Diät hinschmeißen, denn "es bringt ja eh nichts". Der Frust ist einfach zu groß. Was genau passiert da im Körper?
Wasserverlust statt Fettabbau
Zu Beginn einer Diät purzeln die Pfunde vor allem deswegen so schnell, weil man statt Fett Glykogen abbaut, sagt Martijn Katan, emeritierter Professor für Ernährungswissenschaften an der Freien Universität in Amsterdam. "Glykogen enthält viel Wasser. Dadurch nimmt das Körpergewicht in den ersten Tagen einer Diät sehr schnell ab."
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Glykogen ist ein Kohlenstoffspeicher in Leber, Muskeln und Niere, den der Körper bei Nahrungsunter- oder -überangebot schnell ab- beziehungsweise aufbauen kann. Da die stärkeähnliche Substanz wasseranziehend ist, lagert der Körper zusammen mit Glykogen auch stets viel Wasser ein. Spanische Wissenschaftler haben an Versuchspersonen gemessen, dass für jedes Gramm Glykogen im menschlichen Muskel auch 3 Gramm Wasser oder mehr gespeichert werden. Werden diese Kohlenstoffspeicher bei einer Diät geleert, geht das Wasser auch verloren – und das macht sich auf der Waage positiv bemerkbar, zur Freude des Abnehmenden.
"Fett abzubauen geht langsamer, denn dessen Energieinhalt ist viel höher", sagt Katan. Hiermit beginnt der Körper erst mehrere Tage nach Beginn einer Diät.
Der umstrittene Sparmodus
Wenn der Körper aber endlich begonnen hat, Fett zu verbrennen, sollte er doch damit auch weiter machen? Oder lernt der Körper, mit weniger Energie umzugehen, und fährt quasi in einen Sparmodus, wie es oft heißt?
Darüber sind sich selbst Wissenschaftler uneins. Martijn Katan gehört zu denen, die den Sparmodus für einen Mythos halten: "Der Körper lernt überhaupt nichts, er folgt einfach den Gesetzen der Physik." Man brauche schließlich mehr Sprit, um einen Lkw mit 100 Kilometern pro Stunde fahren zu lassen, als einen Pkw. "Wenn man abnimmt, wird man weniger Lastkraftwagen und mehr Pkw." Oder anders ausgedrückt: "Wenn man 10 Kilo verliert, hat man 10 Kilo weniger mit sich herumzuschleppen."
Im Jahr 1995 zeigten US-Forscher bereits, dass dicke Menschen mehr Energie verbrauchen als dünne Menschen. Der Energiebedarf sinkt also im Laufe einer Diät. Das ist laut Katan der einzige Grund, warum man irgendwann mit dem gleichen Diätplan nicht weiter abnehme.
Kevin Hall vom US National Institutes of Health, der US-Gesundheitsbehörde, widerspricht: "Es ist etwas komplizierter", sagt er. Hall untersucht für das National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Disease, was im Stoffwechsel und im Gehirn bei einer Diät passiert. Mit seinen Kollgen begleitete er unter anderem die Gewinner der US-Fernsehshow "The Biggest Loser" wissenschaftlich. In der Show wetteifern übergewichtige Kandidaten um die größte Gewichtsabnahme. Es ist nicht selten, dass Teilnehmern währenddessen mehr als 50 Kilo abnehmen. Inzwischen gibt es auch eine deutsche Version der Sendung.
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Stoffwechsel verlangsamt sich
"Es ist ganz deutlich: Wer weniger Kalorien zu sich nimmt, dessen Stoffwechselrate verlangsamt sich", sagt Kevin Hall der DW. Der Körper beginne im Laufe einer Diät, weniger Kalorien zu verbrennen. Das passiere etwa sechs bis acht Monate nach Beginn einer Diät. Der beobachtete Effekt gehe klar über das hinaus, was ein Verlust an Kilogramms alleine bewirken würde.
Hall und sein Team maßen über 30 Wochen Showdauer hinweg, wie viel die "Biggest Loser"-Teilnehmer wiegen und wie schnell ihr Ruhestoffwechsel ist. Letzteres bestimmte darüber, wie viel Sauerstoff die Probanden während einer Ruhephase veratmeten und wie viel Kohlendioxid sie ausatmeten.
