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Kritik am DFL-Konzept

Andreas Sten-Ziemons1. November 2012

Das Konzeptpapier "Sicheres Stadionerlebnis" sorgt für Diskussionen. Die Fans und viele Vereine lehnen das Konzept entschieden ab. Sie sehen sogar rechtsstaatliche Grundsätze in Gefahr.

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Freiburger Fans zeigen vor Spielbeginn gegen Dortmund ein Transparent mit der Aufschrift "DFL - Konzept ablehnen" (Foto: dpa)
Bild: picture alliance / GES-Sportfoto

Der FC St. Pauli hat bereits "nein" gesagt, genau wie Fortuna Düsseldorf, der 1. FC Kaiserslautern und der VfL Wolfsburg, viele andere Profiklubs ebenfalls. Und nun hat auch die Vereinigung "ProFans", ein bundesweites Bündnis von Fußballfans, das DFL-Konzeptpapier "Sicheres Stadionerlebnis" grundlegend abgelehnt. Die Sicherheitskommission der Deutschen Fußball Liga hatte dieses Papier erarbeitet und damit auf die in den vergangenen Monaten zunehmende Fan-Gewalt und das gehäufte Abbrennen von Pyrotechnik in deutschen Stadien reagiert. Ursprünglich sollte es Mitte Dezember auf einer Vollversammlung aller 36 deutschen Profivereine verabschiedet werden. Dazu hatte die Kommission es allen beteiligten Klubs mit der Bitte um Stellungnahme vorgelegt - und die fiel überwiegend negativ aus.

Keine Stehplätze, vollständige Körperkontrollen

Die Kommission fordert in ihrem Papier einen verbindlichen Verhaltenskodex für Fans. Er beinhaltet Gewaltverzicht, den Verzicht auf jegliche Pyrotechnik und die Anerkennung der Stadionordnung. Forderungen, gegen die im Grunde kein Verein etwas haben kann. Doch sollten die Vereine die von der DFL vorgeschlagenen Maßnahmen unterschreiben, dann erklärten sie sich auch damit einverstanden, dass es bei weiteren Zwischenfällen womöglich gehäuft zu Geisterspielen, also Partien ohne Zuschauer, zu Stadionverboten, zur Beschränkung der Kartenkontingente für Gästefans und in der Endkonsequenz sogar zur Abschaffung der Stehplätze in Deutschlands Stadien kommt.

Fußball Bundesliga, 12. Spieltag, Werder Bremen - 1.FC Köln am Sonntag (05.11.2011) im Weser Stadion in Bremen. Vor Spielbeginn stehen Ordnerinnen mit Sprengstoffspürhunden am Einlass des Gästeblocks und warten auf ihren Einsatz. Werder geht in dieser Form gegen Anhänger vor, die im Stadion Feuerwerk abbrennen. Foto: Carmen Jaspersen dpa/lni +++(c) dpa - Bildfunk+++
Die DFL will die Kontrollen verschärfenBild: picture-alliance/dpa

Außerdem sieht die DFL eine Ausweitung der Videoüberwachung der Fans in den Blöcken vor. Zusätzlich ist die Rede von sogenannten "Personen-Körperkontrollen" im Eingangsbereich. Das könnte bedeuten: Fans sollen sich vor dem Einlass ins Stadion in einem Container teilweise oder sogar komplett ausziehen, damit untersucht werden kann, ob sie möglicherweise Feuerwerkskörper oder Teile von Feuerwerkskörpern am oder in ihrem Körper versteckt haben. Abgesehen davon, dass dies logistisch kaum umsetzbar wäre, sehen Fans und Vereine hier rechtsstaatliche Grundsätze außer Acht gelassen. Zudem wird nicht akzeptiert, dass die Unterzeichung des Verhaltenskodex' zwar freiwillig geschehen, eine Weigerung aber verbindlich Sanktionen nach sich ziehen solle.

Einigkeit zwischen Klubs und Fans

Viele Vereine lehnen das Konzept daher rundweg ab. Sie kritisieren, dass es entstanden sei, ohne dass die Fanvertreter in den Entstehungsprozess mit eingebunden waren. "Das Konzept macht für uns keinen Sinn, solange die Sichtweisen der Fans nicht berücksichtigt werden", sagt Gerd Mäuser, Präsident des VfB Stuttgart. Er fordert eine zweite Kommission, in der die Fanbeauftragten der Klubs ein zweites Maßnahmenpapier erarbeiten.

"Dann sollte man das erste Konzept der DFL und das zweite nebeneinander legen und daraus ein Papier machen, mit dem beide Seiten leben können", so Mäuser. Die Vereinigung "ProFans" bemängelt, dass es derzeit "keine Notwendigkeit für ein solches Papier gibt, das nichts anderes als blinden Aktionismus darstellt". Es existiere kein gestiegenes "Gewaltproblem" im deutschen Fußball. Innerhalb der Stadien sei die Tendenz sogar seit Jahren rückläufig.

Dresdener Fans fackeln beim Pokalspiel bei Borussia Dortmund am 25.10.2011 Feuerwerkskörper ab (Foto: ddp images/AP Photo/Martin Meissner)
Pyrotechnik und Gewalt vor dem Stadion - Fans von Dynamo Dresden beim Pokalspiel in DortmundBild: ddp images/AP Photo/Martin Meissner

Runder Tisch ohne die Fans

Doch das sehen Politik und Polizei anders. Spätestens seit den Vorfällen im DFB-Pokal-Spiel zwischen Borussia Dortmund und Dynamo Dresden vor einem Jahr, am 25. Oktober 2011, ist die Sicherheitslage im deutschen Fußball auch ein politisches Thema. Damals fackelten Dresdener Fans im Stadion immer wieder Feuerwerkskörper ab und warfen Gegenstände auf den Platz. Zweimal musste die Partie, die live im Fernsehen übertragen wurde, für mehrere Minuten unterbrochen werden, sie stand sogar kurz vor dem Abbruch. Auch vor dem Stadion flogen Flaschen und Böller, mindestens 15 Menschen wurden verletzt.

Im November 2011 trafen sich erstmals Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der in seinem Ressort neben der Sicherheit auch für den Sport zuständig ist, sowie Vertreter von DFB, DFL, Politik und Polizei. Einzig Vertreter der Fans fehlten. Schon damals wurde das bemängelt. In einem offenen Brief forderten Sportwissenschaftler, Journalisten und Fankultur-Experten, der runde Tisch solle bei seinen Entscheidungen die Fans auf Augenhöhe mit einbeziehen. Doch das geschah nicht - stattdessen ging vor einigen Wochen das Konzeptpapier "Sicheres Stadionerlebnis" an die Vereine.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (M, CSU) , DFB-Präsident Wolfgang Niersbach (l) und Ligapräsident Reinhard Rauball (r) unterhalten sich während des Bundesliga-Sicherheitsgipfels am Dienstag (17.07.2012) in Berlin (Foto: dpa)
Innenminsiter Friedrich mit DFL- und DFB-PräsidentBild: picture-alliance/dpa

Druck von oben

Nun, nachdem die Sicherheitskommission der DFL die Kritik gehört hat, soll das Konzept doch noch einmal überarbeitet werden. Allerdings steht die Kommission dabei unter dem Druck der Politik, die Ergebnisse fordert und bereits angedroht hat, sich andernfalls selbst der Thematik anzunehmen. Die Folge könnten dann strenge Sicherheitsmaßnahmen sein, die an der DFL, den Vereinen und den Fans vorbei eingeleitet würden - ein Szenario, das wohl die wenigstens als wünschenswert erachten.