Die Forscher fanden: Die Diätwettkämpfer hatten nach 30 Wochen im Durchschnitt über ein Drittel ihres Gewichts verloren und ihr Stoffwechsel war um mehr als 600 Kilokalorien pro Tag heruntergefahren. Nur etwa die Hälfte des verlangsamten Stoffwechselsließ sich anhand des verlorenen Gewichts erklären.
"Es gibt viel Diskussion darüber, warum der Stoffwechsel bei einer Diät langsamer wird", sagt Hall. Vermutlich sind Hormone der Grund. Fettzellen schütten das Hormon Leptin aus; während einer Diät wird es also weniger. "Experimente haben gezeigt, dass der Stoffwechsel wieder ansteigt, wenn man Leptin von außen zuführt", sagt Hall.
Umstritten ist die Frage, ob der Stoffwechsel für längere Zeit auf niedrigem Niveau bleibt oder erneut steigt, wenn man wieder mehr isst. Kevin Hall untersuchte 14 Biggest-Loser-Teilnehmer sechs Jahre nach Ende der Show und fand heraus, dass bei den meisten der Stoffwechsel nach wie vor auf niedrigem Niveau war – obwohl sie in der Zwischenzeit im Durchschnitt wieder 40 Kilogramm zugenommen hatten. "Die Verlangsamung des Stoffwechsels kann dauerhaft sein", schlussfolgert Hall. Aber er gibt zu, dass die Datenlage dazu noch recht unsicher sei.
Essen, essen!
Also stimmt es doch? Der Körper fährt im Laufe einer Diät den Stoffwechsel herunter, und daher erreicht der Abnehmwillige irgendwann das gefürchtete Plateau? Und das ist auch der Grund für den Jojo-Effekt, warum man nach Ende einer Diät also schnell wieder zunimmt?
Nein, sagt Kevin Hall. Zwar verlangsamt sich bei einer Diät der Stoffwechsel, aber das habe gar nichts damit zu tun, ob man abnimmt oder nicht. Das habe die Studie mit den Biggest-Loser-Teilnehmer gezeigt: "Diejenigen mit der niedrigsten Stoffwechselrate haben nach Ende der Show am ehesten ihr niedriges Gewicht gehalten", sagt Hall. Dabei sollte man genau das Gegenteil erwarten: dass diejenigen schnell wieder zunehmen, deren Stoffwechsel am stärksten heruntergefahren ist.
Nicht nur Menschen werden zu dick: Diät für dicken Igel
Der Grund für das gefürchtete Plateau sei ein ganz anderer, sagt Hall: "Wenn Menschen abnehmen, steigert sich ihr Appetit. Das kann durchaus unbewusst geschehen." Ohne es zu merken, nehme man wieder mehr Kalorien auf.
Zusammen mit Forschern von dem Pharmakonzern Janssen und von der University of Michigan zeigte Hall, dass Gewichtsverlust automatisch zu Appetitsteigerung führt: Die Forscher gaben 153 Probanden ein Medikament, das diese vermehrt Glucose ausscheiden ließ, so dass sie abnahmen, ohne es zu merken. Für jedes Kilogramm, das die Probanden verloren, nahmen sie im Durchschnitt 100 Kilokalorien pro Tag extra auf.
Erfolgreich diäten
Wie also nimmt man am besten ab? Kevin Hall hat darauf eine einfache Antwort: "Mit einer Diät, die einem Spaß macht." Wirklich erfolgreich abnehmen könne man nur, wenn man seinen Lebensstil zum Gesünderen ändert – und zwar dauerhaft: mehr Gemüse essen, weniger Kalorien in sich reinstopfen und sich vor allem mehr bewegen. "Unsere Studien haben gezeigt, dass nach einer Diät diejenigen Menschen am ehesten ihr Gewicht halten, die am aktivsten sind."
Abgesehen davon: Es muss nicht immer die Hauruck-Diät sein, bei der die Pfunde nur so purzeln. "Es geht nicht darum, wieder in die Klamotten zu passen, die man zu Schulzeiten getragen hat." Auch wer nur wenige Kilogramm abnimmt, tut seiner Gesundheit schon sehr viel Gutes.